„Musik und Fliegenfischen – das ist wohl meine Kurzbeschreibung“: Walter Meyer ist Fliegenfischer mit Leib und Seele. Doch auch die Gitarre spielt eine große Rolle in seinem Leben. Soweit nichts Besonderes. Wer beides mit Parkinson meistert, beweist Willensstärke.

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Walter Meyer an der Pliva in Bosnien

Christopher Heiland betreibt das Fliegenfischerfachgeschäft „Der Heiländer“ in Lübeck. Viele seiner Kunden kennt er mittlerweile persönlich. So auch Walter Meyer aus Stockelsdorf. „Elmar, der Mann macht tolle Musik und fischt mit der Fliege. Und das trotz Parkinson. Kaum zu glauben, oder?“ Christophers Erzählung machte mich neugierig. Nach dem ersten Kontakt erhielt ich eine Mail mit vielen spannenden Infos.
„Herr Elfers, über mich gibt es ein kleines Video im Internet. Bei Google ist es unter dem Suchbegriff ,Walter Meyer – Mein neues Leben‘ leicht zu finden. Es wurde am Welt-Parkinson-Tag (11. April) 2017 bundesweit im ARD-Büfett ausgestrahlt. Die erste CD mit dem Titel ,Die Seele brennt‘ ist 2016 erschienen und auf den meisten Musik-Plattformen (Spotify, i-Tunes, Deezer und anderen) sowie bei Amazon zu finden. Auf diesem Album ist der Fliegenfischer-Song ,Tight Lines‘, der unter meinen Fliegenfischerfreunden in aller Welt viel Anklang fand, wohl weil man sich ganz leicht selbst darin erkennen kann.“
Musik, gute Musik für Fliegenfischer. Das Stück geht ins Ohr und mein Fuß fängt beim Hören sofort zu wippen an. Gerne mehr davon. Und ja, ich erkenne mich wieder.
Ich lese weiter in der Mail und erfahre, dass nach über dreieinhalb Jahren am 8. November 2019 seine zweite CD auf den Markt kam. Aufgenommen wurde sie in einem Tonstudio in Schweden. Herauskam „Die Ruhe vor dem Sturm“. Ihr ahnt es sicher schon. Genau, auch auf dieser CD findet sich ein Stück für Fliegenfischer. Mit „Perfect Cast“ bietet Walter Meyer, wie er schreibt: „Eine musikalische Anleitung zum Fliegenfischen. Der Song kommt relaxed und groovy daher.“ Stimmt. „Auch hier gibt es einen hohen Wiedererkennungsfaktor. Jeder von uns kennt zumindest ,seinen‘ Fisch und dessen Standplatz“, schreibt Walter Meyer.

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Zwischen Hifi und Flifi. Sein Hund genießt die Töne

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Nicht am Wasser, sondern im Tonstudio

Der anglerische Werdegang

Bis 1981 angelte er auf alles mit allem. Ein klassischer Allrounder. Auf einer Irlandreise servierte er seinen Blinker Wurf für Wurf, aber kein Fisch interessierte sich dafür. „Und dann trat er auf den Plan: hüfthohe Gummistiefel, die speckigste Lederjacke, die ich in meinem Leben je gesehen habe, Bart, Pfeife, Schiebermütze – und so eine komische Angel, die er immer hin und her schwang.“ So schreibt Meyer über seine erste Begegnung mit dem Fliegenfischen. Er fing einen Fisch nach dem anderen und sie verschwanden alle in der Unendlichkeit dieser besagten Lederjacke. „Er“ hieß Pattrik Joy und war Fliegenfischer. Der Ire rief zu dem erfolglosen Musiker rüber, was er dort machen würde. „Na, angeln!“, antwortete er. Pattrick konnte sich vor Lachen kaum halten und bot ihm eine seiner Forellen an. So „drillte“ Walter Meyer seine erste irische Forelle, nachdem er den Blinker zu ihm rüber geworfen und er einen Fisch daran befestigt hatte. Dass sie bereits tot war, war beim Essen schnell vergessen. Am Nachmittag stiefelten beide in den örtlichen „Gemischtwarenladen“ und kauften eine komplette Fliegenfischerausrüstung für den Anfänger aus Deutschland. „Dank Pattricks Hilfe bekam ich eine Rute, Rolle, Backing, Flugschnur, zwei Vorfächer, zehn Fliegen und noch Hüftstiefel für ziemlich genau 100 Mark“, schreibt Meyer weiter in seiner Mail. Er konnte nicht werfen, ließ die Fliege mit der Strömung abtreiben, zupfte das Muster dann zurück und fing seine ersten beiden irischen Forellen!
Seit 1981 fischt Walter Meyer nur noch mit der Fliege. Er war in Irland, Alaska, Kanada, Finnland, Norwegen, Schweden, Frankreich, Dänemark, England, Österreich, Slowenien und Bosnien. Fischte in Flüsse wie Mörrum, Gaula, Ljöra, Storan, Itchen, Test, Liffey, Laune, Vellach, Sava, Radovna, Una, Ribnik, Yellowstone, Madison, Ruby, Yukon und vielen anderen. Fly only eröffnete ihm eine ganz neue Welt, in der er herrliche Gewässer, fantastische Landschaften und wundervolle Menschen kennen lernen durfte. „Fliegenfischen ist für mich eine Lebensphilosophie geworden, insbesondere auch durch die C&R-Möglichkeiten“, schreibt er.

