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Viel ist für den Start nicht nötig

Klar, wenn Ihr mit eingefleischten Fliegenfischern sprecht, die ihre Trockene nur stromauf servieren, dann wird Euch dieses Art des Angelns als elitär und kompliziert vorkommen. Lasst Euch aber nicht abschrecken! Der Einstieg ist gar nicht so schwer.
Vor dem Start am Wasser steht der Gang zum Fachhändler. Im Optimalfall ist das einer mit gut sortierter Fliegenfischerabteilung und einer ordentlichen Portion Fachwissen. Keiner um die Ecke? Viele Onlineshops bieten im Vorfeld fundierte Beratung und Kaufempfehlungen an, einfach mal anrufen.
Bevor Ihr Euch diverse Rutenklassen zulegt, greift am Anfang zu einer Einhandrute #6 in neun Fuß Länge. Also rund 2,70 Meter. Damit seid Ihr zum Beispiel für den Forellensee, kleinere Raubfische oder Meerforellen an der Küste bereit. Moment? Klasse, Raute? Was bedeutet das denn? Beim Fliegenfischen gibt’s kein Wurfgewicht so wie Ihr es von zum Beispiel Spinnruten kennt. Die Modelle für Streamer & Co werden nach einem Schnurklassensystem der AFFTA (American Fly Fishing Trade Association) unterschieden. Dafür steht die Raute (#). In Kombination mit einer Zahl wisst Ihr, wie kräftig Eure Rute ist. Einfache Rechnung: je höher die Klasse, desto größere Fische lassen sich fangen. Der Markt bietet von günstig bis teuer in jedem Bereich viele Modelle an. Das Gute für Euch: Ihr erhaltet auch für wenig Geld tolle Ruten oder sogar Einsteiger-Combos. Bei letzteren sind Rolle und Schnur gleich dabei. Und was ist mit Einhandrute gemeint? Wie der Name schon sagt, werden diese mit einer Hand geworfen. Zweihandruten sind noch mal ein Thema für sich. Die Einhand bietet für den Anfang erst einmal die meisten Möglichkeiten.

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Großkernrolle verhindert Memory-Effekt und sorgt für schnelles Schnureinholen. Hier an einer Einhandrute

Rolle, Schnur und Vorfach
So, die Rute liegt auf dem Tresen. Widmen wir uns nun der Rolle. Auch hier könnt Ihr eine aus allen Preiskategorien wählen. Es stehen Euch klassische Ausführungen mit kleinem Spulenkern oder die sogenannten Large Arbor-Rollen zur Auswahl. Letztere besitzen einen großen Kern. Dieser beugt dem gefürchteten Schnurmemory (unschönes Kringeln) vor und holt pro Kurbelumdrehung mehr Leine ein. Ich fische fast ausschließlich die „großen“ Modelle. Die Bremse sollte sich stufenweise verstellen lassen und ruckfrei arbeiten. Wichtig ist, dass das Modell vom Gewicht zur Rute passt. Kopf- oder hecklastig wollen wir nicht. Denkt daran, dass auch Backing (Nachschnur) und Schnur zusätzliches Gewicht bedeuten. Die Nachschnur – meist eine Art Geflochtene – dient als Füllung für die Fliegenschnur und als Reserve, falls mal ein richtig Großer beißt. Euer eigentliches Wurfgewicht ist die „dicke Leine“. Auch hier trefft Ihr auf die Bezeichnung mit der Raute. Fischt Ihr eine Rute #6, gehört eine 6er Schnur auf die Rolle. Ja, es gibt auch Ruten, die sich besser mit einer Klasse höher oder niedriger werfen lassen. Alles Erfahrungswerte. Zum Anfang reicht eine WF (weight forward) aus. Diese Variante ist am Ende etwas dicker und lässt sich einfacher werfen. Spart hier nicht! Mit Billigleinen werdet Ihr wenig Freude haben. Später kommen DT-, Sinktip- oder Sinkschnüre dazu.
Die Rolle ist gefüllt und es fehlen nur noch Vorfach und Tippet. Am Ende der Fliegenschnur befindet sich in der Regel eine Schlaufe, in die Ihr das Vorfach einschlauft. Meist ist es konisch (verjüngt) und wird zur Spitze immer dünner. Es gibt es in verschiedenen Längen und mit unterschiedlichen Durchmessern, als Mono- oder Fluorocarbonausführung. Alle werden durch eine Loop to Loop-Verbindung mit der Fliegenschnur verbunden. Damit beim Fliegenwechsel die Vorfachspitze durchs Abschneiden nicht dicker wird, knotet Ihr einen sogenannten Pitzenbauer-Ring an. An den kommt das Tippet. Dieses muss immer dünner als das Vorfach sein! So reißt bei zu viel Druck nur der untere Bereich. Insgesamt ist die eineinhalbfache Rutenlänge anfänglich völlig in Ordnung.
Habt Ihr schon mal etwas von Polyleadern gehört? Das sind Kunststoffvorfächer. Sie gibt es ebenfalls in diversen Längen und mit verschiedenen Tragkräften. Je nach Eigenschaft erhaltet Ihr Modelle, die schwimmen, im Oberflächenfilm gefischt werden oder unterschiedlich schnell sinken. Die Verbindung mit der Fliegenschnur erfolgt ebenfalls Loop to Loop.

