Dorsch in der Ostsee: Fehlende Reproduktion ist besorgniserregend

Folgende Pressemitteilung des DAFV erhielt die AB-Redaktion:


Pressemitteilung

Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Angelfischerverbandes e.V., Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Landessportfischerverband Schleswig-Holstein e.V. und dem Deutschen Meeresanglerverband e.V.

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Berlin, 04.06.2019. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat am 29. Mai 2019 seine Fangempfehlungen für den westlichen und den östlichen Dorschbestand in der Ostsee für das Jahr 2020 veröffentlicht. In seinem Bericht stellt das Gremium fest, dass sich die kurzzeitige, positive Entwicklung der Dorschpopulation im westlichen Ostseeraum voraussichtlich nicht fortsetzen wird. Die leichte Erholung des Bestands in den Jahren 2018/2019 beruhte auf dem starken Nachwuchsjahrgang aus dem Jahr 2016. Allerdings wurde im aktuellen Report die Bestandsschätzung dieses Nachwuchsjahrganges um 54 % gesenkt, so dass die Bestandsprognose deutlich schlechter ausfällt als die des vergangenen Jahres. Die Nachwuchs-rekrutierungen 2017 und 2018 waren zudem die niedrigsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Sollte 2019 kein stärkerer Nachwuchsjahrgang folgen hätte dies eine rapide Abnahme des Gesamtbestandes zur Folge, so der ICES weiter. Aus diesen Befunden kann man schließen, dass der westliche Dorschbestand derzeit stärker unter Nachwuchsrekrutierung leidet als an Überfischung. Infolgedessen hat ICES jetzt eine Senkung der Quote um rund 50 % bis 75 % im Vergleich zum Vorjahr vorgeschlagen.

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Fehlender Nachwuchs macht dem Dorschbestand zu schaffen. Der DAFV und seine Mitgliedsverbände halten an dem ursprünglichen Vorschlag fest, die Dorsche während der Laichzeit zu schonen. Foto: DAFV, Alexander Seggelke


Mit der Minderung der Dorschquote für die Erwerbsfischer könnte auch die Entnahme durch Angler erneut in den Fokus rücken. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Untersuchungen des Thünen-Instituts in Rostock gezeigt haben, dass mit der Einführung der Tagesfangbegrenzung (bag limit) die Angler nur noch etwa die Hälfte der Menge gefangen haben, die für sie berechnet wurde. Dies verdeutlicht, dass die Gesamtfänge aus der Angelfischerei auf Berechnungen basieren und somit keine realen Werte darstellen. Im Gegensatz dazu stützen sich die Fangmengen der Berufsfischerei auf tatsächlich erfasste Mengen, auf deren Grundlage die Quotenempfehlungen bemessen werden.

Dorsche während der Laichzeit schonen
Aus der aktuellen ICES Empfehlung geht hervor, dass der Bestand der westlichen Population in erster Linie unter einer schwachen Reproduktion (2015, 2017, 2018) und nicht mehr primär unter fischereilichem Druck leidet.

Die organisierten Angler in Deutschland haben erkannt, dass sie als Schützer und Nutzer des Bestandes ihren Beitrag zur Bestandserholung leisten wollen. Dazu haben wir im Jahre 2016 eine Resolution herausgegeben und unsere Mithilfe angeboten. Diese Hilfeleistung werden wir auch weiterhin anbieten.

Wir müssen jedoch die Wirksamkeit der derzeitigen Tagesfangbegrenzung für Angler zum Management des Bestandes indessen aus mehreren Gründen anzweifeln: Die Auswirkungen der Fangbegrenzung für Angler lassen sich derzeit nicht quantifizieren und spiegeln sich auch nicht im Erfolg oder Misserfolg der Maßnahme wider. Zudem wirkt sich die Höhe des bag limits sehr stark auf die Intention des Anglers aus, überhaupt angeln zu gehen bzw. an die Küsten Schleswig-Holsteins oder Mecklenburg-Vorpommerns zu reisen. Einhergehende Einschnitte im Tourismusbereich wurden immer wieder und von mehreren Seiten deutlich zur Sprache gebracht. Als ein Resultat fielen die Anglerfänge in den zurückliegenden Jahren deshalb deutlich geringer aus, als die kalkulierten Werte für das entsprechende bag limit.


