Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Thomas9904

Well-Known Member
Redaktionell

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Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken
Welche Haken und Methoden helfen beim überleben?

In der Zeitschrift "Fischer und Teichwirt" erschien ein sehr interessanter Artikel, der sich mit einer Studie beschäftigte, wie leicht oder schwierig Aale (tief) geschluckte Haken wieder loswerden und ob und wie viele Aale das überleben.


Freundlicherweise haben uns die Kollegen der Redaktion "Fischer und Teichwirt" die Erlaubnis erteilt den Artikel hier bei uns im Wortlaut zu veröffentlichen und so auch Anglern zugänglich zu machen.

Wir bedanken uns recht herzlich bei den Berufsfischern aus Bayern, bei der Redaktion vom "Fischer und Teichwirt" für diesen fundierten Artikel.

Der auch für Angler wichtig ist und klare Leitlinien gibt, welche Haken Angler verwenden sollten, um den Aalen eine möglichst hohe Überlebenschance bei geschlucktem Haken zu geben (möglichst nicht zu groß und widerhakenlos).
Rechtzeitig anschlagen, um Aale nicht schlucken zu lassen und normal zurück zu setzen, ist natürlich der bessere Weg.

Thomas Finkbeiner


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Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Viele Länder haben im Zuge der Umsetzung der EU-Aalverordnung auch das Angeln auf diese Art strikter reglementiert. Das führt erfahrungsgemäß zu einem Anstieg des Zurücksetzens gehakter Aale (Catch-and-release). Eine niederländische Studie beziffert den Anteil zurückgesetzter Aale mit bis zu 72 %. Da Aale (Anguilla spp.) den Haken ihrer Natur gemäß meist tief schlucken, ist die Entfernung des Hakens vor dem Zurücksetzen ein außerordentlich schwieriges Unterfangen, das seinerseits zu zusätzlichen Verletzungen führen kann. Die Methode der Wahl ist daher das Abschneiden des Hakens. Es gibt bereits Studien, in denen gezeigt wurde, dass die Überlebensrate geangelter Fische höher ist, wenn die Haken abgeschnitten als wenn sie entfernt werden. Oft wird der abgeschnittene Haken nach einiger Zeit ausgespien oder durch das Verdauungssystem zersetzt.

So regelt z.B. die Brandenburger Fischereiordnung das Zurücksetzen von geangelten Fischen wie folgt (§ 3): Untermaßige Fische oder während der Schonzeit mit der Handangel gefangene Fische sind unverzüglich schonend in das Fanggewässer zurückzusetzen. Haben die Fische den Haken tief geschluckt, ist vor dem Zurücksetzen die Schnur in Höhe der Kopfspitze zu durchtrennen. Welchen Einfluss das auf die Überlebensfähigkeit hat, ist bislang unzureichend untersucht worden.

Speziell von Aalen (A. anguilla) ist bekannt, dass sie tief geschluckte und abgeschnittene Haken wieder loswerden können. Das zeigen u.a. regelmäßig in Aal-Hälterkästen der Berufsfischerei gefundene Haken. Auch einige wissenschaftliche Studien zeigten eine höhere Überlebensrate, wenn die Haken abgeschnitten und im Aal belassen wurden.

In Norwegen wurden in einem See Aalangelversuche bei 10 – 15 °C mit # 2- und # 6 - Haken jeweils mit und ohne Widerhaken durchgeführt. Durch Verzögern des Anhiebs (1 – 5 Minuten) wurde eine hohe Rate tief geschluckter Haken erreicht. 32 dieser Aale wurden nach Abschneiden der Schnur individuell markiert und 163 Tage lang unter Kontrolle gehalten (Fütterung mit Chironomiden und Rotwürmern).

Durch regelmäßige Röntgenaufnahmen konnten Lage und Verbleib der Haken verfolgt werden. Am Fangtag saßen 9,7 % der Haken in der Speiseröhre, 16,1 % im vorderen und 29 % im hinteren Teil des Magens sowie 45,1 % im Blinddarm.

60 % der geschluckten großen Haken „wanderten“ im Körper der Aale. Bei den kleinen Haken waren es 39,7 % bei abgefeiltem Widerhaken und sogar 81,8 % bei vorhandenem Widerhaken. Nach 55 Tagen hatten die Aale 45 % der kleinen Haken mit und nach 115 Tagen 33 % der kleinen Haken ohne Widerhaken ausgeschieden (Abb. 5-1). Die meisten Haken (71,4 %) wurden in den ersten 24 Stunden der Hälterung verloren. Von den großen Haken verloren die Aale keinen einzigen.