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9´ #5: Die Rute ist neun Fuß lang und als Klasse 5 angegeben. Ein schwarzer Wooly Bugger (linkes Muster) darf nicht fehlen

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Die Bachforelle stieg nach einer Maifliegenimitation

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Auch Rotaugen lassen sich mit der Nymphe fangen

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Der Raps blüht und die Hornis sind in Wurfweite - ideal für Anfänger

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Der Silkekrogen sitzt super zwischen den Zähnen

Ab ans Wasser
Im Prinzip seid Ihr bereit zum Fischen. Jetzt stellt sich die Frage, ob Ihr einen Fliegenfischerkurs machen oder Euch die Wurfabläufe selber beibringen möchtet. Ich rate Euch zu einem Kurs. So erlernt Ihr von Anfang an die Grundlagen, auf die Ihr später aufbauen könnt. Wenn sich einmal Fehler eingeschliffen haben, sind die später nur schwer zu korrigieren.
Um schnell zum Erfolg zu kommen, sucht Euch einfache Zielfische aus. Im Sommer bieten sich zum Beispiel Rotfedern an, die an warmen Tagen an der Wasseroberfläche umherziehen. Serviert Ihnen kleine Trockenfliegen wie Mücken- oder Ameisenimitationen oder unbeschwerte Nymphen in gedeckten Farben. Wählt ein verjüngtes Vorfach mit 0,20er Spitze. Das Tippet sollte zwischen 0,18 und 0,16 Millimetern liegen.
Ihr wohnt in Küstennähe? Perfekt, dann startet unbedingt im Mai ans Wasser. Jetzt kommen die Hornhechte in Wurfweite. Mit Garnelen- oder Fischchenimitationen am Vorfach werdet Ihr nicht lange ohne Biss bleiben. Besonders gut funktionieren auch Streamer aus Silkekrogen. In den feinen Seidenhärchen bleiben die spitzen Hornizähne super hängen. Hier ist eine Vorfachspitze von 0,30 Millimetern von Vorteil. Denn ein 0,28er bis 0,26er Tippet birgt Reserven, wenn Euer Hornhecht in die Algen flüchtet oder eine Meerforelle beißt.
Forellenseen sind ebenfalls ideal für Anfänger. Nehmen die Fische Oberflächennahrung, sind Trockenfliegen Trumpf. Steht Euer Ziel ein Stockwerk tiefer, bringen Streamer wie Wooly Bugger die Fische um den Verstand. Bei Nymphen darf eine Montana auf keinen Fall fehlen. Was die Farben angeht, heißt es: ausprobieren. Tummeln sich XL-Forellen im Wasser, bietet sich ein 0,26er Vorfach an. Dies lässt sich hervorragend mit 0,24er oder 0,22er Spitze kombinieren. Geht’s auf Portionsforellen, darf das Vorfach auch nur 0,20 Millimeter messen. Jetzt rundet ein 0,18er oder 0,16er Tippet Eure Ausrüstung ab.
Wenn Ihr einen Forellenbach um die Ecke habt, dann pirscht Anfang Juni mit der Maifliege am Ufer entlang. Schwirren die Insekten abends zu Tausenden durch die Luft, kommen Forelle & Co manchmal in einen wahren Fressrausch. Steigende Fische verraten sich durch Ringe an der Oberfläche. Serviert Eure Fliege immer weit davor, da die Fische nie direkt unter der kleinen Wasserverwirbelung stehen. Es ist unbeschreiblich spannend! Eine 0,18er Vorfachspitze passt meinstens. So lässt sich das Tippet zwischen 0,16 bis 0,14 Millimeter variieren. Klar, schwimmen nur Dicke im schnellen Wasser, müsst Ihr stärker fischen.
Ich verspreche Euch eines: Sobald Ihr den ersten Fisch mit der Fliegenrute gefangen habt, seid Ihr vom „Fusselvirus“ befallen. Zum Glück lassen sich fast alle Fische mit der Fliege fangen – probiert Euch aus!

Hier ein Überblick für eine Allround-Ausrüstung:
• Rute #6 in neun Fuß (rund 2,70 Meter)
• passende Rolle mit Backing und 6er WF-Fliegenschnur
• Vorfächer in neun Fuß mit 0,18er bis 0,30er Spitze
• Tippets von 0,14 bis 0,28 Millimetern auf 25er Meterspulen, Mono und Fluorocarbon
• Fliegenbox mit Mustern in verschiedenen Größen und Farben
• Kescher
• Hakenlöser
• Totschläger
• Maßband
• Zange
• Polbrille (hebt die Wasserspiegelung auf)
• Trockenmittel für Oberflächenmuster

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Beim Tarpon-Fischen muss das Gerät stark sein

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Mit der #8 auf Snook gestreamert - das funktioniert super

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Mit der #4 auf Forelle im kleinen Bach

Schnurklassen und Einsatzgebiete
Hier eine Übersicht für Einhandruten:
#0 bis 4: für die feine Fischerei am Bach
#5 bis 6: Nymphe, Trocken oder Nassfliege, ideale Allround-Ruten
#7 bis 8: Modelle für Streamer, Flüsse, Seen oder Küste
#9 und 10: für große Fische wie Hecht, Zander & Co oder Warmwasserräuber wie Barrakuda
#10 bis 15: Modelle für die schwere Salzwasserfischerei auf Tarpon, GTs und andere starke Räuber

Versucht es doch auch mal mit der Fliege im neuen Jahr thumbsup

Mit diesem Beitrag wünsche ich Euch schon mal ein frohes Fest und alles Gute für 2020 ab152

Euer, Elmar