Falsche Mittelverwendung und Selbstbedienungsladen der Verbände – die Vorbehalte gegen die Fischereiabgabe sind nicht neu. In einigen Bundesländern haben Angler nun Widerspruch eingelegt. Die Chancen, dass sie damit durchkommen, stehen nicht schlecht.

Hier im Board wird ja schon fleißig zur Fischereiabgabe in SH und zur Abgabe in NRW diskutiert. Für einen Artikel in der aktuellen RUTE&ROLLE habe ich zu dem Thema recherchiert. Den Text möchte ich Euch nicht vorenthalten, auch wenn er - ganz Internet-untauglich - recht lang ist:

Wir kennen das fast alle: Beim Verlängern des Fischereischeins zahlen wir zusätzlich zur Verwaltungsgebühr die sogenannte Fischereiabgabe. Bis auf Sachsen und Niedersachsen erheben alle Bundesländer diese Sondergebühr. Aber ist diese Abgabe überhaupt rechtens?

Kolja Kreder glaubt das nicht. Der 50-jährige Anwalt aus Nordrhein-Westfalen hat Widerspruch gegen die Zahlung eingelegt. Rechtlich handelt es sich um eine sogenannte „Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion“. Das Bundesverfassungsgericht hat die zwar grundsätzlich für rechtens erklärt, aber hohe Auflagen an eine Erhebung geknüpft. Die sind nach Kreders Ansicht zumindest in Nordrhein-Westfalen nicht erfüllt. Er kritisiert insbesondere folgende Punkte:

1. Die Abgabe wird von Angel- und Berufsfischern erhoben. Diese hätten aber gegenläufige Interessen und bildeten somit keine homogene Gruppe (Verletzung der Gruppenhomogenität)

2. Von den Mitteln profitieren vor allem Natur- und Artenschutzprojekte. Wanderfischprogramme oder Gewässermonitoring seien zwar wichtig, aber eben keine alleinige Aufgabe von Anglern und Fischern. Es gelte das Verursacherprinzip und Angler seien eben nicht für den Rückgang von etwa Lachsen verantwortlich. Vor diesem Hintergrund sei die Belastung einer einzelnen Gruppe unzulässig.
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Die Kosten unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Gezahlt wird aber fast überall

Rückenwind bekommt sein Anliegen von der Jagdseite. Im vergangenen Jahr klagten einige Weidmänner gegen die Jagdabgabe, die rechtlich genauso einzustufen sein dürfte wie die Fischereiabgabe. Das Oberverwaltungsgericht Münster äußerte während des Verfahrens Zweifel, dass die Abgabe verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Insbesondere wurde kritisiert, dass eine Wildforschungsstelle finanziert wird, die aber hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Somit fungiere die Abgabe wie eine Steuer, was sie aber ausdrücklich nicht ist. Zu einer rechtlichen Klärung kam es allerdings nicht, da die zuständigen Landkreise die Gebührenbescheide für Jagdabgabe aufhoben. Die einzelnen Jäger mussten nicht zahlen. Aber es war klar, dass etwas passieren musste. Inzwischen ist ein Gesetz beschlossen, dass die Abschaffung der Jagdabgabe festlegt.

Eine Blaupause für die Fischereiabgabe? Zumindest dürfte es schwer sein, vor diesem Hintergrund an der Fischereiabgabe in NRW festzuhalten. Kolja Kreder ist entschlossen, notfalls auch vor Gericht zu ziehen und einen Präzedenzfall zu schaffen.

