An einem kalten Januarmorgen habe ich bei Horst Hennings angerufen. Der 37fache Deutsche Meister und Vizeweltmeister im Brandungsangeln ist seit über 50 Jahren in der Szene aktiv und hat beim Angeln wirklich schon alles esrlebt. Ich will mich mit dem alten Hasen über aktuelle Entwicklungen in der Branche sprechen. Das Gespräch habe ich aufgezeichnet.

INTERVIEW MIT HORST HENNINGS

Georg: Hallo Horst. Schön, dass ich Dich erwische. Wie geht’s Dir?

Horst: Sehr gut. Ich überlege, heute Nachmittag angeln zu gehen. So eine tolle Saison vom Ufer aus habe ich noch nicht erlebt. Soviel Dorsche hatten wir lange nicht. Fast alle maßig, mein größter war 63 Zentimeter. Kein Anglerlatein: Letzte Woche waren wir zu zweit am Wasser und hatten in einer Stunde 14 Dorsche. Da war das Bag Limit erreicht und wir konnten wieder nach Hause fahren.

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Horst ist in der ganzen Welt zum Angeln unterwegs. Diesen Dickdorsch fing er vor Island

Da sind wir gleich schon bei einem ziemlich heißen Thema. Was hältst Du vom Bag Limit?


Ich wohne ja direkt am Meer und kann daher häufig auf Dorsche angeln. Ich bin ganz ehrlich: Mir ist es vorher nicht in den Sinn gekommen, maßige Dorsche zurückzusetzen oder aufzuhören, wenn’s gut beißt. Da hat die Beschränkung bei mir schon ein Umdenken bewirkt. Für die Kutter ist das aber eine Katastrophe. Die gehen ja alle pleite. Viele Angler reisen nicht mehr an die Küste, weil sie Angst haben, die Kiste nicht voll zu kriegen. Dabei ist das völliger Quatsch. Ich habe ja schon bei sehr vielen Touren die Fangauswertung gemacht. Ungelogen: Bei 40 Anglern an Bord habe ich es noch nie, wirklich nie erlebt, dass 200 Dorsche gefangen wurden. Klar hat mal der eine zehn und der andere vielleicht auch mal gar keinen. Aber das Gesamtlimit wird nicht erreicht. Ich glaube, da spielt die Psychologie eine wichtige Rolle. Fakt ist: Mit der Angel werden wir den Bestand nicht dezimieren.

Wir waren schon häufiger zusammen angeln. Ich habe noch nie einen so verrückten und passionierten Angler wie Dich erlebt. Woher kommt diese Leidenschaft?

Keine Ahnung. Ich werde bald 73 und träume immer noch nachts vom Angeln. Meine Frau sagt, dass ich nen Dachschaden habe und angelsüchtig bin. Wahrscheinlich hat sie Recht. Die Sehnsucht nach dem Wasser war jedenfalls schon immer da. Als ich bei uns in der Husumer Au schwimmen gelernt habe, hab ich versucht, Fische zu fangen. Mit meinem Bruder habe ich das Handtuch als Netz missbraucht. Später war ich vor den Vereinsangeln so hibbelig und nervös, dass mir meine Frau ein Beruhigungsmitteln in den Kaffee getan hat. Das steckt einfach in mir.

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Da war die Erleichterung groß. Alle im Boot hatten schon gefangen, als Horst endlich auch zuschlug. Natürlich gleich einen Trümmer deutlich über 1,10 Meter und den Tagesgrößten ... Drunter macht er's dann halt auch nicht :laugh2

Die Begeisterung merkt man Dir auf jeden Fall an. Nicht umsonst bist Du schon lange Teamangler bei Daiwa-Cormoran, machst beim NDR die Angelsendung „Rute raus, der Spaß beginnt“ und bist auch sonst sehr gefragt. Hand auf Herz: Wie oft bist Du in Sachen angeln unterwegs?

Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag fahren. Auf jeden Fall bin ich mehrfach in der Woche unterwegs. Wenn Du etwas bekannter bist, hast Du halt auch viele Anfragen für Hausmessen, Pressetermine und so weiter. Das mache ich aber alles sehr gerne. Ich lebe fürs Angeln.

Gibt es keine Schattenseiten?

Na ja, was ich nicht ganz so mag, ist Personenkult. Manchmal fragen mich die Leute nach einem Autogramm. Wenn’s unbedingt sein muss, mache ich das zwar, aber es ist mir unangenehm. Ich bin doch genauso ein Angler wie alle anderen auch. Ich kann ja auch nicht zaubern, sondern ich gehe einfach sehr gerne angeln.

Und die Familie? Leidet die nicht unter Deinem Hobby?

