Bald werden die Dorschquoten für die Ostsee festgelegt. Es droht eine Verschärfung des Bag Limits. Ist das gerechtfertigt? Mit Dr. Christopher Zimmermann, Leiter des Instituts für Ostseefischerei und deutscher Vertreter im ICES, habe ich letzte Woche gesprochen. Das Interview wurde per Email und Telefon geführt.

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Dr. Christopher Zimmermann ist Leiter des Thünen Instituts für Ostseefischerei und beschäftigt sich seit Jahren mit der Bestandentwicklung des Dorsches (Bild: Thünen/Daniel Stepputtis)


Georg (GB): Hand aufs Herz: Wie geht’s dem Ostseedorsch? Können wir in ein paar Jahren noch guten Gewissens auf Dorsche angeln?

Christopher Zimmermann (CZ): So pauschal lässt sich das nicht beantworten. Es gibt in der Ostsee nämlich zwei Dorschbestände, den westlichen und den östlichen. Dem östlichen geht es nach den aktuellen Erkenntnissen wirklich miserabel. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat empfohlen, ihn im nächsten Jahr nicht mehr zu nutzen, also die Fischerei komplett zu schließen. Nach den Vorhersagen spielen allerdings die Umweltbedingungen die wesentliche Rolle, und wenn die sich nicht verbessern, wird sich der Bestand auch ohne Fischerei in den nächsten Jahren nicht erholen. Es wird also darum gehen, dem Bestand keinen weiteren Schaden zuzufügen und dennoch möglichst viel Fischerei auf andere Arten zuzulassen - denn auch in den anderen Fischereien gibt es gelegentlich Beifänge von Ostdorsch. Fische aus diesem Bestand kann man also eigentlich nicht mehr guten Gewissens entnehmen.

Dem westlichen Dorsch, wesentliches Ziel der deutschen Angelfischerei von der Ostseeküste, geht es deutlich besser. Der Bestand war 2015/16 hauptsächlich aufgrund jahrelanger Überfischung kollabiert, was zu einer drastischen Quotensenkung für die Berufsfischerei und zu einer Beteiligung der Freizeitfischerei an der Erholung führte (Bag Limit). 2016 produzierte der Bestand einen starken Jahrgang, der dann zu der schnellen positiven Entwicklung führte. Das war einfach Glück, die gesenkte Quote konnte da noch nicht durchschlagen. Leider sind die folgenden Jahrgänge 2017 und 2018 sehr schwach ausgefallen, sodass der Bestand in den nächsten Jahren schnell wieder schrumpfen wird. Das ist für kollabierte Bestände typisch, sie zeigen oft über Jahre stark schwankende Reproduktionsraten. Hier warten wir nun auf einen stärkeren Jahrgang, bis dahin müssen die Fangmengen wieder reduziert werden. Die legalen Quoten kann man aber auch mit gutem Gewissen ausschöpfen, denn die sind nach 2016 auf wissenschaftlicher Grundlage und entsprechend der Bestandsentwicklung festgesetzt worden.
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Ganz wichtig! Beim Ost- und Westdorsch handelt es sich um unterschiedliche Bestände. Sie vermischen sich recht wenig und laichen zu unterschiedlichen Zeiten. (Grafik: Thünen/Dr. Zimmermann)

GB: Derzeit werden Angler von der Initiative „Anglerdemo“ aufgefordert, ihren untermaßigen Fang an Ostseedorschen zu dokumentieren, um so zu zeigen, dass die Jahrgänge 2017/18 doch nicht so schwach sind. Ist das sinnvoll?

CZ: Nein, aus wissenschaftlicher Sicht ist es das nicht. Erstens zeigt der 2016er Jahrgang ein breites Spektrum an Fischlängen auf. Wenn Sie also jetzt einen 30 Zentimeter langen Dorsch fangen, kann der durchaus noch aus 2016 stammen. Zweitens bringen Punktbetrachtungen wenig. Wenn ein Angler an einem Tag mal zehn untermaßige Dorsche fängt, sagt das wissenschaftlich nichts aus. Wir müssten wissen, was er in den zehn Jahren zuvor an der gleichen Stelle, zur gleichen Zeit mit der gleichen Methode gefangen hat. So könnte man dann Tendenzen erkennen.