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Die Röntgenaufnahmen ergaben keinen Hinweis darauf, dass geschluckte Haken „darmabwärts“ gewandert sind. Sie wurden offenbar ausgewürgt. Die Korrosionsrate war gering. Nur ein Haken war am Ende des Versuchs in zwei Stücke zerbrochen. Bevorzugte Stellen für Korrosion waren der abgefeilte Widerhaken und der Hakenschaft.

Wie die Sektion der verendeten Aale zeigte, waren die Verletzungen durch die geschluckten Haken nicht unbedeutend. Nach 23 Wochen waren 50 bzw. 40 % der Aale mit großen Haken (mit bzw. ohne Widerhaken) sowie 27,3 bzw. 50 % der Aale mit kleinen Haken gestorben. Bei den überlebenden Aalen waren die Hakenverletzungen kleiner, und die Hakenspitze war mit fibrösem Gewebe eingekapselt.

WELTERSBACH, M.S. et al. (2016): Hook shedding and post-release fate of deep-hooked European eel. Biological Conservation 199: 16–24.

Quellenagabe:
Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken
Quelle: Fischer und Teichwirt, 68.Jahrgang, Heft Nr. 07/17, Rubrik “Aus aller Welt”, Beitrag Nr. 5



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"Fischer und Teichwirt" ist die monatlich erscheinende Zeitschrift vom Verband der Bayerischen Berufsfischer e.V. und ist im Internet unter www.berufsfischer.de zu erreichen.

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Wir verweisen hier auch gerne auf weitere Artikel aus "Fischer und Teichwirt" bei uns:
Bayerische Berufsfischer: Wie gut verkraften Karpfen Catch and Release?

Effektive Vermittlung guter fachlicher Praxis bei "catch and release" an Angler
 

Seele

Böhser Siluro
Teammitglied
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Sehr sehr interessant, gerne mehr davon.
 

Thomas9904

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

kömmt, kömmt...

Ich finde es auch klasse, wie hier die bayerischen Verbandler der BERUFSFISCHER anglerische Themen abhandeln.

Das nötigt mir Respekt ab!
 

Ossipeter

Active Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Sind halt meistens Praktiker am Werkeln! Heft 08.2017 ist auch wieder interessant. Biber, Vergleich von Karpfenbeständen, Betäuben von Fischen, Fische und Amphibien etc.
 

PirschHirsch

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Eine ähnliche Bildreihe - allerdings ohne Röntgen - enthielt meiner Erinnerung nach auch das uralte Blinker-Sonderheft "Aal" (meines war aus den späten 80ern / frühen 90ern - habe ich leider irgendwann weggeworfen).

Da war zu sehen, wie ein Aal im Aquarium den geschluckten Haken innerhalb gewisser Zeit loswird und dann "ausscheidet".
 

Thomas9904

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Sind halt meistens Praktiker am Werkeln!

Diesen Eindruck, auch bez. der Professionalität als wir nachgefragt haben wegen Veröffentlichung, hatte ich auch..

Und dass die sich als Berufsfischer auch mit solchen Angelthemen beschäftigen finde ich klasse und vorbildlich!!

Nur zu loben!

Könnte sich mancher Sport- und Angelfischer-Verbandit ne große Scheibe abschneiden, da find ich sowas nicht in der Art....
 

Laichzeit

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Spannend, dass die kleinen Haken mit abgefeilten Widerhaken länger gebraucht haben, als die Mit.
Vielleicht ist das Gewebe mit dem Rost verwachsen und das hält besser, als ein glatter Widerhaken.
 

Thomas9904

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

und dass "rosten" eigentlich nur bei gefeilten Haken vorkommt
 
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Selbst durch die Bauchdecke/Seite scheiden sie Haken aus,hatte schon öfter welche in der Hälterung die Haken seitlich etc.ausgeschieden haben.
 

Bimmelrudi

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

und dass "rosten" eigentlich nur bei gefeilten Haken vorkommt

wobei man auch dazu sagen muss, das Haken nicht gleich Haken ist...da gibt es durchaus noch Materialunterschiede.
Im Artikel steht lediglich die Größe, das sagt aber herzlich wenig darüber aus wie schnell so ein Haken verrotten würde.