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Kolja Kreder ist vielen Boardies ja bestens bekannt. Er ist nicht grundsätzlich gegen die Abgabe, kritisiert aber die Vergabepraxis sowie die Mittelverwendung


Aber nicht nur im Westen ist die Sondergebühr unter Druck. Auch in Schleswig-Holstein liegen Widersprüche gegen die Fischereiabgabe vor. In Sachsen wird sie bereits seit 2012 nicht mehr erhoben, in Niedersachsen gab es sie noch nie. Fällt die Fischereiabgabe also bundesweit? Möglich, aber so schnell geht es wohl nicht. Die Erhebung ist Ländersache und die Vergabe unterschiedlich geregelt – willkommen im Föderalismus! Solange kein Urteil eines Bundesgerichts vorliegt, das die Abgabe grundsätzlich als nicht rechtens erklärt, muss also in jedem einzelnen Land bei einem Widerspruch entschieden werden. Lars Wernicke, der Initiator der Initiative „Anglerdemo“ in Schleswig-Holstein, will genau wie Kolja Kreder den Klageweg beschreiten. Beide betonen, dass sie nicht grundsätzlich gegen die Abgabe seien. „Die soll dann aber bitte ausschließlich im Interesse der Angler eingesetzt werden.“, sagt Kreder.

Was ist sinnvoll?

Was aber liegt im Interesse der Angler? Ist es wirklich so schlimm, dass mit den Geldern Umweltprogramme finanziert werden, auch wenn die Angler nicht unmittelbar profitieren? Wird so nicht das Bild des egoistischen Naturnutzers bedient, der nur ernten, nicht aber hegen möchte? Das Wanderfischprogramm am Rhein ist in erster Linie auf den Lachs sowie Meerforelle ausgerichtet, die ganzjährig geschont sind. Ob sie in absehbarer Zeit befischt werden dürfen, ist äußerst fraglich. Auch in Brandenburg und anderen Ländern gibt es ähnliche Projekte. Die Gelder fließen sowohl in Besatzmaßnahmen als auch in Biotopverbesserungen und Renaturierung. Andreas Koppetzki ist Geschäftsführer des Landesanglerverbands Brandenburg. Er warnt vor einer allzu kleinlichen Denkweise. „Erstens dokumentieren wir Angler mit solchen Projekten, dass wir etwas für die Allgemeinheit tun. Es ist unstrittig, dass wir damit unser Ansehen in der Gesellschaft erhöhen. Außerdem profitieren auch andere, angelbare Fische von diesen Maßnahmen.“ Man brauche halt immer eine Indikatorart, die öffentlichkeitswirksam sei. Das Argument, dass diese Projekte durch Steuermittel finanziert werden müssten, gäbe es die Fischereiabgabe nicht, hält er für nicht schlagkräftig. „Es ist zwar theoretisch richtig, dass der Gesetzgeber durch die Wasserrahmenrichtlinie dazu verpflichtet ist. Aber mit der Umsetzung hinkt er jetzt schon hinterher. Wann wirklich etwas passiert, steht in den Sternen. Wir müssen aber jetzt handeln, denn irgendwann ist es für einige Arten zu spät.“

Gerechte Verteilung?

Es liegt in der Natur der Sache, dass es über die Mittelverwendung Auseinandersetzungen gibt. Zu sehr gehen die Meinungen auseinander, zu groß sind die Summen, die im Spiel sind. Schaut man sich die Fördervergabe etwas genauer an, kommen allerdings schnell Zweifel auf, ob wirklich alle Projekte im Sinne der Angler sind. So wurde in Schleswig-Holstein der Verband für Binnenfischer und Teichwirte mit gut einer halben Million gefördert, unter anderem für die Anschaffung eines Pick Up. Die Summe entspricht immerhin gut 25 Prozent der gesamten Mittel, während die Berufsfischer aber nur etwa 0,9 Prozent der Mittel aufbringen (Schätzung Anglerdemo). In anderen Bundesländern, in denen es weniger Erwerbsfischer als im Küstenland Schleswig-Holstein gibt, dürfte der Anteil sogar noch deutlich geringer ausfallen. In Brandenburg werden Fischereibetriebe für den Fang und die Entsorgung „unerwünschter Fischarten“ gefördert. Auch der Landesfischereiverband erhält eine „Verbandsförderung“. Natürlich kann man argumentieren, dass auch diese Verbände sich für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen einsetzen und Angler und Fischer in einem Boot sitzen. Angesichts der hohen Summen darf allerdings schon gefragt werden, ob ein solcher Mitteltransfer von Anglern zu Berufsfischern im Sinne der Abgabe ist.