Nach den Daten der internationalen Forschungsreisen, die wir seit vielen Jahrzehnten immer mit den gleichen Geräten in der ganzen westlichen Ostsee zweimal im Jahr durchführen, ist die absolute Anzahl des Nachwuchses aus 2017 und 2018 sehr gering. Die Unsicherheiten der Bestimmung der Jahrgangsstärke sind am Anfang immer groß, aber alle Indikatoren zeigen einheitlich, dass beide Jahrgänge sehr schwach sind. Dies bedeutet, dass der Bestand ab nächstem Jahr wieder schnell abnimmt, nicht dass er jetzt klein wäre, und hier sollte das Fischereimanagement gegensteuern.

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Die Fischgröße sagt nur begrenzt etwas über das Alter der Dorsche aus. Klar aber ist, dass große Fische deutlich produktiver sind, wie ein Vergleich der Eierstöcke (Gonaden) im unteren Bild zeigt (Bild Thünen/Martina Bleil)

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Der Vergleich zeigt: Die Entwicklung der Gonaden verläuft exponential zu Größe der Dorsche (Bild Thünen/Martina Bleil)

GB: Heißt das, dass Sie eine Reduzierung des Bag Limits für Angler befürworten?


CZ: Nein, aus unserer Sicht kann das Bag Limit für Angler bei den sieben Dorschen pro Tag bleiben. Wir haben schon letztes Jahr empfohlen, dass die Anglerquote an die der Berufsfischer gekoppelt wird. Das ist nicht geschehen, das Bag Limit ist weniger erhöht worden als die Quote. Vor dem Hintergrund finden wir, dass für Angler keine Änderung notwendig ist. Die Fänge werden aufgrund der schwachen Jahrgänge sowieso wieder schrumpfen. Allerdings gibt es aus unserer Sicht keinen Spielraum zur Erhöhung des Limits, wie dies teilweise gefordert wird.

GB: Laut einem Bericht in der Ostseezeitung nannte Ihr Stellvertreter Dr. Krumme den Fangstopp für die Berufsfischer ein „Bauernopfer“. Was meint er damit?

CZ: Der Dorsch-Fangstopp in der Arkona- und Bornholmsee soll dazu dienen, den Ostdorschbestand nicht weiter schrumpfen zu lassen. Abgesehen davon, dass die Vorschriften des Plans technisch nicht gut gemacht sind und die Maßnahme deshalb wahrscheinlich keinerlei positive Auswirkung auf den Bestand hat, löst sie das Problem nicht: Wahrscheinlich geht es dem Ostdorsch so schlecht, weil in den tiefen Becken der Ostsee Sauerstoffmangel herrscht. Dieser wird maßgeblich verursacht durch zu hohe Nährstoffeinleitungen, vor allem aus der Landwirtschaft. „Bauernopfer“ meint also zweideutig, dass die Fischer einerseits unter der öffentlichkeitswirksamen Sofortmaßnahme leiden, obwohl die nichts bringen wird. Andererseits, dass die Fischer die Folgen der zu geringen Einschränkungen bei der Ausbringung von Dünger in der Landwirtschaft zu tragen haben.

GB: Können Sie sagen, was ein sofortiger, kompletter Fangstopp für den Dorschbestand für Auswirkungen hätte? Ließe sich damit die Masse der Laichdorsche schnell erhöhen?

