Ein Graser gibt Gas: Oder ein Drill zum Verzweifeln!
Eine solche Einladung kann man doch nicht ausschlagen, dachte ich mir und fing an in meinem Angelkeller-Chaos in den hintersten Ecken nach diversem Karpfenzubehör zu suchen.
Spätestens jetzt bemerkte ich, dass ich wirklich viel zu lange nicht beim Karpfenangeln war.
Ruten, Rollen ein paar Boilies, ja sogar eine Futterschaufel fand ich dann aber erstaunlich schnell.
Beim Rodpod gestaltete sich die Sache schon deutlich schwieriger, ich konnte einfach einen Teil des Rodpods nicht finden, genausowenig wie meine Swinger.
Nach fast einer Stunde gab ich auf, schmiss einfach Banksticks ins Auto und fuhr los, ich wollte ans Wasser!
Kein Wunder, hatte mich doch am Abend vorher ein Kumpel angerufen und mir mitgeteilt dass er im Moment auf Karpfen ansitzt, eine Stelle hat an der ich noch locker mitangeln könnte, es gut beißt und er mir sogar schon ein Plateau vorgefüttert habe.
Das war doch mal ein tolles Angebot!
Am See angekommen schaute ich mir meine schon vorbereitete Angelstelle, ein Plateau auf der gegenüberliegenden Seite des Sees nochmal in Ruhe an und befand sie für sehr interessant.
Aufgrund der weiten Entfernung musste ich die Ruten mit dem kleinen 1,60er Schlauchi ausbringen. Ich lege die Ruten eigentlich sehr gerne vom Boot aus ab, an diesem Tag war es allerdings recht windig weshalb man mit dem Schlauchi auch stark driftete, da hieß es schnell sein wenn man genau ablegen wollte.
Ging aber dann letztendlich doch alles recht problemlos und schon bald lagen beide Ruten gut, und ich konnte zum gemütlichen Teil übergehen und das Wasser einfach genießen.
Beim Blick auf meine Ruten fiel mit dann allerdings auf, dass ich die Swinger-Problematik noch nicht gelöst hatte. In meiner Angeltasche hatte ich noch Einhängebissanzeiger die fürs Friedfischangeln zwar ok waren, aber für den Einsatzzweck hier schlicht viel zu leicht waren. Der Wind zog sie in Sekunden-Schnelle wieder hoch.
Jetzt hieß es kreativ sein, oder ohne Swinger zu angeln. Da ich auf der anderen Uferseite abgelegt hatte, war mit Fallbissen zu rechnen und ich musste mir irgendwas einfallen lassen.
Zum Glück hatte ich im Auto noch eine Rolle "Gaffa-Tape". Schnell war ein Gewicht in Form einer leeren 9v Batterie gefunden und an die Swinger geklebt.
Ja, das sah schon wirklich echt profimäßig aus: Die auf einem Klappergestell abgelegten Ruten und dazu ein alte Batterie als Swinger. :q
Trotzdem: Es biss nicht schlecht und im Lauf des Nachmittags erhielten wir reichlich Bisse und konnten viele Karpfen, meistens aber aus der "Satzerfraktion" landen.
Meine Versuche mittels Boiliegröße zu selektieren scheiterten ziemlich deutlich: Auch 24er Boilies waren für die 5-Pfünder kein Problem.
Zum Abend hin wechselte ich dann die Köder nochmal und baute mir einen Kombiköder aus einem halben 16er Boilie und einem kleinen Popup zusammen.
Nachdem die Ruten nochmal sauber gelegt wurden, bereiteten wir uns für die Nacht vor. Nochmal Kescher und Abhakmatte in Position bringen, Angelplatz etwas aufräumen. Ködernadel, Boilies und Futter zurechtlegen usw.
Auf den Aufbau eines Bivvys konnten wir dank tropischer Temperaturen getrost verzichten und platzierten die Liegen direkt am Wasser. Alles war bereit, eine herrliche Stimmung lag über dem See und man spürte regelrecht dass es nun jede Minute anfängt zu piepsen.
Und dann kam tatsächlich ein einzelner Piepser. Skeptisch schaute ich auf Bissanzeiger und Rute, da piepste es erneut. Allerdings wieder nur einmal. Das Spiel wiederholte sich insgesamt noch 3 Mal. Ich erhielt 5 einzelne Piepser - sehr seltsam. Vielleicht eine Brachse?
Als ich die Rute aufnahm und einholte war aber nichts dran. Das gefiel mir gar nicht und ich ging nochmal meine Montage durch.
Letztendlich entschied ich mir dafür das 120g Blei durch ein schwereres zu ersetzen, einen neuen Haken an ein Stiff-Rig zu binden und fuhr den Köder erneut hinaus in die Nacht.
Ich war keine 10 Minuten wieder am Ufer, da lief die eben ausgelegte Rute auch schon ab. Ich nahm die Rute auf, bemerkte den Fisch auf der anderen Seite und drillte ihn heran. Das gelang anfangs recht gut, weshalb ich direkt verkündete "Wieder ein Satzer".
Irgendwann war mir dem randrillen dann aber Schluss und der Fisch fing an quer zu schwimmen, direkt auf einige ins Wasser ragende Büsche zu. Ich hatte keinen guten Winkel um Druck auf den Fisch auszuüben und konnte ihn nur sehr schlecht halten.
Dann passierte es, und die Schnur verfing sich in den Büschen. Schnell ging ich im Wasser mit der Kopflampe bewaffnet an der Uferkante entlang und versuchte die Schnur freizubekommen. Und tatsächlich, schnell hatte ich die Schnur frei und konnte den Fisch wieder drillen.