Ich bin über 50 Jahre verheiratet. Mit meiner Frau habe ich ein Riesenglück. Sobald ich mal zwei, drei Tage zu Hause hocke, schickt sie mich ans Wasser, weil ich mürrisch werde. Und wenn ich mal früh los muss, stehen auch um 3 Uhr morgens für mich schon die Thermoskanne und geschmierte Brote bereit. Für dieses Verständnis und die Toleranz bin ich sehr, sehr dankbar. Aber meine Tochter hat schon darunter gelitten. Als wir wegen meines Berufs von der Nord- an die Ostsee ziehen mussten, sind wir jedes Wochenende in die alte Heimat gefahren, weil ich die Jungs vom Angelverein nicht hängen lassen wollte. Das fand die nicht immer toll.

Du hast ja in der Angelbranche schon alles gesehen. Gibt es Entwicklungen, die Dir nicht gefallen?

Ich merke schon einen Unterschied, ob jemand aus Spaß angelt oder davon leben muss. Offiziell sind zwar alle gut befreundet, aber hinter den Kulissen herrscht dann doch oft etwas Neid und Missgunst. Da steht der Kommerz im Vordergrund. Das finde ich ein bisschen schade. Ich kann’s aber auch verstehen, alle kämpfen ums Überleben. Was mir auch nicht gefällt, ist das Sterben der Angelläden. Wegen der Konkurrenz im Internet müssen immer mehr Händler dicht machen. Die geben sich Mühe, dekorieren ihr Geschäft, laden vielleicht noch Teamangler ein und letztlich kaufen die Leute doch woanders, weil’s da dann zwei Euro weniger kostet. Ich habe selbst ein Ehepaar erlebt, das eine Wathose für den Sohn suchte. Die haben sich im Laden verschiedene Modelle zeigen und beraten lassen. Verabschiedet hat sich der Mann dann mit den Worten: „Danke, jetzt weiß ich, was ich bestellen muss.“ Da geht mir das Messer in der Hose auf!

Wir haben’s ja schon kurz angesprochen. Seit sieben Jahren bist Du in der Angelsendung „Rute raus, der Spaß beginnt“ an der Seite von Heinz Galling zu sehen. Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe in Schwerin beim Angelladen eine Hausmesse gemacht. Da schlug Heinz mit Kamerateam auf, um für den NDR irgendwas zu drehen. Wir haben gequatscht und schon damals sagte er, dass wir mal was zusammen machen wollen. Dann war lange Ruhe, bis er irgendwann für eine Sendung Hilfe fürs Meerforellenangeln brauchte. Das war noch nicht für Rute raus, der Spaß beginnt. Auf Anhieb stimmte die Chemie. So hat sich das entwickelt. Als dann die Serie entstand, hat er mich gefragt, ob ich nicht ständig dabei sein möchte. Logo hab ich ja gesagt!

Habt Ihr dabei wirklich soviel Spaß und ist Heinz wirklich so ein Chaot, wie’s in der Sendung rüberkommt?

Absolut! Da ist nichts gestellt. Wir haben kein Drehbuch. Das ergibt sich alles aus der Situation. Ich bin selbst manchmal überrascht, wenn ich das fertige Produkt sehe. Oft habe ich das Gefühl, dass das, was wir gedreht haben, nicht für einen Film reicht. Aber es reicht dann doch und Heinz sagt oft, dass es eigentlich sogar für ne zweite Sendung gereicht hätte.

Erstaunlich oft wirkt es so, als ob Heinz mehr fängt als Du. Was ist da los?

Was Hecht- und Raubfischangeln anbelangt, hat Heinz echt ein glückliches Händchen. Heinz angelt ehrlich gesagt aber auch oft am Thema vorbei. Wenn wir auf Karpfen aus sind, bereite ich mich darauf vor und fische auch nur auf Karpfen. Heinz schnappt sich die Spinnrute und fängt nen Hecht oder Barsch. Und vielleicht achtet er im Schnitt auch ein bisschen darauf, dass er nicht zu schlecht weg kommt (Horst lacht). Ein Beispiel: Wir waren mit dem Bellyboot unterwegs. Ich saß noch nie in so einem Ding und hab den ersten Tag mit der Technik gekämpft. Heinz ist vorweg gepaddelt und hat lustig einen Fisch nach dem anderen gefangen. Am zweiten Tag fing ich dann besser, aber das kam dann in der Sendung gar nicht mehr vor!


Viele junge Leute träumen davon, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Kannst Du ihnen einen Rat geben?

Ja. Sie sollen weiter träumen und ihr Hobby lieben. Aber zum Geld verdienen sollen sie sich was anderes suchen. Vom Angeln allein kann in Deutschland keiner leben. Und selbst wenn man als Guide arbeitet, Artikel schreibt und vielleicht noch Teamangler ist, wird’s sehr, sehr schwer. Der Branche geht’s insgesamt nicht so rosig, da zahlt kaum jemand was. Der Kuchen wird nicht größer, der wird heute nur unter mehr Leuten aufgeteilt.