CZ: Der ICES hat berechnet, dass bei einem vollständigen Fangstopp für Ostdorsch ab 1. Juli 2019 zu Beginn des Jahres 2020 ungefähr vier Prozent mehr Laicherbiomasse vorhanden wäre als wenn die Fischerei unvermindert fortgesetzt würde. Das wäre schon mal ein Anfang, aber dafür hätte es wirklich einen kompletten Fangstopp geben müssen. Die jetzige Regelung enthält soviel Ausnahmen, dass am Ende kein Dorsch weniger gefangen wird. Aber wie bereits gesagt, lässt sich die Masse der Laichdorsche bei den derzeitigen Umweltbedingungen gar nicht schnell erhöhen. Es geht nur darum, die Ostdorschfänge so weit wie möglich zu reduzieren. Dabei sollte man aber nicht auf die rund eine halbe Million Tonnen jährlichen Ertrag anderer Fische aus der östlichen Ostsee verzichten.

Beim Westdorsch würde ein kompletter Fangstopp ab 2020 wahrscheinlich zu einem schnellen Anwachsen des Bestandes führen. Denn hier ist die Ursache für den Kollaps in 2015 die jahrelange Überfischung. Eine so drastische Maßnahme erscheint dem ICES aber nicht notwendig, weil der Bestand in besserem Zustand ist als der Ostdorsch.

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Auf den internationalen Forschungsfahrten führen die Wissenschaftler Probebefischungen durch und ermitteln so die Bestandsgröße. Die Ergebnisse sind umstritten

GB: Während im letzten Jahr die Entwicklung beim Dorsch noch als „erfreulich“ bezeichnet und die Quoten angehoben wurden, kommt dieses Jahr diese Hiobsbotschaft. Können Sie nachvollziehen, dass vor diesem Hintergrund viele Angler den Aussagen der ICES und der Forschung insgesamt nicht trauen?


CZ: Auch hier müssen wir die beiden Dorschbestände unterscheiden: Die Entwicklung beim Ostdorsch ist schon seit mehreren Jahren beunruhigend und die Wissenschaft hat immer wieder stärkere Einschränkungen der Fangmengen empfohlen (für 2019 zum Beispiel um 59 Prozent, reduziert wurde aber nur um 15!). Der schlechte Zustand kommt also keineswegs unerwartet - überraschend ist lediglich, dass die Umweltbedingungen inzwischen einen viel größeren Einfluss auf den Bestandszustand als die Fischerei haben.

Beim Westdorsch hat der starke 2016er Jahrgang für eine sehr positive Perspektive gesorgt. Die ist ja auch fast eingetreten, der Bestand hat den grünen Bereich 2019 nur knapp verfehlt. Dass beide folgenden Jahrgänge wieder sehr schwach würden, war nicht vorhersagbar. Wir rechnen für die Vorhersagen immer mit Mittelwerten einer längeren Zeitreihe, wie das in der Wissenschaft üblich ist. Bei einem Bestand, der sich grade von einem Kollaps erholt, sind starke Schwankungen der Jahrgangsstärke nicht ungewöhnlich, sie führen dann aber auch zu starken Schwankungen der befischbaren Biomasse. Es dauert Jahre, bis die Altersstruktur wieder so ausgeglichen ist, dass sich die Biomasse stabilisiert und schlechte Jahre „wegpuffert". Fischereibiologie ist eine Wissenschaft mit großen Unsicherheiten, weil das Meer riesig und undurchsichtig ist, und die Annahmen für die Berechnung der Vorhersage fügen weitere Unsicherheiten hinzu. Dennoch sind dies die besten Erkenntnisse, die wir der Politik und den Nutzern der Ressource Fisch liefern können. An den Ergebnissen zweifeln, ohne bessere Erkenntnisse zu haben, ist daher ziemlich sinnlos und bringt den Dorsch nicht zurück in den grünen Bereich.

GB: Welche Maßnahmen wären Ihrer Ansicht nach notwendig, um den Bestand des Ostseedorsches zu sichern?