Der DAFV und die beteiligten Mitgliedsverbände sprechen sich aus den genannten Gründen gegen eine erneute Veränderung der Tagesfangbegrenzung für 2020 aus. Um den Bestandsaufbau zu fördern erachten wir vielmehr ein Management über einen ökologischen Ansatz in Form einer wissenschaftlich begründeten Schonzeit als zielführend und begrüßen den Vorschlag des Thünen Instituts, während der Fortpflanzungszeit auf den Fang von Laichdorsch zu verzichten. (Siehe auch DAFV Resolution 2016)

Östlicher Dorsch in kritischem Zustand
Noch prekärer stellt sich die Situation beim östlichen Dorschbestand dar. Laut ICES befindet sich die Population in einem so kritischen Zustand, dass für 2020 eine vollständige Schließung der Dorschfischerei vorgeschlagen wird, die darüber hinaus für mehrere Jahre aufrechterhalten werden müsste, bis der östliche Bestand sich wieder in sicheren biologischen Grenzen bewegt. Neben dem hohen Fischereidruck der letzten 20 Jahre sorgen beim östlichen Bestand höchstwahrscheinlich auch eine Reihe ökologischer Faktoren (Sauerstoffmangel, Schadstoffbelastung, Erwärmung, Nahrungsmangel, Parasitenbefall, Vermehrung von Prädatoren etc.) für eine besorgniserregende Entwicklung. In der östlichen Ostsee gefangene Dorsche werden immer magerer und weisen beim Eintritt der Laichreife ausgeprägten Minderwuchs auf.

Ausblick
Auf der Grundlage des ICES-Gutachtens und weiterer Empfehlungen von Expertengremien wird die EU-Kommission ihre Fangempfehlungen für die Ostsee erarbeiten und in wenigen Wochen vorstellen. Anschließend legen dann zuständigen EU-Fischereiminister die zulässigen Gesamtfangmengen fest. Der DAFV und seine Mitgliedsverbände werden die weitere Entwicklung aufmerksam begleiten und daran arbeiten, den Standpunkt der deutschen Anglerinnen und Angler angemessen in die Diskussion einzubringen. Dazu stehen wir auch in engem Kontakt mit dem zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).


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Hintergrund
In der Ostsee werden zwei Dorschbestände unterschieden, der westliche und der östliche Bestand. Die Fortschritte in der schnelleren Bestimmung ihrer genetischen Unterschiede haben dazu geführt, dass sich auch die Abschätzung ihrer Populationsgrößen verbessert hat.

Die Entwicklung der Bestände wird durch die EU reguliert, die in jedem Jahr für die Berufsfischerei Fangquoten festlegt, um die fischereiliche Sterblichkeit zu lenken. Grundlage ist das Konzept der EU, den Bestand so zu entwickeln, dass ein höchstmöglicher nachhaltiger Dauerertrag erzielt werden kann (maximum sustainable yield, MSY). Hierbei werden neben den Entnahmen der Berufsfischer aller Anliegerstaaten mittlerweile auch die Fänge der Anglerinnen und Angler in die Berechnungen mit einbezogen.

Beim Dorsch wird zwischen der Population in der westlichen Ostsee (Subdivisionen 22 bis 24 / hauptsächlich deutsche und dänische Gewässer) und im östlichen Bereich (Subdivisionen 25 bis 32 / ab einer Linie zwischen Bornholm und Stettin) unterschieden. Die Tiere unterscheiden sich genetisch und laichen zu unterschiedlichen Zeiten. Der Bestand in der westlichen Ostsee laicht in der Zeit zwischen zeitigem Frühjahr und Frühsommer. Der Bestand der östlichen Ostsee laicht hingegen erst im Sommer.