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Ein Traum war auch die Fischerei am Yellowstone River

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Schwedische Äschen haben es ihm ebenfalls angetan

Schwerer Schlag

Dann kam das Jahr 2013 und alles änderte sich für ihn: Parkinson-Diagnose, Anerkennung der Schwerbehinderung und 2015 letztlich Ausstieg aus dem Berufsleben. Plötzlich hatte er wieder mehr Zeit, die Kreativität kam zurück, ebenso die Musik. Walter Meyer fing wieder an zu komponieren und zu schreiben. Wie konnte all dies unter der Last der Arbeit untergehen? Und er hatte es nicht mal gemerkt! Die andere Hälfte von ihm sehnt sich so oft als möglich nach draußen. Die Liebe zum Fliegenfischen ist eher größer geworden. „An jedes Gewässer gehe ich noch viel bewusster und respektvoller, wissend, dass dies ganz schnell vorbei sein kann. Wenn ich fische, vergesse ich sogar mal Parkinson – allerdings werde ich schnell wieder eingeholt, zum Beispiel beim Wechseln der Fliege.“

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Eine von vielen, sehr vielen Fliegenboxen

Vom ersten Moment beeindruckt

Nach dem ersten Kontakt treffen wir uns endlich persönlich. „Kaffee, Elmar? Ich hoffe, das Du ist ok.“ „Aber sicher, wir sind doch Fliegenfischer.“ Wir schwimmen sofort auf einer Wellenlänge. Walter erzählt mir detailliert von seiner Krankheit. Davon, wie Parkinson sein Leben verändert hat. Ich kannte von meiner Tante nur das Zittern der Hand. Das war für mich Parkinson. Eine andere Form „sitzt“ in Walter. Sie beeinträchtigt den ganzen Körper und bisher bewegen sich nur der kleine und ganz leicht der Ringfinger. „Morgens muss ich erst mal meine Muskeln wieder lockern. Auch Umdrehen im Bett ist Schwerstarbeit“, informiert mich Walter. Dazu kommt eine gebückte Haltung. Sein Tagesablauf ist von Langsamkeit geprägt. „Die Zeit rennt einem davon und am Abend frage ich mich: Was habe ich heute eigentlich geschafft?“
Nach dem Kaffee führt mich der Vollblutmusiker in seine „heiligen vier Wände“. Tonstudio und Angelzimmer in einem. Sofort schnappt sich Walter eine Gitarre und legt los. „Ich kann meinen Arm nicht lange im klassischen Gitarrengriff halten“, erklärt er mir. Aber Walter wäre nicht Walter, wenn er sich davon stoppen lassen würde. Mit Hilfe eines Kapodasters bringt er die Greifhand näher an den Körper und kann dadurch entspannter spielen. Da der kleine Finger nicht mehr so will, wie er soll, schrieb Walter seine Stücke um und passte sie seinen „Greifmöglichkeiten“ an.
Dann geht die große Fliegenfischershow los. Walter öffnet die Türen seiner Schränke. Perfekt sortierte Fliegendosen, unzählige Schnüre, Taschen voller Rollen und eine beeindruckende Rutenauswahl. „Ich fische nur noch Danielsson-Rollen und verlor mein Herz an Winston-Ruten“, verrät mir Walter. Ich bin beeindruckt! Wo seine Schätze zum Einsatz kommen, zeigt er mir mit einem kleinen Einblick in sein umfangreiches Bildarchiv. „Bosnien ist traumhaft zum Fischen. Nette Meschen und wunderbare Gewässer. Aber auch Montana ist klasse. Hier, ein paar Impressionen.“ Nach den Bildern weiß ich: Bosnien steht ab jetzt ganz weit oben auf meiner Reiseliste.
Zum Abschluss meines Besuches zeigt mir Walter noch ein Video vom NDR. Nach zehn Jahren gab er sein erstes und leider auch letztes Live-Konzert diesen Januar im Klinikum Bad Segeberg. Die Krankheit bremst den lebensfrohen Menschen Walter Meyer aus. Die Anstrengungen auf der Bühne sind einfach zu groß. Ich kenne den Musiker und Fliegenfischer erst seit diesem Treffen. Doch eines meine ich schnell erfasst zu haben: Parkinson steht ihm Wege, aber Walter findet immer erfolgreiche Umwege, die ihn zum Ziel führen.

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Ein Liebhaber der Danielsson-Rollen

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Erinnerungen an vergangene Fänge immer im Blick

Euer Weg zur Musik
Neugierig geworden? Die CDs von Walter Meyer erhaltet Ihr hier: Bestellung der CDs per E-Mail: walmey@kabelmail.de oder über Amazon. MP3-Downloads bei den gängigsten Musikportalen wie Spotify, Apple Music, i-Tunes und Deezer.