Alle Angler kennen sie, viele interessieren sich jedoch nicht dafür: die kleinen Gewässer um die Ecke. AB-Admin Christian Siegler liebt diese Reviere und erzählt, wie es dazu kam.

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Einfach mal Abschlaten. Am Teich um die Ecke funktioniert's am besten...

Ganz tief atme ich ein. Dabei schließe ich die Augen. Sowas mache ich immer, wenn ich mich extrem wohlfühle oder etwas perfekt ist. Recht oft passiert mir das in letzter Zeit auf meinem Angelstuhl. Nicht etwa, weil ich einen kapitalen Fisch fing. Nein. Sondern einfach nur, weil ich am richtigen Ort, an „meinem Ort“ bin. Gerade einmal fünf Gehminuten von meinem Haus entfernt liegt ein kleiner Teich recht zentral in einem 200-Seelen-Dorf. Mit klein meine ich vielleicht 150 mal 150 Meter. Der Fischbestand? Gewöhnlich. Karpfen bis zehn, zwölf Pfund, ein paar Hechte und Schleien, eine Handvoll Aale und viel Weißfisch. Nichts Besonderes und doch so wertvoll – für mich zumindest. „Aber was hat so ein Tümpel denn bitte mit großer Liebe zu tun?“, fragt Ihr Euch jetzt sicher. Schließlich kennt jeder Angler diese Teiche und es gibt sie zuhauf. Auch ich habe einige Jahre und unzählige Touren zu Großfischrevieren gebraucht, bis mir klar wurde, was eigentlich für kleine Perlen direkt vor der eigenen Türe schlummern.

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Christian mit urigem Karpfen. Dafür lohnt es sich, ans Wasser zu gehen

Warum in die Ferne schweifen…
Als Jungangler sehnte ich mich immer nach den großen Abenteuern an unendlichen Wasserflächen. Kapitale Fische lieferten mir vor meinem inneren Auge knallharte Drills und mir waren meine Hausgewässer schnell zu klein. Den großen Fang konnte ich hier nicht machen. Schnell war ich von den Durchschnittsfischen gelangweilt. Ich hatte Fernweh und das Großfischfieber packte mich! Jetzt, 20 Jahre später, habe ich schon so manchen Kapitalen aus weit entfernten Gewässern gefangen. Doch der Mensch vermisst ja immer das, was er nicht hat. Nach etlichen Jahren im Exil (also Sachsen, Bayern oder Hamburg) genoss ich es mehr und mehr, an meinen kleinen Thüringer Teich zurückzukehren. Hier bin ich aufgewachsen und kenne jeden Grashalm. Je weiter meine Reisen gingen, umso stärker spürte ich eine tiefe Verbundenheit zu „meinen“ kleinen Gewässern. Immer, wenn sich mir eine Gelegenheit bot, pilgerte ich nach Hause und knapste mir ein paar Stündchen zum Angeln ab. Es wurde etwas Besonders für mich, an diesen doch so gewöhnlichen Vereinsgewässern, die kaum einer schätzte, zu fischen.

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Nicht nur die Fische wissen, wo’s das Futter gibt! Auch die Blässhühner sind keine Kostverächter

Einfach ist gut
Besonders die Zeit, als ich in Hamburg lebte, prägte mich. Der enorme Angeldruck in der Hansestadt und die weiten Wege über oft verstopfte Straßen ließen die Angelei eher zu einem Krampf, als zu einem Genuss werden. Als ich mal wieder im dicken Hamburger Feierabendverkehr feststeckte und mir klar wurde, dass ich es nicht rechtzeitig zum Gewässer schaffe, dachte ich an die Angelei in meiner Jugend. „Wie unkompliziert und entspannt das doch alles war“, schoss es mir durch den Kopf. „Jetzt wären so ein paar halbstarke Hechte oder Forellen von früher schon der Wahnsinn“, dämmerte es mir. Ich liebe es, wenn Sachen einfach sind und funktionieren! Besonders beim Angeln. Außerdem brauche ich die Einsamkeit am Wasser, die Ruhe. Das alles fand ich nicht in der nordischen Metropole. Das einfache, unbeschwerte Angeln nahm einen immer größeren Stellenwert ein. Mit leichtem Gepäck und kurzem Weg zum Wasser angelt es sich viel entspannter. Da tut dann auch ein Schneidertag nicht so weh und wir können uns wieder aufs Wesentliche konzentrieren: aufs Draußensein, auf den Naturgenuss. Dieser kam mir nämlich viel zu oft abhanden bei der aufwändigen, zeitraubenden und manchmal auch frustrierenden Jagd nach großen Fischen. „Höher, schneller, weiter“ – diese Einstellung ist für Sportler gut, doch für das Erlebnis Angeln eigentlich Gift! Und das Glücksgefühl nach dem Fang eines Kapitalen verfliegt recht schnell durch den Zwang, einen noch Größeren fangen zu wollen, oder gar zu müssen. Legt man diese Einstellung ab und öffnet die Augen am Wasser, sind die kleinen Teiche, Waldseen und Flüsschen in der Nähe auf einmal weitaus mehr, als nur mittelmäßig besetzte Vereinsgewässer.