Zu Beginn des Jahres 2017 hatte die EU neben den Berufsfischern erstmals auch die Angler mit einer Tagesfangbegrenzung (bag limit) beim Westdorsch belegt. Demnach durften täglich nur noch fünf Fische entnommen werden, während der Laichzeit im Februar und März sogar nur drei. Diese Regelung wurde im Jahr 2018 fortgeführt.

Nachdem sich der Dorschbestand in der westlichen Ostsee, nach Einschätzung der Wissenschaftler, deutlich erholt hatte, wurde das bag limit für 2019 erhöht. Seit Januar darf jeder Angler ganzjährig bis zu sieben statt wie bisher nur fünf Dorsche fangen. Die Laichschonzeit von Anfang Februar bis Ende März wurde aufgehoben.
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Der Deutsche Angelfischerverband e.V. (DAFV)
Der Deutsche Angelfischerverband e.V. besteht aus 27 Landes- und Spezialverbänden mit ca. 9.000 Vereinen, in denen insgesamt rund 500.000 Mitglieder organisiert sind. Der DAFV ist der Dachverband der Angelfischer in Deutschland. Er ist gemeinnützig und anerkannter Naturschutz- und Umweltverband. Der Sitz des Verbandes ist Berlin. Er ist im Vereinsregister unter der Nummer 32480 B beim Amtsgericht Berlin Charlottenburg eingetragen und arbeitet auf Grundlage seiner Satzung.


Kontakt:

Olaf Lindner Tel: 030 97104379 • Email: o.lindner@dafv.de Web: www.dafv.de

Text: © DEUTSCHER ANGELFISCHERVERBAND e.V. 2019
 
Ja, das ist sehr interessant.

Wir haben die Entwicklung des Bestandes der Aalmutter jetzt mit dem Abverkauf des HEMNES Regal bei einem großen schwedischem Möbelhaus ins Verhältnis gebracht- es korreliert...Fanden wir schwer beeindruckend, jedoch wissenschaftlich wohl für den Dorschbestand nur begrenzt aussagekräftig.

Für die Aalmutter gibt es keine genauen offiziellen Zahlen zu den Beständen (z.B. ICES) somit ist das sicherlich schon einmal mit einem verdammt großen Fragezeichen zu versehen.

Nach unseren Informationen ist diese obige Aussage in den Bezugg auf den Dorsch wissenschaftlich betrachtet anscheinend (leider?) nicht wirklich etwas wert. Wir fanden das nämlich im ersten Moment auch "interessant" und haben natürlich bei verschiedenen bekannten Instituten nachgefragt.

Übrigens würde mich persönlich interessieren, welche Institute die Masterarbeit unterstützt haben und welche Bestandszahlen die Grundlage hierfür waren. FIUM?

Damit möchten wir übrigens weder die Masterarbeit oder die Person bewerten, sondern lediglich klarstellen, dass die Aussage aus Sicht der von uns befragten Wissenschaftler für den Bestand oder gar die Bestandentwicklung des Dorsches keine Aussagekraft hat bzw. halt für die Wissenschaft in Bezug auf den Dorsch nicht interessant ist. Wir unterstützen grundsätzich jeden, der sich mit diesem für uns Angler wichtigen Thema auseinandersetzt!

So unterstützt auch die WiSH e.V. weiterhin verschiedene wissenschaftliche Projekte zum Dorsch, zum Meeresangeln und Angeltourismus. Themen, die uns alle angehen!


Diese extrem eingeschränkte Weltsicht ist leider der Grund, weshalb es zu keinem vernünftigen Management der Ostseebestände kommt.

Ja, auf den ersten Blick macht die Korrelation keinen Sinn. Aber: Das gesamte Bewirtschaftungssystem nach MSY hat einen grundlegenden Fehler. Das arbeite ich in einer Dissertation aus und das erklärt auch, weshalb es zu diesem Flaschenhals-Effekt im Küstenbereich kommt.
 
Diese extrem eingeschränkte Weltsicht ist leider der Grund, weshalb es zu keinem vernünftigen Management der Ostseebestände kommt.

