Dorsch in der Ostsee: Fehlende Reproduktion ist besorgniserregend

Folgende Pressemitteilung des DAFV erhielt die AB-Redaktion:


Pressemitteilung

Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Angelfischerverbandes e.V., Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Landessportfischerverband Schleswig-Holstein e.V. und dem Deutschen Meeresanglerverband e.V.

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Berlin, 04.06.2019. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat am 29. Mai 2019 seine Fangempfehlungen für den westlichen und den östlichen Dorschbestand in der Ostsee für das Jahr 2020 veröffentlicht. In seinem Bericht stellt das Gremium fest, dass sich die kurzzeitige, positive Entwicklung der Dorschpopulation im westlichen Ostseeraum voraussichtlich nicht fortsetzen wird. Die leichte Erholung des Bestands in den Jahren 2018/2019 beruhte auf dem starken Nachwuchsjahrgang aus dem Jahr 2016. Allerdings wurde im aktuellen Report die Bestandsschätzung dieses Nachwuchsjahrganges um 54 % gesenkt, so dass die Bestandsprognose deutlich schlechter ausfällt als die des vergangenen Jahres. Die Nachwuchs-rekrutierungen 2017 und 2018 waren zudem die niedrigsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Sollte 2019 kein stärkerer Nachwuchsjahrgang folgen hätte dies eine rapide Abnahme des Gesamtbestandes zur Folge, so der ICES weiter. Aus diesen Befunden kann man schließen, dass der westliche Dorschbestand derzeit stärker unter Nachwuchsrekrutierung leidet als an Überfischung. Infolgedessen hat ICES jetzt eine Senkung der Quote um rund 50 % bis 75 % im Vergleich zum Vorjahr vorgeschlagen.

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Fehlender Nachwuchs macht dem Dorschbestand zu schaffen. Der DAFV und seine Mitgliedsverbände halten an dem ursprünglichen Vorschlag fest, die Dorsche während der Laichzeit zu schonen. Foto: DAFV, Alexander Seggelke


Mit der Minderung der Dorschquote für die Erwerbsfischer könnte auch die Entnahme durch Angler erneut in den Fokus rücken. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Untersuchungen des Thünen-Instituts in Rostock gezeigt haben, dass mit der Einführung der Tagesfangbegrenzung (bag limit) die Angler nur noch etwa die Hälfte der Menge gefangen haben, die für sie berechnet wurde. Dies verdeutlicht, dass die Gesamtfänge aus der Angelfischerei auf Berechnungen basieren und somit keine realen Werte darstellen. Im Gegensatz dazu stützen sich die Fangmengen der Berufsfischerei auf tatsächlich erfasste Mengen, auf deren Grundlage die Quotenempfehlungen bemessen werden.

Dorsche während der Laichzeit schonen
Aus der aktuellen ICES Empfehlung geht hervor, dass der Bestand der westlichen Population in erster Linie unter einer schwachen Reproduktion (2015, 2017, 2018) und nicht mehr primär unter fischereilichem Druck leidet.

Die organisierten Angler in Deutschland haben erkannt, dass sie als Schützer und Nutzer des Bestandes ihren Beitrag zur Bestandserholung leisten wollen. Dazu haben wir im Jahre 2016 eine Resolution herausgegeben und unsere Mithilfe angeboten. Diese Hilfeleistung werden wir auch weiterhin anbieten.

Wir müssen jedoch die Wirksamkeit der derzeitigen Tagesfangbegrenzung für Angler zum Management des Bestandes indessen aus mehreren Gründen anzweifeln: Die Auswirkungen der Fangbegrenzung für Angler lassen sich derzeit nicht quantifizieren und spiegeln sich auch nicht im Erfolg oder Misserfolg der Maßnahme wider. Zudem wirkt sich die Höhe des bag limits sehr stark auf die Intention des Anglers aus, überhaupt angeln zu gehen bzw. an die Küsten Schleswig-Holsteins oder Mecklenburg-Vorpommerns zu reisen. Einhergehende Einschnitte im Tourismusbereich wurden immer wieder und von mehreren Seiten deutlich zur Sprache gebracht. Als ein Resultat fielen die Anglerfänge in den zurückliegenden Jahren deshalb deutlich geringer aus, als die kalkulierten Werte für das entsprechende bag limit.