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An kleinen Gewässern funktionieren simple Methoden. Hier fiel ein Karpfen auf Maiskörner an der einfachen Posenmontage herein

Kleines Wasser, kleine Fische?
Ab und an besucht mich mein Großvater am Teich. Wir sitzen dann für ein paar Minuten da und genießen gemeinsam die Ruhe. Manchmal wird diese von einem Piepton meines Bissanzeigers unterbrochen und ein kleiner Karpfen gleitet kurz darauf in den Kescher. Nach dem Versorgen des Fisches setze ich mich wieder in meinen Angelstuhl, schließe die Augen und atme tief ein. Genau das sind die Momente, das ist sie, die große Liebe, die mehr bedeutet, als Zentimeter auf dem Maßband oder Kilos auf der Fischwaage.
Doch so ganz frei von dem Wunsch, auch mal einen dicken Fisch zu fangen, kann ich mich natürlich nicht machen! Das wäre geflunkert. Schaue ich mir aber meine persönlichen Rekordfische an, fällt mir etwas Erstaunliches auf: Viele der ganz Großen kommen aus ganz kleinen Gewässern! Ihr kennt sicher die Geschichten von uralten Karpfen aus dem Feuerlöschteich. Der dunkle, geheimnisvolle Riese mit dem Moosrücken. Alleine schon wegen dieser mystischen Stories macht es Spaß, dort zu angeln. Aber es sind nicht nur Märchen, die da erzählt werden. In etlichen der kleinen, unbeachteten Gewässern schwimmen große Fische – wenn auch nicht in der Masse, wie in Großgewässern. Doch ein, zwei gute Kaliber, die auch erfahrene Anglerherzen höher schlagen lassen, gibt es in kleinen Gewässern sehr oft. Und eben diese Fische zu überlisten, übt einen ganz besonderen Reiz aus. So fing ich letztes Jahr in „meinem“ Teich einen Hecht, der alles sprengte, was ich zuvor sah. Nach 20 Jahren intensivem Großhechtangeln an Toprevieren passiert es keine fünf Minuten vor der Haustür. Wenn das kein Argument für Kleingewässer ist… (Hier lest Ihr die Story zu diesem Hecht)
Auch tolle Schleien, Aale und Rotfedern konnte ich an den kleinen Teichen überlisten. Und meine beste Bachforelle stammt aus einem Rinnsal, über das ich spucken könnte. Es lohnt sich also, den kleinen Gewässern von Nebenan einen Besuch abzustatten – und sei es nur, um ein paar Stündchen beim entspannten Angeln die Seele baumeln zu lassen.
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Schleien sind klassische Teichbewohner und die Angelei auf die grünen Schönheiten macht richtig Spaß


Tackletipps für Teiche

Karpfenangeln

Rute: Zwölf-Fuß-Modelle (circa 3,65 Meter) mit 2,5 lbs
Rolle: kleine Karpfenrollen mit einer Schnurfassung von ungefähr 200 Meter 0,40er
Schnur: dunkel gefärbte 0,30er Monofile
Empfohlene Rigs: Anti Blow Back oder Chod Rig
Köder: kleine, auffällige Pop Ups

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Mit wenig Gepäck und kurzen Wegen zum Wasser angelt es sich viel entspannter

Hechtangeln
Rute: 2,40 Meter mit 60 Gramm Wurfgewicht
Rolle: 3000er bis 4000er Modell
Schnur: 0,14er Geflochtene
Köder: kleine Jerkbaits bis 50 Gramm, Wobbler von 10 bis 15 Zentimetern, 5er Spinner, unbeschwerte Gummifische am Offset-Haken

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Nicht zu große Kunstköder und leichte Ruten genügen zum Spinnfischen am Teich

Extratipp – Leicht und leise

Beim Angeln an kleinen Gewässern achte ich sehr darauf, nicht aufzufallen. Die Fische sind hier sensibel und registrieren jede Veränderung sofort. Aus diesem Grund verwende ich leichtes Gerät. Beim Hechtangeln dürfen meine Köder nicht zu groß und schwer sein. Ich versuche, den Aufschlag auf dem Wasser immer abzubremsen. Auch beim Karpfenangeln kommen eher leichtere Bleie von 60 bis 75 Gramm und unauffällige Montagen und Zubehör zum Einsatz. Denn dumm sind die Teichbewohner nicht!