Ja, auf den ersten Blick macht die Korrelation keinen Sinn. Aber: Das gesamte Bewirtschaftungssystem nach MSY hat einen grundlegenden Fehler. Das arbeite ich in einer Dissertation aus und das erklärt auch, weshalb es zu diesem Flaschenhals-Effekt im Küstenbereich kommt.

Ich weiß gar nicht, was ich jetzt noch antworten soll!

Ob ich diesen Satz nehme

Diese extrem eingeschränkte Weltsicht ist leider der Grund, weshalb es zu keinem vernünftigen Management der Ostseebestände kommt.

oder auch diesen

Das gesamte Bewirtschaftungssystem nach MSY hat einen grundlegenden Fehler.

wirkt auf mich wie "Die Welt hat auf Dich gewartet". Und ich wiederhole dann gerne meinen Satz

eine Masterarbeit stellt alle anderen langjährigen Forschungen nicht nur in Frage, sondern stellt diese öffentlich als falsch (hinfällig) dar.

Sind wirklich alle anderen doof?

Ich habe letzte Woche geschrieben

Nach unseren Informationen ist diese obige Aussage in den Bezugg auf den Dorsch wissenschaftlich betrachtet anscheinend (leider?) nicht wirklich etwas wert.

Für diesen Satz (eine wissenschaftliche Einschätztung wohl gemerkt!) wurde ich angegriffen, obwohl Du jetzt schreibst
Ja, auf den ersten Blick macht die Korrelation keinen Sinn.

und bekommst dafür einen "Like".

Diese paar Sätze aus Deiner Masterarbeit machen so keinen Sinn oder mit meinen Worten

Jedoch sind es maximale Ansätze, nicht Lösungen oder Erklärungen.

Was Du ja auch selber schreibst, denn

Aber: Das gesamte Bewirtschaftungssystem nach MSY hat einen grundlegenden Fehler. Das arbeite ich in einer Dissertation aus und das erklärt auch, weshalb es zu diesem Flaschenhals-Effekt im Küstenbereich kommt.

Ich wünsche Dir viel Erfolg dabei und bin echt gespannt (und entspannt).

Es wäre sicherlich für alle hier noch interessant zu wissen, welche Wissenschaftler/ Institute Dich bisher in Deiner "Karriere" begeleitet haben, wer die Masterarbeit bewertet hat bzw. an welchem Lehrstuhl und auch wo Du Deine Doktorarbeit schreibst.

Und auch die Quelle Deiner Daten (Zahlen) zur Masterarbeit wäre noch interessant.

Hatte die Fragen ja schon einmal gestellt, hast Du anscheinend übersehen, da Du nicht drauf eingegangen bist. Danke!
 
Um nochmal auf die Datenlage zurückzukommen:

Die Rekrutierungs- und Laicherbiomassedaten entstammen dem ICES.
Die Daten von Aalmuttern entstammen einem Aalmonitoring-Projekt des Landesforschungsinstituts, an dem ich 2 Jahre auch selbst mitgearbeitet habe. Dabei werden Flächen von 1ha mit Netzen abgeschirmt und alles gefangen, was sich innerhalb dieses Hektars bewegt. Das ist eine Datenreihe von 2008-2018 (nur 2014-16 unterbrochen). Eine irre Fülle von Beifangdaten ist während der Zeit aufgelaufen. Diese Daten wurden noch nie vorher in dieser Form bearbeitet.

Im Studium stand ich nun vor der Aufgabe mir eine Master-Thesis zu überlegen. Es gab Vorlesungen im Thünen Institut (ca. 2016/17), bei denen gesagt wurde, dass Dorsche die küstennahen Bereiche als Fraßgrund nutzen, es aber keine Erhebungen zur Küstenfauna gäbe. Ich wusste aber, dass es sehr wohl etwas gibt und hatte mir dann überlegt die Daten einfach mal abzugleichen. Ich habe ja überhaupt nicht damit gerechnet irgendetwas zu finden.