Hast Du noch einen anglerischen Traum?

Heinz glaubt ja, dass ich ihn selbst noch mit dem Rollator begleiten werde und macht schon eifrig Zukunftspläne. Eine Reise nach Kamtschatka zum Lachsangeln wäre wirklich toll. Da wollen wir dann Lachse angeln. Mal schauen, ob’s klappt.



Du bist schon extrem viel rumgekommen. Welche Angelreise würdest Du sofort wieder machen?

Letztes Jahr war ich mit Heinz auf den Färöern. Da hatte ich erst wegen des Wetters Bedenken. Aber ich bin so begeistert, da würde ich auch privat wieder hinfahren. Da ist sogar der Regen angenehmer als bei uns. Anglerisch ist es ein Traum. Da habe ich meinen ersten Lachs gefangen, Meerforellen im Meer und im Fluss geangelt. Auf dem Meer hast Du die komplette Bandbreite. Es gibt wenig Regeln und Du wirst nicht schief angeschaut, wenn Du mit Blinker oder Wurm und nicht mit der Fliege auf Forellen angelst. Norwegen ist nach wie vor toll, aber die Färöer sind noch eine Schippe obendrauf. Da will ich nochmal hin.

Die Kollegen haben mich gebeten, die Frage zu stellen: Stimmt es, dass Du Deine Würmer auf dem Friedhof buddelst?

Nicht buddeln, sondern sammeln! Das stimmt. Unter den hohen, alten Bäumen ist das Gras nicht so hoch. Da wird nicht gedüngt und die Würmer liegen dort im Gras. Kannst Du aber nur nachts machen. Die besten Bedingen hast Du im frühen Frühling, wenn es leicht regnet. Dann kannst Du Würmer für die ganze Saison sammeln.

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Horst ist leidenschaftlicher Meeresangler. Dabei feierte er seine größten Erfolge

Der Serienmeister


Horst wurde 1946 in Husum geboren. Weil er von nichts anderem mehr redete, kaufte ihm seine Mutter schließlich eine Bambusrute. Von da ab gab’s kein Halten mehr und Horst verbringt jede freie Minute am Wasser. In seinem Heimatverein startete er als Stipp- und Wettkampfangler. Nach seinem Umzug nach Kiel rückte dann das Meeresangeln immer stärker in seinen Fokus. Insgesamt 37 Mal war er Deutscher Meister, außerdem holte er die Vizeweltmeisterschaft im Brandungsangeln in Gibraltar. Seit vielen Jahren ist er Teamangler bei Daiwa-Cormoran. Einem breiten Publikum ist er aus der NDR-Kultsendung „Rute raus, der Spaß beginnt“ bekannt. Horst lebt seit seiner Pensionierung wieder an der Nordsee.
 
Eins muss ich hier los werden: Unter den ganzen "Prominenten" Anglern ist Horst Hennings derjenige, der mir am sympatischsten ist.

Und man kann ihm einfach nur zustimmen in Punkto Entwicklungen. Es ist traurig mit anzusehen, wie ein Angelladen nach dem anderen dicht macht und die Anzahl der Angelkutter sich inzwischen mehr als halbiert hat. Aber ich sehe da auch die Angelgerätehersteller in der Pflicht, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, um das Angeln in der Bevölkerung und der Politik ins rechte Licht zu rücken. Das ist nicht nur Sache der Vereine und Verbände, denn vom Angeln leben, wollen vor allem die Hersteller... Vielleicht wieder Zeit einen neuen "schlagkräftigen" Verband der Angelgerätehersteller zu gründen!
 
Sehr sympathisch. Danke für das Interview.

PS. Kann da TeeHawk nur recht geben. Aber am Nürburgring war es da selbe...anstatt das sich alle Rennfahrer und Marken zusammen tun und das Ding retten wird nur dumm rum gelabert.
 
Aber ich sehe da auch die Angelgerätehersteller in der Pflicht, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, um das Angeln in der Bevölkerung und der Politik ins rechte Licht zu rücken.
Absolut.

Als ich gestern so ne beknackte Peta App Werbung im Fernsehen gesehen habe, dachte ich mir, warum an der Stelle nicht mal vom Angel Joe, Shimano, Daiwa oder Browning ne geile Fernsehwerbung kommt.
 
Horst ist wirklich ein selten netter Mensch. Wenn ich mit dem angeln gehe, lerne ich ne Menge und habe jedes Sekunde Freude. Der ist schon ehrgeizig und nimmt das Angeln ernst, ist aber nie verbissen und kann auch über sich selber lachen. Sowas ist selten ...
 
Horst ist ein Unikat!
Er ist immer positiv eingestellt und somit ist es immer wieder eine Freude ihn zu treffen.
 
Mir gefällt in der TV Sendung mit Horst immer seine Aussage beim Fisch braten und abschmecken" der Fisch ist zu glasig und nicht durch.
 
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