Dr. Thomas Günther: Kommentar zur Abstimmung im VDSF

Thomas9904

Well-Known Member
Vorabveröffentlichung Magazin März mit der Erlaubnis zum veröffentlichen

Quelle:
http://thomasguenther.wordpress.com/

Zusammenschluss! – Aber Einheit?

Berlin, 15.2.2013 – Sie werden erleichtert gewesen sein, die Delegierten des VDSF an diesem 15.2.2013, nachdem sie die Zustimmung des VDSF zu dem Zusammenschluss mit dem DAV nach vierundzwanzig Jahren deutscher Einheit mit “nur” 26 Gegenstimmen erteilt haben. Auf Seiten des VDSF-Präsidiums, das die Fusion dreimal abgesagt und sich zuletzt angesichts des massiven Drucks eigener Landesverbände als „geborener“ Fusionsbefürworter geriert hat, werden sich Triumphgefühle breit machen. Wir werden sie — verklausuliert — in der zu erwartenden Pressemitteilung nachlesen können.

Erleichterung?
Vor allem darüber, dass mit der jetzt auf den Weg gebrachten Gründung des Deutschen Angelfischerverbandes DAFV alle Diskussionen, die bislang unter der Überschrift „Fusion“ geführt wurden, beendet zu sein scheinen. Bereits seit Monaten haben sich ganze Landesverbände in offensichtlicher Ermüdung jedweder Diskussion über Ob und Wie der Fusion ausdrücklich entzogen.
Die Diskussionsverweigerung auf die Spitze trieb das VDSF-Präsidium, das nicht davor zurückschreckte, einen eigenen Landesverband, der noch Gesprächsbedarf hatte, zu düpieren, in dem es sich weigerte, dessen Fragen und Anträge auf die Tagesordnung zu nehmen.
Möglicherweise hat diese Diskussionsverweigerung dazu beigetragen, dass die Funktionäre der Altverbände schließlich doch die Fusion beschlossen haben. Die gestellten und noch zu stellenden Fragen haben sie damit nicht beantwortet. Sie werden den neuen Verband belasten und verfolgen.

Das Triumphgefühl des VDSF-Präsidiums und sicher auch bei Teilen der Initiative „Pro DAFV“ speist sich aus dem Gedanken, gegen vielfältige Widerstände und Kritik etwas durchgesetzt zu haben, was man erreichen wollte.
Was aber war die Zielsetzung der Fusionsgestalter?
Sie wollten die Herstellung der Einheit der deutschen Angler. Aber was haben sie eigentlich gestaltet seit 2008?
Von Anfang bis Ende war ihr Handeln ausschließlich darauf ausgerichtet, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zusammenführung von DAV und VDSF zu schaffen.
So haben sie eine neue Satzung erstellt, die eigentlich aussieht wie die Satzung des VDSF mit neuem Etikett und einen Verschmelzungsvertrag, weil das „Gesetz es so verlangt.“

Im Ergebnis steht, wenn juristisch alles glatt läuft, ein neuer Bundesverband, wo eben noch zwei standen. Das ist etwas, aber es ist nicht die Einheit der deutschen Angler.

Es bestehen weiterhin zwei völlig unterschiedliche Angelphilosophien nebeneinander:
die dezentrale Gewässerverantwortung der Fischereirechtsinhaber im Gebiet des alten VDSF und die zentralistische „Freizügigkeit“ in jenem des DAV.

Beides sind diametral entgegengesetzte, aber über viele Jahre gewachsene Strukturen. Sie führen zu völlig unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Angler an ihren Verband.

Es ist versäumt worden, an diesem gravierenden Problem zu arbeiten. Zeit genug hatte man. Der DAFV muss es jetzt aushalten, mit zwei Mentalitäten „in seiner Brust“ zu leben. Das wird im Spannungsverhältnis zur Berufsfischerei besonders schwierig, zumal völlig offen ist, ob der DAFV im Deutschen Fischereiverband das Gewicht einnehmen kann, das dem Doppelpassspiel von VDSF und DAV zukam.

Weil dem DAFV auch keine Zielrichtung mitgegeben wurde, ist zudem zu befürchten, dass der neue Verband sich an dem größten Altverband ausrichtet und dessen seit Jahren vorherrschende Orientierungslosigkeit „kopiert“.

„Eine stärkere Stimme in der Politik und in Europa“
war das Minimalziel der Fusionsbefürworter. Aber ob der neue Lautsprecher tatsächlich lauter sein wird, als VDSF und DAV es in Summe waren, muss erst noch unter Beweis gestellt werden. Lobbyarbeit, egal ob in Berlin oder in Brüssel, ist ja kein Selbstzweck.

Sie verfolgt Ziele – oder sollte das zumindest tun.