Die Daten bis 2017 habe ich also abgeglichen. Da kam es nun schon zu diesen 1:1 Korrelationen von Aalmuttern und Dorschrekruten. Es war dann das Problem, dass der starke 2017er Jahrgang das Ergebnis scheinbar verzerrt hat (wie es so ziemlich in allen Datenlagen dazu zu beobachten ist). Da ich Vater wurde und ein Haus gekauft und renoviert habe, habe ich auch deshalb lieber noch ein Jahr gewartet, um das Folgejahr mit in die Arbeit mit aufzunehmen. Und auch das Folgejahr passte genau in die Korrelation. Und das war ja nicht nur irgendeine Korrelation: 2017-> die höchste Rekrutierung seit 20 Jahren, die mit Abstand höchsten Aalmutterabundanzen; 2018-> Rekrutierung historisch niedrig, mit den geringsten Aalmutterabundanzen. Das fügte sich perfekt ins Bild und lässt keinen anderen Schluss zu, als dass beide Arten von den gleichen Grundvorraussetzungen abhängig sind: Fraßverfügbarkeit und Prädation.

Da sich die Arten nun grundlegend unterscheiden ist davon auszugehen, dass sich die Ausprägung eines starken Dorschjahrgangs erst im küstennahen Bereich entscheidet und NICHT in den Ei- und Larvenphasen. Damit sind alle Thesen zur Entwicklung von Jahrgängen, die sich auf diese Phasen beziehen, kaum mehr haltbar. Und ganz ehrlich: Eiphase und larvale Phase ist ein Zeithorizont von ca. 3 Monaten. Bis diese zu Rekruten werden dauert es dann noch ca. 9 Monate, bis sie in den Laicherbiomassebestand heranwachsen ca. 2 Jahre. Dass die ersten 3 Monate alles entscheiden sollen, was die Ausprägung von starken Jahrgängen angeht darf einen schon stutzig machen.

Die Frage war dann, wie es zur Ausprägung dieser Thesen kam, weshalb eine Limitation von Nahrung bislang nicht in Betracht gezogen wurde und weshalb es, trotz scheinbar hoher Nährstoffeinträge, trotzdem zu einem solchen Effekt kommen kann. Das habe ich bereits ausgearbeitet und will es in eine Dissertation einbringen. Deshalb werde ich dazu jetzt hier noch nichts sagen.
 
G
Ein sehr interessantes Thema. Die Entschlüsselung der Zusammenhänge könnte auch Ansätze für andere Gewässer liefern, in denen die Bestände stark rückläufig sind, obwohl die Nährstoffversorgung im akzeptablen Rahmen ist.

Dieser Zustand ist ja weit verbreitet, oft wird dann zu sauberes Wasser reklamiert.........
 
Nährstoffmangel und Nahrungsmangel hängen eng zusammen, sind aber nicht das Selbe. Für sen Fisch müssen die Nährstoffe als passende Nahrung verfügbar sein.
 
Die Frage war dann, wie es zur Ausprägung dieser Thesen kam, weshalb eine Limitation von Nahrung bislang nicht in Betracht gezogen wurde und weshalb es, trotz scheinbar hoher Nährstoffeinträge, trotzdem zu einem solchen Effekt kommen kann. Das habe ich bereits ausgearbeitet und will es in eine Dissertation einbringen. Deshalb werde ich dazu jetzt hier noch nichts sagen.

Spannend ist das Thema auf jeden Fall.

Obwohl oder vielleicht gerade auch weil bisherige wissenschaftliche Untersuchungen andere Theorien verfolgen oder eben auch völlig im dunklen tappen, sollte man sich mit anderen Thesen kritisch auseinander setzen.
Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, dass der Punkt Nahrungsmangel von vorherigen wissenschaftlichen Untersuchungen bisher überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde. Vielleicht wurde schon vorher eine deutlich geringere Larvenzahl gemessen und man musste sich keine Gedanken über andere Ursachen machen, weil einfach deutlich weniger Larven da waren??? Nur so ein Gedanke - ich habe keine Ahnung, ob Fischlarven überhaupt gezählt / ermittelt werden können.