Der Fisch nahm nun immerwieder ordentlich Schnur und schön langsam dämmerte mir schon, dass das wohl kein Satzer war.
Nach einigen Minuten konnte ich in der Ferne im Schein der Kopflampe dann erstmals den Fischkörper kurz sehen und war einigermaßen verwundet: Der Fisch war länglich!
Während der Fisch sich weiterhin stark in die Rute stellte waren wir uns schnell einig: Das kann eigentlich nur ein Graser sein.
Mein Angelkollege war so freundlich und holte schonmal den Kescher. Vom Keschern hielt der Graser allerdings nicht viel und zog wieder vehement in Richtung der im Wasser liegenden Büsche.
Ich versuchte so gut es ging dagegen zu halten, konnte den Fisch jedoch letztlich nicht davon abhalten erneut in das Hindernis zu fliehen. Und im Vergleich zum ersten Mal, bekam ich nun die Schnur auch nicht mehr aus dem Geäst heraus.
Schöner Mist! Zum Glück hatten wir das Schlauchboot griffbereit und ich verlagerte den Drill aufs Wasser. Von der Wasserseite aus, bekam ich die Schnur schnell wieder frei und nun drehte der Graser gänzlich durch.
Er zog in Richtung Seemitte hinaus, und ich hatte ihm nicht sehr viel entgegenzusetzen. Das kleine Boot zog er einfach hinter sich her wie einen Luftballon.
Nach etwa 10 Minuten rief mein Kumpel dann vom Ufer: "Jetzt zier dich doch nicht so und kescher den Fisch".
Haha, sehr witzig. Ich bekam den Fisch zwar immerwieder an die Oberfläche, doch das schmeckte ihm nicht und er tauchte ein ums andere mal wieder ab.
Irgendwann schwamm er mir dann durch meine zweite Rute und das Chaos war erst recht perfekt. Von der einen Seite zog der Fisch, auf der anderen Seite zog es Schnur von meiner zweiten Rute und es bildete sich ein schönes Knäuel aus Angelschnüren.
Mittendrin ich im 1,60er SChlauchboot mit einem Graser im Drill. Oh man... ich versuchte dennoch ruhig zu bleiben und überlegte was ich tun könnte. Denn nachdem ich nun tatsächlich schon eine halbe Stunde einen Graskarpfen drillte wollte ich ihn natürlich keinesfalls verlieren.
Ich hatte aber auch kein Messer o.ä. an Bord um das Schnurchaos irgendwie zu bändigen. Es blieb mir nichts anderes übrig als die Schnüre die mich im Drill behinderten durchzubeißen. Muss ein tolles Bild gewesen sein In der einen Hand die im Halbkreis gebogene 3,60m lange Rute und in der anderen einen üppigen Schnursalat den ich per "Abbiß" versuchte unter Kontrolle zu bringen.
Dennoch, ich blieb ruhig und versuchte alles zu sortieren und vor allem nicht die falsche Schnur durchzubeißen. :q
Irgendwann gelang mir das sogar und ich hatte wieder direkte Verbindung zum Fisch und konnte nebenbei sogar noch die Montage meiner zweiten Rute ins Boot holen.
Mittlerweile war ich mit dem Fisch schon über 40 Minuten zu Gange, und er zeigte immernoch keine Anzeichen von Müdigkeit.
Ewig das gleich Spiel, ich driltte ihn an die Oberfläche und er tauchte mit unglaublicher Kraft wieder ab.
Hätte ich den Fisch nicht schon mehrfach gesehen, ich hätte geschworen dass sich da ein mittlerer Wels den Boilie geschnappt hat.
Was ich da im Boot veranstaltete interessierte den Fisch nicht im Geringsten. Irgendwann war ich echt verzweifelt - ich konnte dem Fisch von dem kleinen Boot aus einfach nichts entgegensetzen und schaffte es schlicht nicht ihn ausdrillen.
Aber gut, was blieb mir anders übrig als es halt weiterhin zu versuchen. Und irgendwann wurde sein Aktionsradius dann ganz langsam aber sicher tatsächlich etwas geringer.
Dass sich Graser nicht gerne keschern lassen ist bekannt - bei mir kam jetzt noch hinzu, dass ich mit einer 3,60m Rute in der Hand in einem kleinen Auslegeboot saß, es sehr windig war und stockdunkel dazu.
Mir war also schon klar, dass das mit dem Keschern auch nochmal eine Herausforderung werden würde.
Ich entschied mich dann es nicht einfach blind zu versuchen, sondern wirklich zu warten bis der Fisch in einer guten Position war.
Da ich in einer Hand die Rute hatte, und in der anderen den Kescher waren meine Möglichkeiten das Boot zu steuern doch recht eingeschränkt. Nach einer gefühlten Ewigkeit und gefühlten weiteren 50 Fluchten des Fisches kam dann der Augenblick - und tatsächlich direkt auf den ersten Versuch konnte ich den Graser ins Netz holen!
Insgesamt war ich mit dem Fisch ca. 1 Stunde beschäftigt und war am Ende wirklich froh und glücklich den Fisch tatsächlich landen zu können.
Zwischenzeitlich hatte ich wirklich nicht mehr daran geglaubt.
Dass der Drill nicht nur mich und den Graser richtig "geschafft" hat, sondern auch meine Schnur am Ende war zeigt dann noch dieses Foto