Beim Ostdorsch können wir nur auf bessere Umweltbedingungen warten und alles versuchen, um die Fänge aus diesem Bestand so niedrig wie möglich zu halten, ohne jedoch alle anderen Fischereien mit anderen Zielarten einstellen zu müssen. Dafür gibt es technische Lösungen: Netze, die über 80% der Dorschbeifänge reduzieren, aber die müssen dann auch eingesetzt werden. Eine Reduzierung der Nährstoffeinleitungen dürfte positive Effekte haben, aber nicht kurzfristig. Beim Westdorsch reicht wahrscheinlich eine Reduzierung der Quoten; die Nachwuchsproduktion könnte durch eine ausgedehnte und konsequent eingehaltene Laichschonzeit verbessert werden. Die noch vorhandenen alten Tiere könnte man schützen, indem man die Rollerfischerei auf den Steinfeldern untersagt - wir können aber noch nicht quantifizieren, welchen Einfluss diese Maßnahmen haben würden.


So werden die Quoten festgelegt


Ende des Jahres – meist auf der Oktobersitzung - bestimmen die Fischereiminister der EU-Mitgliedstaaten (Ministerrat) die Fangquoten für das folgende Jahr. Sie beschließen auch die Maßnahmen für die Freizeitfischerei (Angeln) und legen das Bag Limit für bestimmte Meeresgebiete (ICES Subdivisionen) fest. In Deutschland ist das BMEL das zuständige Ministerium. Grundlage der Ratsentscheidung sind die Empfehlungen der Kommission, der Mitgliedstaaten sowie des „International Council for the Exploration of the Sea“ (ICES). Dies ist eine internationale Organisation mit 20 Mitgliedstaaten, die die Fischbestände wissenschaftlich überwacht.

Kritik an der Methodik der wissenschaftlichen Bestandserhebungen kommt unter anderem vom Deutschen Fischereiverband. „Die Bestandsbewertungen des ICES stehen nicht in jedem Fall im Einklang mit den Beobachtungen, welche die Fischer täglich auf See machen.“, heißt es in einer Meldung des Verbands.

Ende Juli erließ die Europäische Kommission außerplanmäßig einen sofortigen Fangstopp für die Berufsfischerei für die östliche Ostsee. Zu solchen Sofortmaßnahmen hat die Kommission „in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit im Zusammenhang mit einer ernsthaften Bedrohung der Erhaltung biologischer Meeresressourcen“ das Recht. Ganz wichtig: Angler sind in diesem Fall nicht betroffen, die Sofortmaßnahme gilt bis Ende des Jahres.
 
@ Georg: Gutes Interview!
Was ich immernoch nicht verstehe ist, vor Einführung des Baglimits ist der starke 2016er Jahrgang entstanden. Nach Einführung des Baglimits folgten deutlich schwächere Jahrgänge. Für mich bedeutet das, dass der Einfluss der Angler, ob mit oder ohne das Baglimit, auf den Gesamtbestand ist also sehr gering. Dafür nimmt man aber einen nicht unerheblichen wirtschaftl. Schaden in Kauf.
 
@ Georg: Gutes Interview!
Was ich immernoch nicht verstehe ist, vor Einführung des Baglimits ist der starke 2016er Jahrgang entstanden. Nach Einführung des Baglimits folgten deutlich schwächere Jahrgänge. Für mich bedeutet das, dass der Einfluss der Angler, ob mit oder ohne das Baglimit, auf den Gesamtbestand ist also sehr gering. Dafür nimmt man aber einen nicht unerheblichen wirtschaftl. Schaden in Kauf.

In der östlichen Ostsee (für die meisten von uns anglerisch nicht so entscheidend) ist die Befischung sowohl von Anglern als auch von Berufsfischern das geringste Problem, wie Zimmermann sinngemäß im INterview auch sagt. In der westlichen Ostsee spielt die seiner Aussage nach eine größere Rolle, aber auch hier ist die anglerische Entnahme nicht das Problem. Da müssen wir einfach Glück haben, dass die Umstände so sind, dass es hoffentlich ein paar starke Jahrgänge geben wird. Und dann müssen alle Beteiligten klug genug sein, die Quoten nicht gleich wieder ans obere LImit zu setzen, sodass sich ein stabiler Bestand aufbauen kann mit einer vernünftigen Alterspyramide.
 