Ich bin auf jeden Fall darauf gespannt welche Rückschlüsse Du aus den Dir vorliegenden Daten ziehst. Irgendetwas muss ja nach Deiner Schlussfolgerung im Flachwasser vor sich gehen, wodurch die Jungdorschbestände und Aalmutterbestände in Mitleidenschaft gezogen werden und eben nicht zu erfolgreichen Jahrgängen heranwachsen können. Was genau war anders im Jahr 2016/2017 aus dem ja der sehr gute Dorschjahrgang entstanden ist? Es würde mich wirklich stark interessieren, welche schlüssigen Zusammenhänge Du finden konntest.

Warte daher nicht zu lange mit einer Veröffentlichung Deiner Dissertation, denn falls Deine Theorie sie sich als schlüssig erweisen sollte, kann man nicht früh genug mit gezielten Gegenmaßnahmen beginnen. Sofern diese denn überhaupt möglich sind, denn Wassertemperatur, Salz- oder Sauerstoffgehalt zeitnah zu beeinflussen ist uns leider nicht möglich.
 
Das große Fragezeichen war das Jahr 2017, in dem es sowohl sehr viele Aalmuttern gab, als auch viele Dorschrekruten. Grundsätzlich war nämlich alles beim alten: sehr geringe Laicherbiomasse des Dorsches, sehr niedrige Heringsbestände.

Was könnte also passiert sein? Das hier ist meine Theorie dazu:

Im Dezember 2014 gab es aber einen sehr starken Salzwassereinstrom.
Wichtigste Nahrungsquelle für Dorsche (und auch Aalmuttern) sind Strandkrabben in unterschiedlichen Größen. Von der Larve bis zu größeren Kohorten, je nach Größe der Dorsche (bzw. Aalmuttern).
Jetzt muss man dafür wissen, dass sich Strandkrabben in nördlichen Ausbreitungsgebieten, in denen es in kalten Gewässern keine Salzlimitationen gibt, nur im Winter einmalig in einem großen Laichereignis fortpflanzen. In der Nordsee, dem eigentlichen Herkunftsgebiet, laichen Strandkrabben einmalig im Winter, aber auch über den Sommer verteilt, sobald die Temperaturen wärmer werden. In der für Strandkrabben salinitätslimitierten Ostsee wurden Laichereignisse bislang nur im Sommer nachgewiesen.
Grundsätzlich müsste es also eine salinitätsbedingte Grenze für winterliche Laichereignisse von Strandkrabben geben entlang des Übergangs von Nord- zu Ostsee geben. Im Verlaufe des Salzwassereinstroms 2014 wurde die Salinität über eine Periode von 3 Wochen im Bereich der westlichen Ostsee erhöht. Dies könnte dafür gesorgt haben, dass sich auch die Krabben der westlichen Ostsee im Winter 14/15 vermehren konnten, was sonst aufgrund eines zu niedrigen Salzgehaltes ausbleibt. Es könnte auch sein, dass mit dem Einstrom grundsätzlich Larven und sonstige Biomasse eingetragen wurde, der Effekt ist der gleiche.

Da der Laicherbestand des Dorsches sehr niedrig war, konnten sich die Krabben ein Jahr lang recht ungehindert vermehren und sich 2016 stärker reproduzieren als in den Jahren zuvor. Dazu muss man wissen, dass Krabbenlarven hauptsächlich küstennah emittiert, entsprechend auch dort heranwachsen und gefressen werden. Diese höhere Produktion an kleineren Größenkohorten von Strandkrabben stand dem Dorschbrutjahrgang 2016 zur Verfügung, der dann in den Daten als Rekrutierungsjahrgang 2017 auftaucht. Dazu muss ich sagen, dass wir 2016 und 17 extrem viele Krabben in den Netzen hatten, nur gibt es leider überhaupt keine Vergleichsdaten, da es kein Krabbenmonitoring gibt.

Jetzt ist das je nach Betrachtungsweise der Daten ein um 2,5-3,5 Jahre verzögerter Effekt. Wenn man bedenkt, dass wissenschaftliche Projekte in der Regel einen Zeithorizont von 3 Jahren haben ist es nicht verwunderlich, dass soetwas nur schwer auffallen kann...
 
