Testbericht Fliegenrute GRAUVELL - DH Fly Klasse 9 in 9“
Nur zu gern las ich den Aufruf sich an einem Rutentest der Fa. Grauvell zu beteiligen. Vor allem wenn es es denn noch um ein eher exotisch anmutenderes Modell einer 9er Einhand mit einer Länge vom 2,75m geht.
Solche Ruten sind doch eher selten vertreten und wirkken dem Trend, der zu immer kleineren Ruteklasssen geht, entgegen.
Da ich nicht der filigrane Leichtfsicher bin und auch noch eher einen groben Wurfstiel habe, komme ich nun einmal bestens mit solchen Gerät zu Recht.
Gedachte Einsatzbereiche waren daher kaum von mir suchen, sondern lagen eher auf der Hand.
Daher wartete ich voller Vorfreude auf das Eintreffen des Paketes, was ja bekannter Maßen für uns Hardcoreangler gleichbedeutend mit Geburt eines Kindes einer Urlaubswoche ohne Familie und einem großen Einkaufsgutschein für den Angelladen deiner Wahl gleich kommt.
Diese Stimmung wird dann weder von einem Motorplatzer, Hilferuf der Schwiegermutter, schlechten Wetter oder der gleichen getrübt.
Der Tag kam unerwartet und wenig spektakulär.
Verkündet wurde es durch meine Frau mit einer Randbemerkung und ich konnte den Feierabend kaum erwarten.
Da stand nun das dicke Papprohr.
Spät war es geworden und ich entschied lediglich eine Erstbetrachtung vorzunehmen, was mir ähnlich schwer viel, wie der Tag an dem ich mein erstes Moped vor der Tür stehen hatte und noch kein Benzin im Tank.....
Erster Eindruck wow, die ist ja richtig edel und vor allem leicht.
Auf die Waage damit und siehe da knapp 140gr.
Fujiberingung und Rollenhalter an diesem robusten Arbeitstier machen sich vor allem auch positiv Gewichtsmäßig bemerkbar.
Das Rutentransportrohr wird seinem Schutzauftrag mit Sicherheit gerecht und so überlebt mit Sicherheit auch die Rute dem zusätzlichen Gummipufer, für den Bodenteil sei dank, den Transport eines schonungslosen südeuropäischen Airline, womit ich ausreichend Erfahrung habe.
Aber so weit weg soll es dieses Mal gar nicht gehen.
Erstes Ziel ist ein norddeutscher Tidenfluss an dem die Rute mit Hilfe einer WF8F zeigen soll, was in ihr steckt.
Ich halte nicht viel davon solche Ruten bei günstigen Bedingungen auf einer Wiese Probe zu werfen, um dann festzustellen, dass es sich am Wasser ganz anders verhält.
Schön enge Schlaufen lassen sich damit werfen und nach und nach verlassen immer mehr Meter der Schnur die Rolle, gleiten durch die Ringe und müssen durch einen kräftigen Doppelzug in der Luft gehalten werden, weil die Rute bei diesem Gewicht kaum Mitarbeitet leistet.
Ziemlich unbeeindruckt zeigen sich die unteren zwei Drittel der Rute und lediglich im ersten Drittel verspürt man so etwas wie einen Arbeitspunkt beim Aufladen oder Entladen beim Werfen.
Ohne Doppelzug läßt sich eine WF8F lediglich sauber im Nahbereich auf das Wasser führen.
Ja schnell ist sie. Aber das macht den Balanceakt nicht gerade einfacher. Mit sehr wenig Gefühl für die Rückmeldung muss man bei dieser Schnurklasse eben leben.
Das gleiche Ergebnis bei einer DT9F.
Kaum beeindruckt zeigt sich die Rute anlässlich einer beeindruckenden Länge von Schnur in der Luft.
Aber sauber Werfen läßt sich auch diese Schnur mit einem kräftigen Doppelzug zur Unterstützung, was sofort den Wunsch für einen Windtest aufkommen läßt.
Und der Wind ist in diesem Frühsommer und im übrigen auch in meiner Wohngegend eher ein häufiger Gast.
Ja, da ist das Potential bereits erkannt.
Enge Schlaufen bei hohen Schnurklassen lassen die Furcht vor einer windigen Saison an der Küste schwinden.
Aber das war bisher nur das hausgemachte Standardprogramm.
Wie hieß es in der Bitte der Fa. Grauvell.
Auf Herz und Nieren stand dort.
Der Wind zerrte, der Regen prasselte unaufhörlich und ich mitten in einer bisher unglaublichen Aufstiegssaison von Salmoniden in unseren Flüssen der Stör und Bramau.
Schnell wechselnde Wasserstände und immer die Suche nach einer optimalen Situation bestimmen die Situationen zum Feierabend oder frei gekratzten Tag um Hoffen und Bangen.
Da möchte man sich nicht noch Gedanken darum machen, das optimale Gerät zur Verfügung zu haben.
Schwierige Situationen erforden Improvisationsgabe und ne Portion Können, sonst sollte man an diesen Tagen eher zu Hause bleiben und im Angel TV Auwa und seine Freunde begutachten.
Eben solche Tage, an denen selbst die Zweihandspezis sich genau überlegen wo man noch werfen kann, hatte ich vor mir.
Dunkles gestiegenes Wasser und ein harrscher Wind erschwerten den Gang ans Wasser.