Der DAFV und die beteiligten Mitgliedsverbände sprechen sich aus den genannten Gründen gegen eine erneute Veränderung der Tagesfangbegrenzung für 2020 aus. Um den Bestandsaufbau zu fördern erachten wir vielmehr ein Management über einen ökologischen Ansatz in Form einer wissenschaftlich begründeten Schonzeit als zielführend und begrüßen den Vorschlag des Thünen Instituts, während der Fortpflanzungszeit auf den Fang von Laichdorsch zu verzichten. (Siehe auch DAFV Resolution 2016)

Östlicher Dorsch in kritischem Zustand
Noch prekärer stellt sich die Situation beim östlichen Dorschbestand dar. Laut ICES befindet sich die Population in einem so kritischen Zustand, dass für 2020 eine vollständige Schließung der Dorschfischerei vorgeschlagen wird, die darüber hinaus für mehrere Jahre aufrechterhalten werden müsste, bis der östliche Bestand sich wieder in sicheren biologischen Grenzen bewegt. Neben dem hohen Fischereidruck der letzten 20 Jahre sorgen beim östlichen Bestand höchstwahrscheinlich auch eine Reihe ökologischer Faktoren (Sauerstoffmangel, Schadstoffbelastung, Erwärmung, Nahrungsmangel, Parasitenbefall, Vermehrung von Prädatoren etc.) für eine besorgniserregende Entwicklung. In der östlichen Ostsee gefangene Dorsche werden immer magerer und weisen beim Eintritt der Laichreife ausgeprägten Minderwuchs auf.

Ausblick
Auf der Grundlage des ICES-Gutachtens und weiterer Empfehlungen von Expertengremien wird die EU-Kommission ihre Fangempfehlungen für die Ostsee erarbeiten und in wenigen Wochen vorstellen. Anschließend legen dann zuständigen EU-Fischereiminister die zulässigen Gesamtfangmengen fest. Der DAFV und seine Mitgliedsverbände werden die weitere Entwicklung aufmerksam begleiten und daran arbeiten, den Standpunkt der deutschen Anglerinnen und Angler angemessen in die Diskussion einzubringen. Dazu stehen wir auch in engem Kontakt mit dem zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).


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Hintergrund
In der Ostsee werden zwei Dorschbestände unterschieden, der westliche und der östliche Bestand. Die Fortschritte in der schnelleren Bestimmung ihrer genetischen Unterschiede haben dazu geführt, dass sich auch die Abschätzung ihrer Populationsgrößen verbessert hat.

Die Entwicklung der Bestände wird durch die EU reguliert, die in jedem Jahr für die Berufsfischerei Fangquoten festlegt, um die fischereiliche Sterblichkeit zu lenken. Grundlage ist das Konzept der EU, den Bestand so zu entwickeln, dass ein höchstmöglicher nachhaltiger Dauerertrag erzielt werden kann (maximum sustainable yield, MSY). Hierbei werden neben den Entnahmen der Berufsfischer aller Anliegerstaaten mittlerweile auch die Fänge der Anglerinnen und Angler in die Berechnungen mit einbezogen.

Beim Dorsch wird zwischen der Population in der westlichen Ostsee (Subdivisionen 22 bis 24 / hauptsächlich deutsche und dänische Gewässer) und im östlichen Bereich (Subdivisionen 25 bis 32 / ab einer Linie zwischen Bornholm und Stettin) unterschieden. Die Tiere unterscheiden sich genetisch und laichen zu unterschiedlichen Zeiten. Der Bestand in der westlichen Ostsee laicht in der Zeit zwischen zeitigem Frühjahr und Frühsommer. Der Bestand der östlichen Ostsee laicht hingegen erst im Sommer.

Zu Beginn des Jahres 2017 hatte die EU neben den Berufsfischern erstmals auch die Angler mit einer Tagesfangbegrenzung (bag limit) beim Westdorsch belegt. Demnach durften täglich nur noch fünf Fische entnommen werden, während der Laichzeit im Februar und März sogar nur drei. Diese Regelung wurde im Jahr 2018 fortgeführt.

Nachdem sich der Dorschbestand in der westlichen Ostsee, nach Einschätzung der Wissenschaftler, deutlich erholt hatte, wurde das bag limit für 2019 erhöht. Seit Januar darf jeder Angler ganzjährig bis zu sieben statt wie bisher nur fünf Dorsche fangen. Die Laichschonzeit von Anfang Februar bis Ende März wurde aufgehoben.
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Der Deutsche Angelfischerverband e.V. (DAFV)
Der Deutsche Angelfischerverband e.V. besteht aus 27 Landes- und Spezialverbänden mit ca. 9.000 Vereinen, in denen insgesamt rund 500.000 Mitglieder organisiert sind. Der DAFV ist der Dachverband der Angelfischer in Deutschland. Er ist gemeinnützig und anerkannter Naturschutz- und Umweltverband. Der Sitz des Verbandes ist Berlin. Er ist im Vereinsregister unter der Nummer 32480 B beim Amtsgericht Berlin Charlottenburg eingetragen und arbeitet auf Grundlage seiner Satzung.


Kontakt:

Olaf Lindner Tel: 030 97104379 • Email: o.lindner@dafv.de Web: www.dafv.de

Text: © DEUTSCHER ANGELFISCHERVERBAND e.V. 2019
 
der Ansatz nicht zu Lasten der Angel ist sicher richtig, nur wenn ich das richtig verstehe - keiner kann erklären - dann hilft eigentlich nur befristet der Holzhammer-
aus die Maus für 1 bis 2 Jahre für alle!! , und klären was passiert und warum und wie sich das ganze entwickelt
Die Frage ist nur bekommt man das hin - was ist außerhalb der Hoheitsgebiete der Anrainerstaaten?​
 
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Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Gegen Effektivität beim kommerziellen Fischfang ist, so er denn sein muss und soll, nämlich nichts einzuwenden. Besser als wenn die Trawler das ganze Jahr die Ostsee durchpflügen und Unmengen an Beifang produzieren.