An irgendwas muss es ja liegen, dass Thünen innerhalb dieses Jahres die empfohlene Fangquote für Dorsch um über 50% nach unten korrigieren musste.
Wenn hier also nicht nur die Korrelation sondern auch die Kausalität entdeckt wurde, wäre das schon mal ein großer Schritt nach vorne!
Warten wirs ab ;-)
 
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Jetzt ist das je nach Betrachtungsweise der Daten ein um 2,5-3,5 Jahre verzögerter Effekt. Wenn man bedenkt, dass wissenschaftliche Projekte in der Regel einen Zeithorizont von 3 Jahren haben ist es nicht verwunderlich, dass soetwas nur schwer auffallen kann...

Deine Theorie ist nicht unmöglich, klingt aber trotzdem konstruiert. Du schreibst aber auch richtigerweise, dass es auch keine Vergleichdaten zu den Krabben gibt die Deine These stützen.
Gerade aber der Salzeintrag - der ja nach Deiner Aussage maßgeblich Einfluss auf den Strandkrabbenbestand hat - war in der Ostsee immer schon sehr schwankend. Über den Salzeintrag kann man über die Jahre gesehen schon Vergangenheitswerte finden. Trotzdem gab es über viele Jahrzente einen hervorragenden und recht stabilen Dorschbestand in der Ostsee - bis dieser durch zu großen Befischungsdruck über einen längeren Zeitraum in die Knie gezwungen wurde.

Schauen wir uns nun die Nordsee an, steht der Faktor Salzgehalt nicht zu Diskussion - Krabben gibt es dort auch satt und genug. Trotzdem macht sich auch dort der Dorschbestand nicht gerade gut, um nicht zu sagen beschxxxxen. Der Schwund der Bestände ist - in Nord- und Ostsee - dem jahrelangen exzessiven Raubbau geschuldet - ohne Zweifel.

Könnte es also nicht auch so sein, dass wir einfach mit schwankenden Jahrgängen leben müssen - weil es diese immer schon gegeben hat?? Die Ursachen können vielfältig sein und unter Umständen von verschiedenen natürlichen, unvermeidbaren Faktoren in Wechselwirkung abhängig sein, die wir in Ihrer Gesamtheit auch nicht erkennen und beeinflussen können.

Der einzige, wesentliche Faktor den wir als Mensch beeinflussen können ist der Befischungsdruck, den wir auf die Gesamtbestände ausüben. Gäbe es seit Jahrzehnten ein nachhaltigeres Fischereimanagement in Nord- und Ostsee, würden wir jetzt nicht über einzelne gute oder schlechte Jahrgänge diskutieren. Dann gäbe es eine gesunde Alterspyramide innerhalb der Dorschbestände und dadurch würde ein erfolgreicher Jahrgang noch um eine vielfaches erfolgreicher ausfallen als er es jetzt tut.
 
Da der Laicherbestand des Dorsches sehr niedrig war, konnten sich die Krabben ein Jahr lang recht ungehindert vermehren und sich 2016 stärker reproduzieren als in den Jahren zuvor. Dazu muss man wissen, dass Krabbenlarven hauptsächlich küstennah emittiert, entsprechend auch dort heranwachsen und gefressen werden. Diese höhere Produktion an kleineren Größenkohorten von Strandkrabben stand dem Dorschbrutjahrgang 2016 zur Verfügung, der dann in den Daten als Rekrutierungsjahrgang 2017 auftaucht. Dazu muss ich sagen, dass wir 2016 und 17 extrem viele Krabben in den Netzen hatten, nur gibt es leider überhaupt keine Vergleichsdaten, da es kein Krabbenmonitoring gibt.