Ein Lamento jagt das nächste. Das Meer(chen) Ostsee ist geschunden, wie nix Gutes, aber jeder hat die tollsten Argumente, warum grad seine Gruppe lustig weiterhuren soll und darf. Lasst die Ostsee einfach mal für einen mittleren Zeitraum in Ruhe und sie und ihre Fischbestände sich erholen. Dann kann es wieder werden. Aber nur von Lippenbekenntnissen werden die Fischlein weder größer, noch wieder mehr!

Und wenn ein paar Jobs dabei draufgehen, so what!? Da schaffen die Großkonzerne das x-fache in einem viertel Jahr weg. Und da kräht auch kein Hahn länger als einen Augenblick!
 
G
Danke für das Interview.

Wie so oft, auch hier sollte man mit politischen Entscheidungen den Anregung der Wissenschaft folgen.

Auch erkenne ich durchaus eine große Übereinstimmung zwischen den mahnend Stimmen, die sich hier bereits zu dem Thema geäußert haben, und den Aussagen von C. Zimmermann .
 
Und vor nicht mal ganz 2 Jahren hieß es die Bestände erholen sich ordentlich. Es gab 2018 tatsächlich viel Jungdorsch .. ist da alles bereits abgefischt worden?
 
Nein, aus wissenschaftlicher Sicht ist es das nicht. Erstens zeigt der 2016er Jahrgang ein breites Spektrum an Fischlängen auf. Wenn Sie also jetzt einen 30 Zentimeter langen Dorsch fangen, kann der durchaus noch aus 2016 stammen. Zweitens bringen Punktbetrachtungen wenig. Wenn ein Angler an einem Tag mal zehn untermaßige Dorsche fängt, sagt das wissenschaftlich nichts aus. Wir müssten wissen, was er in den zehn Jahren zuvor an der gleichen Stelle, zur gleichen Zeit mit der gleichen Methode gefangen hat. So könnte man dann Tendenzen erkennen.

Aber um zu berechnen und als wissenschaftliche Analyse zu vermarkten dass Angler genauso viel fangen wie die Berufsfischer reichen ein paar abgegebene Fangberichte und einige Begleitfahrten auf Kuttern allemal ??
 
....ich glaube mich gut erinnern zu können, dass ein Argument für die Einführung des ersten Baglimits für uns Angler auch der sehr schlechte 2016er Jahrgang war.

Damals konnte man die 2016er nicht finden und erst als plötzlich die (Angler)-Fänge hoch gingen, hieß es, dass der 2016er Jahrgang wohl doch deutlich besser war, als es die Wissenschaftler zuvor festgestellt hatten.

Ich traue diesen Aussagen über die 2017/2018er Jahrgänge daher nicht. Ich will da aber auch keine bewusste Manipulation unterstellen, sondern einfach nur Unwissenheit. Das Meer ist groß und zu glauben, man können mit ein paar wenigen Testausfahrten belastbare Aussagen über Fischbestände machen, ist aus meiner Sicht gewagt und hat keinen Anspruch auf Richtigkeit. Insofern hoffe ich, dass die 2017/2018 Jahrgänge doch ähnlich gut ausgefallen sind wir der - eigentlich auch nicht vorhandene - 2016er Jahrgang.

Problematisch wird es, wenn die im Westteil wegfallenden Dorschquoten dann im Ostteil - von den Westfischern - aufgefüllt und weggefangen werden. Die Fischereiminister haben es schlussendlich mit Ihrer Quotenvergabe für die Berufsfischerei in der Hand - wir Angler haben, ob mit oder ohne Quote, keinen nennenswerten Einfluss auf die Entwicklungen beim Ostseedorsch.
 
@Rheinangler: Zimmermann sagt ja auch selbst, dass die Prognosen aus verschiedenen Gründen sehr schwierig sind. Aber wenn ich mich jetzt mal in die Lage desjenigen versetze, der das entscheiden müsste, würde ich lieber unsichere Prognosen als Entscheidungsgrundlage nehmen als gar keine. Die Erfahrungen der Fischer möchte ich keinesfalls in den Wind schlagen, sind aber natürlich auch Interessengeleitet.