Bei der empfohlenen Fangmenge für die westliche Ostsee braucht kein Mensch das ganze Jahr. 5-10 Fischzüge üblicher deutscher Trawler und die empfohlene Quote ist ausgefischt.

Das ist alles der schiere Hohn, wenn man den Fang nicht aussetzt.
 
Die westliche Ostsee würde doch so und so nie hergeben, dass der "übliche deutsche Trawler" das ganze Jahr hinweg fischt?

Demzufolge ist es mir lieber, die fischen die Quote an weniger Tagen als ständig unproduktiv.

Die Quote an sich ist ein anderes Thema.
 
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Würden Sie denn überhaupt unproduktiv fischen? Wäre das überhaupt rentabel, oder wäre das ein "Verbot" durch die Hintertür?
 
Moin .Ein Fischer der seine Quote ausgeschöpft hat, auf Dorsch ,wird dann eben auf andere arten Schleppen.

Allerdings nicht ohne Beifang und das könnte auch Dorsch sein.

Und selbst bei einer Schonzeit würde sich an der Quote nichts ändern die würde in jedem Fall ausgeschöpft.

Und selbst wenn wir Angler ganz auf den Dorschfang verzichten an der Quote würde sich nichts ändern sie würde durch andere ausgeschöpft.
 
Hallo miteinander,

hier geht´s um die Ostsee. Aber zur Abrundung des Gesamtblickes: Auch in der Nordsee kommt der Dorschbestand in den kritischen Bereich.

Lest selbst:

https://www.bbc.com/news/uk-scotland-48798925

Servus
Fischer am Inn

Ich bin gespannt, welche Quoten für 2020 vereinbart werden. Wenn ich folgendes lese, zweifle ich aber daran, dass wirklich nachhaltig entschieden wird: "It will likely result in a reduction to the Total Allowable Catch (TAC) for 2020 but it will not necessarily be as strict as the advice suggests."

Es wird halt weiter versucht, auf Kante zu fahren.
 
Die staatlichen Versuche in Europa die Fischbestände zu erhalten und zu bewahren ist halt speziel in Deutschland keine Erfolgsgeschichte.
Wenn man es nicht als stetes Versagen betrachten mag, dann sollte man es als erfolgreiche Augenwischerei betrachten.
Die kleinen Erfolge beruhen eher auf den pers.Einsatz Einzelner, als auf politischen Willen da die Probleme angehen zu wollen.
(Mit Einzelnen, beziehe ich auch Fachkräfte mit ein, aber auch viele Andere...)
 
Reproduktion, einige Gedanken dazu.

In der westlichen Ostdsee gibt es ca. 24.000 Robben. Die fressen minimum 5kg Fisch pro Tag =120.000 kg
diese multipliziert mit 365 Tage = 43.800.000 kg = 43.800 to

Dann stellt mal dagegen was Berufsfischer und Hobbyangler zusammen anlanden.

Bei 50 Prozent weniger Robben würde die Biomasse anders aussehen....
 
Reproduktion, einige Gedanken dazu.

In der westlichen Ostdsee gibt es ca. 24.000 Robben. Die fressen minimum 5kg Fisch pro Tag =120.000 kg
diese multipliziert mit 365 Tage = 43.800.000 kg = 43.800 to

Dann stellt mal dagegen was Berufsfischer und Hobbyangler zusammen anlanden.

Bei 50 Prozent weniger Robben würde die Biomasse anders aussehen....

Robben gabs schon immer in der Ostsee und soweit ich weiss waren die Bestände des Dorsches trotzdem erst seit (historisch gesehen) kürzerer Zeit kurz vor dem Zusammenbrechen. Dann könnte man ja nach der Denkweise jede Tierart vorm Aussterben retten wenn man deren Fressfeinde einfach mal umlegt. Wohin das führt hat man schon im Yellowstone Nationalpark mit den Wölfen lernen müssen.
Man sollte eher mal den indirekten Eingriff des Menschen, Stichwort Klimaerwärmung (Dorsch Kaltwasserfisch), mit einrechnen. Denn niemals hat ein natürlicher Predator allein den Bestand seiner Beute bis zum Aussterben gebracht, wenn keine anderen äusseren Einflüsse wie, (Achtung jetzt kommte es) Klimawandel , der Mensch oder z.B. kosmische Katastrophen dazu kamen. Sowas nennt man Räuber-Beute-Beziehung
 
Moin :

Das ist doch alles in die eigene Tasche lügerei ,alleinig am Bestandsrückgang des Dorsches sind für mich ,

die nicht angepassten Quoten der Fischerei in den letzten Jahren bzw Jahrzehnten .Und dort müsste der Hebel angesetzt werden.
 
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