Der Jahrgang 2016 war zwar sehr stark im Vergleich zu den letzten Jahren, aber wohl eher durchschnittlich wenn man weiter zurück schaut. Trotzdem folgen auf diesen zwei extrem schwache Jahrgänge, was nach deiner Theorie wohl auf Nahrungskonkurrenz zwischen den Kohorten beruhen sollte. Wenn das so ist, schließe ich daraus, dass die Ostsee heutzutage gegenüber z.B.den 90er Jahren für den Dorsch erheblich beeinträchtigt ist und die Art keine größeren Bestände mit einer breiteren Altersstruktur mehr ausbilden kann.
 
Hallo,
Durch einen fehlenden Wasseraustausch wird eine Kettenreaktion ausgelöst. (Erwärmung, Entsalzung, Nährstoffexpansion, Toxika, Sauerstoffarmut und deren Auswirkungen)
Die Ostsee ist nicht für einen regelmäßigen Zyklus gemacht. Damit findet man sich besser ab.
Ein super Entnahmemanagement ist nicht möglich, dann müsste man denen verratet können, wann und in welcher Intension die Zyklen in Zukunft ausfallen?

Will man nicht mit den großen Schwankungen leben, so ist die Entnahme auf ein Minimum zu senken, um den natürlichen Zyklen, maximalen Spielraum einzuräumen.

Im Übrigen findet die Planktonexzession in allen Meeren und vor allem, vor den Küsten statt. Von daher ist anzunehmen, dass das einströmende Salzwasser nicht mehr die Intensität hat, wie in der Vergangenheit. (Vorbelastung je nach Jahreszeit)
Menschliches zutun durch Einleitungen von Nährstoffen, verstärkt / reduziert die Reaktion der natürlichen Einflüsse in der Relation, wie die Intensionen und zeitlichen Abfolgen der natürlichen sind und summieren sich jährlich auf.

Schwermetalle haben sich seit den 90ern reduziert.
Plastik, Medikamente, Röntgen-Kontrastmittel und Psychopharmaka,..., landen jährlich in großen Mengen in der Ostsee.
Neue Spritzmittel und Gifte seit den 90ern und deren Messungen und Wirkungen.?


mfg
NM
 
Ich finde die Arbeit von Tim spannend, vielleicht wird sich das irgendwann disruptiv auf das Management auswirken ..

Man müsste alle bisherigen Studien durchforsten, Einflussfaktoren einmal auflisten und nach Signifikanz / Plausiblität sortieren .. vielleicht hat Jemand Interesse an solch einer Arbeit. Gerne wird von Instituten wie Geomar der "menschengemachte" Klimawandel für alle möglichen Auswirkungen verantwortlich gemacht .. wie die "Versauerung" der Meere. Aber ist das hier wirklich signifikant bezogen auf die Zeitspanne von 20-30 Jahren?
 
Gerne wird von Instituten wie Geomar der "menschengemachte" Klimawandel für alle möglichen Auswirkungen verantwortlich gemacht .. wie die "Versauerung" der Meere.

Zu Ursachen wie Erwärmung und Versauerung der Ostsee gibt es derzeit nur Laborexperimente und Modellergebnisse. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass Erwärmung und Versauerung zu erhöhter Sterblichkeit und Fehlbildungen bei den Larven führen. Ferner ist bekannt, dass die produktiven Flachwasserbereiche für die Elterntiere während der Sommerphase durch zu hohe Wassertemperaturen (>15°C) nicht nutzbar sind. Ein Ausweichen in tiefere, kühlere Gebiete wird durch Sauerstoffmangelzonen am Boden der Becken der westlichen Ostsee erschwert. Kühlen die Flachwasserbereiche im Herbst später ab, können die Tiere dort erst später die Defizite aus dem Sommer durch Fressen kompensieren und über den Herbst Reserven für das Laichgeschäft im Winter/Frühjahr anlegen. Gleichzeitig verschiebt sich das Laichgeschäft wegen milderer Winter zeitlich nach vorne, so dass die Aufbauphase weiter verkürzt wird. So kann ein Trend entstehen, bei dem die Elterntiere in zunehmend schlechterem Zustand ins Laichgeschäft eintreten bzw. der Anteil der Tiere, die gar nicht am Laichgeschäft teilnehmen, zunimmt.
 
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