Ob Westfischer so ohne weiteres in die östliche Ostsee fahren drüfen, um dort Quoten zu erfüllen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe es aber so verstanden, dass die Quoten für die Meeresgebiete verteilt werden und dann die Staaten diese Quoten auf die einzelnen Fischereibetriebe umlegen. Was aber schon jetzt zu beobachten ist und was in der Diskussion bislang noch gar nicht so hochgekocht ist: Viele Fischer fahren nach ERfüllung der Dorsch- und Heringsquoten verstärkt in die Boddengewässer, um dort auf die nicht quotierten Zander, Barsche und Hechte zu fischen. Kann man ihnen nicht verdenken, die müssen/wollen ja auch von was leben. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Bestände massiv unter Druck geraten. Arlinghaus leitet derzeit eine Studie zur Reproduktion der Boddenhechte. Bis die Ergebnisse vorliegen, dauert es noch recht lange, aber auch da dürfen wir gespannt sein.
 
....ich glaube mich gut erinnern zu können, dass ein Argument für die Einführung des ersten Baglimits für uns Angler auch der sehr schlechte 2016er Jahrgang war.

Ich meine es war der angeblich nicht aufgekommene 2015er Jahrgang. Der 2016er Jahrgang soll ja außergewöhnlich stark gewesen sein.
Grund für die Einführung Baglimit war aber auch das die Fangquote für Fischerei stark gesenkt werden sollte. Thünen hat dann die wohl eher geschätzten als tatsächlichen Anglerfänge genutzt und kam zu dem Ergebnis das der Dorschbestand größer sein müsste als bisher angenommen. So kam es dann wie´s kam. Quoten wurden neu berechnet, Fangquote Fischerei wieder rauf plus 900 to Minderfänge der Angler durch das Baglimit die ja den Fischern zugeschlagen wurden.
 
Das ganze erinnert mich irgendwie an einen gut sortierten Weinhandel. Starker 2016er Jahrgang. 2015 eher ne schlappe Nummer... 2019 könnte ne eher vollmundig spritzige Geschichte werden, wenn nicht...
Sind wir doch mal ehrlich: Das Ganze ist nix anderes als angeblich nachhaltige Mangelverwaltung. Die Dorschbestände sind sowohl quantitav, wie auch qualitativ derartig weit weg von einem gesunden und natürlichen Bestand, dass ich mich fast schon wundere, mit welcher Leidenschaft man um die Verteilung des fast schon flüchtigen Restbestandes kämpft...
 
Danke für das Interview.

Wie so oft, auch hier sollte man mit politischen Entscheidungen den Anregung der Wissenschaft folgen.

Würde ich so, vor allem bei den nicht exakten Wissenschaften, nicht unbedingt unterschreiben. Ich bin Ende 50. Was "die Wissenschaft" oder "Experten" seit der Zeit, in der Gott nicht mehr für alles verantwortlich gemacht wurde, mit ihren Prognosen schon an Unfug herausgehauen haben, sprengt alle Grenzen. Nichts trinken vorm und beim Sport, damit man nicht soviel schwitzt und dabei wertvolle Mineralien verliert. So mancher, der diesen wissenschaftlichen Rat der 70er konsequent beherzigt hat, ist dabei ums Leben gekommen. Klassisches Beispiel auch das Ende der Ölvorkommen. Erster Termin war 1994. Hatten die über jeden Verdacht erhabenen Wissenschaftler und die "Ikonen" vom Club of Rome genau ausgerechnet. Dann 1998. Dann der Beginn der 2000er. Dann 2020. Kompletter Unfug. Hätte ich als Schüler in den 70ern meinen politisch entsprechend gepolten Lehrern gegenüber das nahe Ende des Erdölzeitalters angezweifelt, wäre ich erlledigt gewesen. Es folgte der saure Regen und "Le Waldsterben". Geschichte. Ab den 90ern war der Golfstrom als entscheidender Klimabeeinflusser ständiges Thema. Das Ozonloch fand in jeder Nachrichtensendung Erwähnung. Bis vor gut 10 Jahren. Wehe wieder mal, man hat es gewagt die Expertenmeinung anzuzweifeln. Tatsächlich aber genau so ein kompletter Unfug. Die Messmethoden waren so unwissenschaftlich, dass es weh tut. In 10 oder 20 Jahren wird man über den aktuellen Klimahype einer auf diesem Gebiet in den Kinderschuhen steckenden Wissenschaft genau so den Kopf schütteln, wie über die nicht eingetretenen Prophezeiungen der vergangenen Jahrzehnte. Jede Wette. Auch wenn mich heute so mancher wegen meines Zweifels gerne schlachten würde.