Wo Wind nicht nur zu einem mentalen Problem wird, sollte diese Testrute zeigen, ob wir beide einmal zusammen so etwas durchstehen können, oder ob es doch die Spinrute wird.
Eine WF8F und davor ein 5gr Zweihandsinktip sollten den großen Streamer auf Tiefe bringen.
Was für eine Vergewaltigung dieses technisch so ansprechenden Sportes und seines Gerätes.
Puristen hören bitte weg. Denn wer fängt hat Recht und am Ende ist es egal wie.
Kein schönes werfen, aber siehe da es geht.
Die Reserven der Rute ermöglichen sowohl den Transport, wie auch einen guten Sicherheitsabstand zwischen dem beeindruckenden Streamer der Hakengröße 2 und meinem Körper herzustellen.
Denn so eine Montage benötigt mindestens einen Rückschwung, um sie wieder in Position zu bringen.
Gern wäre ein wenig mehr Länge gewünscht, wenn man die Schnur ausgefischt flussab aus dem Wasser nimmt, um sie erneut am anderen Ufer zu platzieren.
Aber das ist eben eine besondere Situation und mit dem Ergebnis läßt sich leben.
Wenn es auch harte Arbeit ist und nicht ohne Risiko bei falschen Timing einen wahrlichharten Einschlag zu verspüren, der durch die 5gr Bleiseele noch verstärkt werde würde.
Aber Rute und mein Respekt vor diesem Schadensereignis verhindern das Schlimmste.
Wieder kein Fisch aber Glücklich über das gelungene Experiment verlasse ich für heute das Wasser.
Der nächste Tag läßt mich bei weniger Wind und zurück gekehrter Sonne hoffen.
Nachdem ich einen Fisch ausmachen kann, der hin und wieder an der Oberfläche von sich etwas zeigt, wechsel ich den Sinktip gegen ein langsam sinkendes Vorfach und einen großen Reizstreamer.
Nach einigen Würfen steigt ein guter Fisch ein und läßt mich zum ersten Mal spüren, wie schnell die Schnurreserve durch die Hand gleitet, wenn man es nicht erwartet.
Der Biss erfolgt in einer Ruhephase während ich mit der Schnur im hohen Gras kämpfe.
Nach kurzem aber heftigen Drill hat die Rute zum ersten Mal bei mir Fisch gesehen.
Dieser 75er Hecht war aber für das Gerät kein ernstzunehmer Gegner.
Aber es war damit auch mein erster Hecht überhaut an der Fliegenrute.
Der nächste Test sollten nach diesem tollen Erfolg vom Belly Boot erfolgen.
Auf das Belly nehme ich normalerweise gerne an meinen Hausgewässern einen Hechstreamer und ne harte Rute zwischen 7-8 mit.
Dazu je nach Situation einen Schußkopf schwimmend oder auch sinkend.
Nur wenig fische ich mit der Vollschnur.
Da hier wirklich schwere und vor allem auch große Streamer von mehreren Gramm transportiert werden müssen, ist es grundsätzlich ratsam eine stark im vorderen Teil verdickte Flugschnur zu nehmen oder halt einen Kopf der durch ein entsprechnendes Vorfach besonders kopflastig ist.
Ich wählte ne Kombination Schußkopf schwimmend 21gr, Vorfach leicht sinkend und Vorfachspitze Hardmono.
Daran befestigt ein großer Streamer mit Epoxy Kopf.
Nach kurzer Warmwurfphase konnte ich damit gute Weiten erzielen und ging dabei nicht in Gefahr Probleme mit dem Streamer zu bekommen.
Das Belly bietet natürlich den Vorteil sich den Wind zum Vorteil zu machen. Aber auch schwierige Windsituationen ließen mich immer noch respektabel werfen.
Auch hier kein schönes Werfen, aber darum geht es ja auch gar nicht.
Der zwischenzeitliche Wechsel auf eine Schnur mit Shortbelly brachte eine Verschlechterung. Eine Hecht oder Barschschnur in dieser Klasse stand mir nicht zur Verfügung.
Ich beendete den Gesamttest mit einem zufriedenen Lächeln.
So ist Testen und vor allem Angeln. Es ist nie langweilig und man findet immer ein neues Feld auf dem sich experimentieren läßt.
Fazit:
Die Grauvell 9 in 9” ist gut verarbeitet, eine schnelle Rute mit einer Tendenz zur 10er Klasse. Sie erfordert mit leichten Schnüren eine Menge Arbeit durch die Zughand.
Sie ist für die Rutenklasse angenehm leicht und wird mit einem sinnvoll stabilen Transportrohr geliefert. Ihre teilweise edle Ausstattung täuscht aber über ein robustes Arbeitstier in keinster Weise hinweg.
Sie bleibt speziellen Anwendungen und eher versierten Werfern vorbehalten, die ihr Potential ausnutzen können.
Ihr Einsatzspektrum ermöglicht das schwere Fischen auf Wandersalmoniden, Hecht, Zander und auch Barsch. Besonders auch tief stehende Fische können durch das gute Rückgrat der Rute über eine tief sinkende Schnur sicher angefischt werden.
Sie ermöglicht ferner den schweren Einsatz vom Belly Boot, wofür sie eine gute Länge besitzt.
Selbst ein Schleppen von Streamern ist mit mir mühelos möglich.
Wer diese Rute einsetzt, brauch auch vor den größten Räubern keine Angst haben.
Ich kann diese Rute für den oberen Einsatzbereich und Werferkreis uneingeschränkt empfehlen.
Andreas Wetzer