Den Test kann man ganz einfach auch daheim machen mit verschiedenen Haken, etwas Essig und bissl Zeit.
Da gibt es durchaus sehr deutliche Unterschiede. ;)
 

Thomas9904

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Naja, bei so eine Studie dann noch 100 verschiedene Hakenmarken untersuchen wollen, wär dann vielleicht doch etwas viel ;-)

Ich find das so schon spannend genug und bedanke mich daher nochmals bei den Berufsfischern für die Erlaubnis zum veröffentlichen.
 

Fischer am Inn

Active Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Hallo miteinander,

dieses Thema wurde bereits früher wissenschaftlich untersucht, und zwar nicht nur für Aale sondern allgemein.
Das Ergebnis ist, dass Fische mit ihren körpereigenen Säften den Haken mehr oder weniger gut und schnell zersetzen können.

Am besten geht es mit schnellrostenden Haken. Die werden aber nur sehr selten angeboten. Zweitbeste Lösung sind die brünierten Haken. Goldhaken u.ä. brauchen schon wesentlich länger und die salzwasserresistenten Meereshaken zersetzen sich praktisch innerhalb einer Fischlebenszeit nie und sind damit am wenigsten geeignet.
Die Aussagen gelten für alle Hakenarten, also auch für Drillinge.

Die schnellrostenden Haken werden bei uns praktisch nicht angeboten. In Großbritannien hingegen schon (ich glaube von der Fa. Partridge).

Servus
Fischer am Inn
 

Thomas9904

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Hier gings ja auch mehr ums "hakenwandern" als ums Haken rosten, das wurde nur "zusätzlich" beobachtet sozusagen.

Hast Du da Studie oder Quelle??
 

Fischer am Inn

Active Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Hallo

Hier gings ja auch mehr ums "hakenwandern" als ums Haken rosten, das wurde nur "zusätzlich" beobachtet sozusagen.

Hast Du da Studie oder Quelle??

das mit den Studien und Quellen ist ein Bisschen schwierig weil die Geschichte ja nun nicht brandneu ist sondern weit über 10 Jahre zurückliegt.

Kann mich aber gut daran erinnern, weil wir vereinsintern diskutiert haben ob brünierte Haken zwingend vorgeschrieben werden sollen (Ergebnis: nein).

Auf die Schnelle habe ich in der Zeitschrift "Fliegenfischen" , Heft Nr.5 vom August/September 2006, Seite 8 einen Artikel gefunden. Dort wird berichtet, dass japanische Wissenschaftler Saiblinge Naturköder haben schlucken lassen und dann überprüft haben (Nachweis: Röntgenfotos wie hier beim Aal).
Ergebnis: 93% der Saiblinge macht erstaunlicher Weise der tiefsitzende Haken so wenig Probleme , dass sie ein zweites mal gefangen wurden. Und einem Drittel der Fische ist es gelungen den im Magen oder Speiseröhre sitzenden Haken wieder los zu werden.

Ich kann mich auch noch an einen Artikel erinnern bei dem es um den Hecht ging. Und dabei ging es dann auch um die speziellen rostenden/schnellzersetzenden Haken, die englische Hechtspezialisten beim toten Köderfisch einsetzen. Finde den Artikel aber gerade nicht.

Servus
Fischer am Inn
 

UMueller

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

In einer uralten Fisch und Fang Ausgabe gabs mal einen Artikel über das Hakenwandern im Aal. Der Artikel hieß: Der Aal, ein Fakir ? oder ähnlich. Ist also keine ganz neue Erkenntnis das die den Haken wieder loswerden können. Selbst durch die Bauchdecke heraus soll das möglich sein. Ich selbst habe gesehen das Aale den Haken durch die Kiemenöffnung abgestoßen haben.
 

Thomas9904

Well-Known Member
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Neu nicht - aber gut, wenn sowas mit einer Studie belegt ist wie hier.
 

JottU

Fastallesverwerter
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Ja, des mit den Kiemen hat ich erst letzte Woche. Hat den 52er vorm Kochtopf gerettet. Haken war auch gar nicht so klein.
 

Heilbutt

Endlich : Die Ehe für Aale
AW: Bayerische Berufsfischer: Schicksal der Aale mit tief geschlucktem Haken

Interessanter Beitrag!#6

Vielleicht sollten wir Angler da auch mal ein paar Erfahrungen mit zusammensammeln...

Den berühmten über Nacht "ausgeschiedenen, abgeschnittenen" Haken, der morgens im Aaleimer liegt, hielt ich früher immer für Anglerlatein - bis ich es selbst erlebt hatte...!|kopfkrat

Das ist und bleibt für mich phänomenal!

Gruß

Holger
 
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