Die Ostsee muss man analytisch, was in dem Interview ja auch erwähnt wird, in mindestens 2 verschiedenen Bereiche teilen. Den westlichen, den wir deutschen Angler fast ausschließlich befischen, und die östlichen Bereiche. Für "unseren" westlichen Teil sind die windbedingten Frischwassereinbrüche extrem entscheidend für die Fischbestände. Sah man in der Vergangenheit doch immer wieder. Die können wir leider nicht beeinflussen. Beeinflussen kann man für entsprechende Fischarten sicherlich auch die Gestaltung einiger Laichgebiete. Netzfischerei ist natürlich ein sehr großer Faktor. Die muss sich im Rahmen halten und vor allem gewährleisten, dass nicht auf jede gefangene Tonne Unmengen an Beifischisch geopfert wird. Und sie darf, sehr entscheidend, Grund und Wasserpflanzen nicht beschädigen. Ernährungsgrundlage und Versteck für Unmengen an Jungfischen und sonstigen Lebewesen.

Die Ostsee mag im Vergleich ein "Meerchen" sein, wie Andal es oben nannte. Tatsächlich hat sie aber immer noch eine beträchtliche Größe und wird im Westen von Nordsee bzw. Atlantik in nicht unerheblichem Umfang dauerhaft gespeist. Ich habe für vorübergehende und sozialverträgliche Baglimits zwischen 8 und 12 Dorschen, einem halben Dutzend Meerforellen oder sogar einer Menge von ein paar Dutzend Heringen durchaus mal ein offenes Ohr. Semiprofessionelle Fangmengen müssen nicht sein. Würden wir Angler aber in der Lage sein die Ostsee-Fischbestände zu gefährden, dürften wir kaum ein Binnengewässer befischen. 8 Km² Tegernsee, 200.000 Km² westliche Ostsee. 25.000 mal so groß, mehr Wassertiefe. Jeder darf selber rechnen.

Last but not least eine kleine und nicht wirklich neue Überlegung, die sicher sehr umstritten ist. Mein Dutzend Küchendorsche, die ich der Ostsee in den letzten Jahren durchschnittlich entnommen habe, haben aufgehört andere Fische zu fressen. Was ich in deren Bäuchen so entdeckt habe, war nicht unbeträchtlich. Die von ihnen nicht gefressenen Futterfische können nun heranwachsen. Fressen ihrerseits aber natürlich auch wieder Fische. Habe ich nun dem Fischbestand geschadet, genutzt, oder wiegt sich das auf? Ich würde mich nicht trauen die Frage zu beantworten.

Dürfen wir in der Ostsee nicht mehr fischen, fliegen Massen von Anglern dorthin, wo sie es dürfen. Ein Bärendienst für die Umwelt, ein heftiger Schlag für den innerdeutschen Tourismus, eine Nullnummer für die Ostsee. Nichts als blinder Aktionismus.
 
G
Würde ich so, vor allem bei den nicht exakten Wissenschaften, nicht unbedingt unterschreiben. Ich bin Ende 50. Was "die Wissenschaft" oder "Experten" seit der Zeit, in der Gott nicht mehr für alles verantwortlich gemacht wurde, mit ihren Prognosen schon an Unfug herausgehauen haben, sprengt alle Grenzen. Nichts trinken vorm und beim Sport, damit man nicht soviel schwitzt und dabei wertvolle Mineralien verliert. So mancher, der diesen wissenschaftlichen Rat der 70er konsequent beherzigt hat, ist dabei ums Leben gekommen. Klassisches Beispiel auch das Ende der Ölvorkommen. Erster Termin war 1994.