Was sind denn die Ziele der Europaarbeit des DAFV?
Bleiben sie ebenso nebulös wie jene des VDSF?
Wie will denn der DAFV die großen Zukunftsherausforderungen Energiewende, Klimawandel, demografische Entwicklung, um nur einige zu nennen, mit einem Personal aus den Altverbänden meistern, das auf diese Fragen seit Jahren alle Antworten schuldig geblieben ist?

Angesichts dieser und vieler anderer offenen Fragen kommt mir die Stimmung der Funktionäre vor, als gäbe man sich bereits schwelgerisch dem „Schöner Wohnen“-Gefühl hin, obwohl man doch gerade erst den Bauantrag abgegeben hat.
Von den ungeklärten Risiken der Baufinanzierung einmal ganz zu schweigen.

Aber die Hypotheken sind jedenfalls schon unterschrieben. Der Preis der Einheit der Angler war die Einheit der Angler.

Als Sieger werden sich nämlich auch die Verbände der Initiative Pro DAFV, die dem orientierungslosen VDSF-Präsidium den Kurs „Fusion sofort und ohne jede Diskussion“ abgerungen haben.

Statt überzeugender Argumente haben die wichtigsten unter ihnen ihren Austritt aus dem Verband nicht nur angedroht, sondern auch vollzogen, teilweise mit der Ankündigung, wieder einzutreten, wenn die Fusion („rechtzeitig“) kommt.

Nach dem Motto „Macht was ich will – sonst mach ich nicht mehr mit“ haben sie der Demokratie und der verbandlichen Solidarität einen nur schwer reparablen Schaden zugefügt, indem sie die Nötigung als politisches Druckmittel hoffähig gemacht haben.

Wenn der Zweck, den sie verfolgten, auch dieses Mittel heiligt, werden sie und andere es auch im künftigen DAFV für „zielführend“ halten, durch Austrittsdrohungen „Politik“ zu machen.

Einheit der Angler sieht anders aus.

Wenn diese Verbände an der Tür des neuen Verbandes anklopfen, wird man sie der äußeren Einheit wegen bedingungslos willkommen heißen.

Während sich der neue Verband eine gemeinsame demokratische Kultur des Umgangs miteinander erst mühsam erarbeiten muss – bloße Behauptungen von Demokratie ersetzen dieses nicht – werden die Minderheitsstrategen im DAFV beim nächsten größeren Streitthema darüber nachdenken, ob nicht auch der Einbehalt von Beitragsmitteln geeignet wäre, die Mehrheit von der eigenen Sicht der Dinge zu „überzeugen“.

Bereits Anfang des vorherigen Jahrzehnts hat der bayerische VDSF wegen eines so brennenden Themas wie der Verbandsbezeichnung sein Ausscheren aus dem Dachverband angedroht.

Bei allen großen Veränderungen, und die Fusion ist eine solche, ist nichts so wichtig wie das Mitnehmen der Beteiligten und Betroffenen dort wo sie stehen.

Darauf hat man komplett verzichtet.

Stattdessen hat man die Fusion „erarbeitet“ als ein Ränkespiel zwischen Präsidium und den höchst zerrissenen Fraktionen des Verbandsausschusses.

Dabei hat man fleißig des Andersdenken Kraut ausgeschüttet und auch nicht mit Beschimpfungen und Niederträchtigkeiten gespart.

Das zeigen die Stellungnahmen nach dem Scheitern der Fusion am 17.11.2012, die vor gegenseitigen Vorwürfen, Unfähigkeitsbezichtigungen und anderen Bemerkungen dicht an der Strafrechtsgrenze nur so strotzen. Die Gräben sind und bleiben aufgerissen.

Man wird behaupten, dass das alles „Geschichte“ sei, geschuldet den handelnden Personen, die im neuen Verband nicht mehr bestimmen.

Doch das wird das Vertrauen, dass ein Verband vor so großen Herausforderungen dringend braucht, nicht herstellen. Dazu werden die höchst unterschiedlichen Grundpositionen der Landesverbände, die jetzt um so stärker aufeinanderprallen, auch nicht beitragen. Man wird sich keine Zeit nehmen, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Es ist seit Jahren suggeriert worden, dass die Fusion die Landesebene nicht betreffe und ein „Kinderspiel“ sei.

In Wirklichkeit ist diese Art des „Zusammenwachsen“ eine Kinderlähmung, mit der sich der DAFV noch lange Jahre wird abplagen müssen. Der DAFV wird damit leben müssen, dass der schmalspurig, wenn auch vollmundig, durchgezogene Fusionsprozess eines nicht vermocht hat:
die Einigung der Angler in Deutschland.

Während jetzt in Berlin gefeiert wird, werden die alten Strukturen schon überlegen, wie sie das künftige Präsidium bis zu seinem Amtsantritt „steuern“ können. Und darüber hinaus.

Dr. Thomas Günther
 
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