AW: Vernichten Biogasanlagen Fischbestände?
Heute gibts wieder einen Zeitungsbeitrag in den Westfälischen Nachrichten
Ungenehmigte Abflüsse aus Biogasanlagen?
Abwasser lässt den Fischlaich verfaulen
Olaf Niepagenkemper vom Landesfischereiverband begutachtet die Hunnebecke in Münster. Der Bach ist voller Abwasserpilze.
Olaf Niepagenkemper vom Landesfischereiverband begutachtet die Hunnebecke in Münster. Der Bach ist voller Abwasserpilze. Foto: Stefan Werding / Olaf Niepagenkemper
Kreis Borken -
Überall im Münsterland verfaulen in – von Anglern angelegten – Laichplätzen Fischeier. Oft stehen in unmittelbarer Nähe der betroffenen Bäche Biogasanlagen. Die Angler haben einen Verdacht: Illegale Abflüsse sorgen dafür, dass sich in den Bächen nichts mehr rührt.
Von Sven Kauffelt, Stefan Werding
Wo der Angelverein ASG Ramsdorf drei naturnahe Fischlaichplätze angelegt hat, verfaulen zurzeit die Eier von Bachforellen. In einem anderen Graben ist direkt hinter einer Biogasanlage alles Leben auf 1,3 Kilometern Länge ausgelöscht. Ebenfalls in Ramsdorf sollen Silage-Säfte fünf neu angelegte Fischplätze inklusive Brut vernichtet sein. Die Angler wüssten noch mehr solcher Beispiele. Überall im Münsterland entdecken sie den Pilz, haben ihrem Landesfischerei*verband schon über 20 Bäche gemeldet, in denen sich nichts mehr rührt. Und täglich werden es mehr.
„Wasser ist ein er*erbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“
Aus der Präambel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
Die langen Zotteln des Abwasserpilzes kleben auf Steinen, an den Ufern, auf dem Boden. Wo dieser Pilz auftaucht, ist kein Platz für anderes Leben mehr. Er taucht besonders oft in der Nähe von Biogasanlagen auf. Die Angler gehen davon aus, dass Säfte aus der Silage, die dort zu Energie verarbeitet wird, ins Wasser gelangen. Ihr Vorwurf: Oft gibt es ungenehmigte Abflüsse, mit denen die „Plörre“, wie Olaf Niepagenkemper vom Fischereiverband NRW es nennt, im nächsten Graben landet. Allein im Kreis Borken soll es seit Weihnachten „zeitlich und völlig unabhängig voneinander zu mindestens 25 Nährstoffein*leitungen“ gekommen sein. Ihm sind nicht nur die Fische wichtig: Er sagt: „Uns geht es ums Wasser. Es ist unser höchstes Gut. Da müssen alle an einem Strang ziehen.“
Die Abwasserpilze sorgen dafür, dass sich in den Bächen nichts mehr rührt.
Die Abwasserpilze sorgen dafür, dass sich in den Bächen nichts mehr rührt. Foto: Olaf Niepagenkemper
Sieben Kontrolleure für 3500 Kilometer
Der Fischereiverband hat angekündigt, Anzeigen zu erstatten. Am Mittwoch hat sich der Umweltausschuss des Landtags mit dem Thema befasst. Bislang haben die Angler nach Angaben ihres Verbandes immer versucht, mit Landwirten und Behörden eine Lösung zu finden. Doch zu oft hätten ihre Hinweise nichts geändert. Ihnen ist klar: Nicht immer ist der Verursacher eindeutig zu benennen. So hat die Staatsanwaltschaft in Münster erst diese Woche zwei Verfahren eingestellt, weil nicht eindeutig zu klären war, woher der illegale Eintrag kam.
Oft fehle den Behörden das Personal. „Es gibt regelmäßige Wasserschauen“, sagt Niepagenkemper. „Warum fällt das keinem auf?“ Ein Grund könnte sein, dass etwa der Kreis Borken für die Kontrolle von 3500 Kilometern Bächen, Gräben und Flüssen nur sechs bis sieben Mitarbeiter hat. Roland Schulte vom Kreis Borken, beschreibt den Zustand der Bocholter Aa als „verbesserungswürdig und notwendig“. Er zeigte sich aber überrascht über die Menge der Hinweise auf illegale Einleitungen. Der Abwasserpilz sei „ein latentes Problem in einem sehr intensiv landwirtschaftlich geprägtem Raum“. Er schließt nicht aus, dass der ein oder andere Landwirt „in kreativer Art und Weise herumbastelt“ hat. Das könnten auch regelmäßige Kontrollen nicht verhindern.
Kreislandwirt: „Das sind Einzelfälle“
Angesichts der Hinweise des Fischereiverbandes sind Mitarbeiter des Kreises zurzeit unterwegs, um die Vorwürfe zu überprüfen. Zu den Ergebnissen konnte die Behörde am Donnerstag noch nichts sagen. Sie betrachtet die Hinweise aber als „ernstzunehmend“.
„Wir hatten im vergangenen Jahr feuchteres Erntegut. Da läuft dann auch mehr raus.“
Kreislandwirt Ludger Schulze Beiering
Kreislandwirt Ludger Schulze Beiering sagt: „Das sieht natürlich nicht schön aus.“ Auch er könne „nicht ausschließen“, dass zu den Verursachern Landwirte gehören. Er vermutet: „Wir hatten im vergangenen Jahr feuchteres Erntegut. Da läuft dann auch mehr raus.“ Es sei nicht auszuschließen, dass die Silage in ein Gewässer laufe. „Das sind aber Einzelfälle“, betont er.
Durch die Abwässer kippen Bäche um, in die Angler ungezählte Stunden investiert haben – oft mit Fördergeldern der EU. „Das ist alles verloren“, sagt Niepagenkemper. Auch Roland Schulte vom Kreis Borken versteht den Frust der Angler. „Die sind da mit Herzblut zugange und sehen plötzlich, wie durch solche Geschichten die Arbeit von ein, zwei oder drei Jahren verloren geht.“
http://www.wn.de/Muensterland/22411...agen-Abwasser-laesst-den-Fischlaich-verfaulen