Das durch neue Technologien Ölvorkommen in bis dahin unerreichbarer Tiefe erschlossen wurden, mit den heute bereits mehrfach eingetretenen Risiken ist dir bekannt? Forschung unterliegt Veränderung wie alles im Leben.

Warum? Unwissenheit ist nicht verboten

Die Ostsee muss man analytisch, was in dem Interview ja auch erwähnt wird, in mindestens 2 verschiedenen Bereiche teilen. Den westlichen, den wir deutschen Angler fast ausschließlich befischen, und die östlichen Bereiche. Für "unseren" westlichen Teil sind die windbedingten Frischwassereinbrüche extrem entscheidend für die Fischbestände. Sah man in der Vergangenheit doch immer wieder. Die können wir leider nicht beeinflussen. Beeinflussen kann man für entsprechende Fischarten sicherlich auch die Gestaltung einiger Laichgebiete. Netzfischerei ist natürlich ein sehr großer Faktor. Die muss sich im Rahmen halten und vor allem gewährleisten, dass nicht auf jede gefangene Tonne Unmengen an Beifischisch geopfert wird. Und sie darf, sehr entscheidend, Grund und Wasserpflanzen nicht beschädigen. Ernährungsgrundlage und Versteck für Unmengen an Jungfischen und sonstigen Lebewesen.

Analytisch? Diejenigen, die analytisch daran gehen, hast du gerade abgekanzelt. Welche Basis für deine Analyse darf es sein? Morgenurin? Kaffesatz?

Gestaltung von Laichgebieten, ein interessanter Ansatz, also wie reduzierst du die Temperatur und erhöhst du den Sauerstoffgehalt?

Auch wenn mich heute so mancher wegen meines Zweifels gerne schlachten würde.

Wonach vergleichst du denn die Gewässer? Größe des Wasserkörpers? Größe der Oberfläche? Nährstoffgehalt? Produktivität?

Man kann Gewässer nicht einfach 1:1 vergleichen und solche Gewässer wie die Ostsee mit einem Voralpensee, das bringt doch nichts.

Nur um Angler davon abzuhalten, nicht woanders hin zu fliegen, halte ich mit Verlaub für eine weitere Dummheit.

Wir müssen irgendwann begreifen, das unsere Umwelt nicht beliebig reproduzierbar ist. Also, was wir kaputt machen ist verloren und daher hat es einen unschätzbaren Wert, da wir wie du selbst feststellst, nicht wirklich einschätzen können, wie sich unserer Eingriff auswirkt.

Für mich wäre eine Aussetzung des Fanges, oder auch ein Baglimit von 2 oder 3 Stück ein Weg in die richtige Richtung, ich werde mich persönlich sehr zurückhalten und statt dessen lieber die ein oder andere Platte mit zu mir einladen.
 
Was "die Wissenschaft" oder "Experten" seit der Zeit, in der Gott nicht mehr für alles verantwortlich gemacht wurde, mit ihren Prognosen schon an Unfug herausgehauen haben, sprengt alle Grenzen.

Jupp, "Wissenschaftler haben herausgefunden"... und nach ihrer Raucherpause gingen sie wieder rein :roflmao

Dieses Jahr Erhöhung der Quote um 70%, nächstes Jahr Reduzierung um 68%, dabei geht es mir nicht mal um die Ungleichbehandlung zwischen kommerzieller Fischerei und Hobbyanglern, aber bei diesem Hickhack muss man doch die Methode hinterfragen und nicht, wie unsere Kanzlerin bei der Atomkraft, in blinden Aktionismus ausbrechen.
Schützt unsere Ressourcen aber macht es mit Weitblick, der 3. WK kommt früh genug! (Ist n Scherz und keine Verschwörungstheorie, also locker durch die Hose atmen ;-) )
 
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