AW: Betrug bei EN393, Floater, Schwimm, Überlebensanzügen
Betrug in diesem Bereich kann auf zwei Ebenen vorliegen.
Die 1. Frage ist, was verkauft wird.
Wird nebulös ein Schwimmanzug verkauft, nur gesagt das dieser warm hält und einen gewissen Auftrieb im Wasser hat, dann unterliegt ein solches Produkt keinerlei rechtlichen Normungen, kann frei verkauft werden und es liegt deshalb auch kein Betrug im rechtlichen Sinne vor.
Es ist nur schlicht ein für unsere Bedürfnisse völlig unbrauchbares Produkt. Und darüber nicht aufzuklären, ist vielleicht nicht im rechtlichen Sinne, aber in meinen Augen die weitaus schlimmere Form von Betrug.
Wird jedoch eine irgendwie geartete Überlebenshilfe behauptet oder auch nur zwischen den Zeilen suggeriert, dann fällt dieses Produkt unter den Bereich der "persönlichen Schutzausrüstung", und muß die Bedingungen erfüllen, die in der 8.GPSGV (Wortmonstrum: 8. Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen) niedergelegt sind. Wenn also jemand eine Schwimmweste oder eine Schwimmhilfe verkaufen will, dann besagt diese Richtline, daß an diesem Produkt ein CE-Kennzeichen angebracht sein muß und Voraussetzung dafür, ist ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren von einer vom Staat dafür authorisierten Einrichtung, eine Zertifizierung also.
Bei einem Schwimmanzug kommt es also ganz entscheidend darauf an, was der Hersteller sagt oder suggeriert was sein Produkt sei. Beschränkt er sich darauf zu sagen, daß dieser Anzug eine Schwimmhilfe ist, dann muß der Anzug eine CE-Kennzeichnung aufweisen und Konformitätsbewertungsverfahren nach EN393 durchlaufen haben. Wird dies behauptet, und ist kein CE-kennzeichen auf dem Anzug deutlich sichtbar angebracht oder es ist widerrechtlich angebracht (d.h. ohne eine Zertifizierung), dann liegt Betrug vor.
Ich habe eine deutsche Prüfstelle danach befragt und es wurde mir mitgeteilt, daß sie bei allen ihr zur Prüfung vorgelegten Anzüge eine Zertifizierung nach EN393 abgelehnt hat, und das ihres Wissens im europäischen Raum solche Zertifizierungen auch nur bei wenigen Produkten vorgenommen worden sind. Diese Aussage bestätigt den Verdacht, daß eine Zertifizierung oft nur behauptet wird und das CE-Label, wenn überhaupt angebracht, illegal angebracht ist.
Bis jetzt habe ich nur auf die Eigenschaft Schwimmhilfe verwiesen. Ein Anzug, der nur eine Schwimmhilfe ist, und das ist in den ganzen Diskussionen der letzten Wochen hier im Forum deutlich geworden, hilft uns beim Überleben im kalten Wasser auch nicht viel mehr als eine Schwimmweste mit 50N Auftrieb.
Wie bereits oben gesagt, liegt hier der eigentliche Betrug vor, der aber nicht immer im rechtlichen Sinne ein Betrug sein muß, nämlich daß die Hersteller solcher Schwimmhilfen in Form eines Schwimmanzuges nicht klar und deutlich darauf hinweisen, daß eine solche Schwimmhilfe eben zum Überleben mehr oder weniger nicht viel nützt (in dem Kontext wo wir die Schwimmanzüge verwenden, nämlich in der kalten Nord- oder Ostsee).
Gibt der Hersteller nun Anlaß zu vermuten, daß sein Schwimmanzug mehr als eine einfache Schwimmhilfe sein will und gegen Unterkühlung hilft, dann genügt eine Zertifizierung nach EN393 nicht, sondern es ist eine Zertifizierung nach ISO 15027-1 rechtlich zwingend erforderlich.
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Obwohl meines Wissens dieser Anzug nur nach EN393 zertifiziert ist, wird hier über den Begriff "Survival" Anzug suggeriert, das er mehr als eine Schwimmhilfe sein will. Da dies ja mit Überlebensanzug übersetzt werden muß, liegen meiner Meinung nach die rechtlichen Bedingungen vor, daß dieser Anzug zwingend nach ISO 15027-1 zertifiziert sein muß, wenn nicht eine illegale "Inverkehrbringung" vorliegen soll.
Ein Wort noch zu der Rolle der Händler, die solche Anzüge vertreiben. Es ist gesetzlich geregelt (Geräte und Produktsicherheitsgesetz, GPSG), daß der Händler in einer Mitverantwortung steht und sich nicht so ohne weiteres mit Hinweis auf den Hersteller aus der Verantwortung stehlen kann. Wenn er seiner Sorgfaltspflicht nicht nachkommt (ein Wissen über die rechtlichen Vorschriften wird bei einem sogenannten Vollkaufmann juristisch immer vorausgesetzt) und z.B. eine Schwimmweste ohne ein CE-Label vertreibt, dann kann auch er mit empfindlichen Strafen belegt werden.
Es ist sicherlich notwendig gegen gefälschte Zertifikate vorzugehen. Aber das reicht nicht, denn nach EN393 zertifizierte Anzüge sind solange nicht illegal, wie sie keine darüberhinausgehende Eigenschaften behaupten. Notwendig wäre eine juristische Normung des Begriffs "Schwimmanzug" in dem Sinne, daß ein solcher Anzug rechtlich zwingend die Eigenschaften haben muß, die die ISO 15027-1 beschriebt.
Gott, ist das lang geworden.
Gruß Dieter