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Lachskartierung an der Stepenitz in Brandenburg. Wäre das Aus der Fischereiabgabe auch das Aus für viele sinnvolle Projekte?

Nach Auffassung Kreders profitieren aber auch die Anglerverbände unverhältnismäßig: „Derzeit fließen in NRW etwa 90 Prozent der Mittel an die Anglerverbände, die aber nur rund 20 Prozent der Angler vertreten.“ Dies liegt einerseits daran, dass die Verbände die notwendigen Strukturen haben, um so große Vorhaben mitsamt der damit verbundenen Verwaltung zu stemmen. Die Förderung erfolgt stets projektbezogen. Außerdem können sie den notwendigen Eigenanteil aufbringen, denn die Förderung erfolgt nur prozentual. Die Vergabe ist – wie könnte es anders sein – wiederum in jedem Bundesland etwas anders gestaltet. In der Regel können aber Anträge gestellt werden, über die in einem sogenannten Fischereibeirat beraten wird. Dieser setzt sich aus Vertretern der verschiedenen Interessengruppen von Naturschützern über Berufsfischer und Angler bis hin zu Wasser- und Forstbehörden zusammen. Der Rat spricht Empfehlungen aus, die letzte Entscheidung obliegt der Behörde.

Kolja Kreders Widerspruch wurde abgelehnt, dagegen hat er nun Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingelegt. Wenn nun wie bei den Jägern die zuständige Behörde einfach den Gebührenbescheid zurücknimmt? Er geht fest davon aus, dass die Fischereiabgabe dann nicht mehr zu halten ist: „Der politische Druck wird so groß, dass die Politik wie bei den Jägern handeln muss. Denn darauf können sich dann alle Angler in NRW beziehen und es droht eine Klagewelle.“
 
Das ist so nicht richtig! Es werden auch Seen besetzt, zum Beispiel der Schaalsee. ....

Ja, habe ich doch geschrieben...., alle offenen Gewässer.

Der Schaalsee hat eine Verbindung zu vielen anderen Gewässern, über den Schaalsee-Kanal und die Schale z.B. zum Ratzeburger See, der wiederum die Wakenitz und die wiederum über die Trave zur Ostsee.

Die Eigenleistung muss zudem nicht finanzieller Art sein, sondern kann auch Arbeitsleistung sein und wird dann mit 10.- Euro/ Stunde abgerechnet.. ....

Ja, richtig, wären in meinem Beispiel von 25.000,-€ Eigenanteil dann eben 2500 Arbeitsstunden, was einem Volltzeitjob nahe kommt..., aber geht, da hast Du recht.;)

Und wenn ich in Bezug auf "Vorleistungen", grundsätzlich schreibe, gibt es selbstverständlich die Möglichkeit das sofort zu bekommen... Bei Quappenbesatz, Meerforellenbesatz, Lachsbesatz und Aalbesatz war es bisher allerdings nicht so, dass man das Geld vorab bekommen hat. Sind meine selbst gemachten realen Erfahrungen, wenn du andere selbstgemachte Erfahrungen hast freut es mich für Dich.
 
Wie bitte? - Ok, es hätte Charm, wenn ich darüber entscheiden dürfte, wie viel Kindergeld ich vom Staat bekomme. Jetzt im Ernst. Wenn der Zuwendungsempfänger faktisch über die Vergabe der Zuwendung entscheidet, dann hat das mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun. Genau dies ist doch der Grund, warum nahezu die gesamte FA in den Taschen der drei Verbänden in NRW landet. Und ich will beim besten willen nicht, dass der potenzielle Zuwendungsempfänger über die Zuwendung entscheidet.

Die Richtlinie für die Vergabe halte ich für rechtswidrig. Dabei brauche ich eigentlich nur auf den Hinweis des OVG Münster zu der Jagdabgabe zu verweisen.

Sorry, wo lebst DU?

In jedem Bundesland gibt es Gremien, die entscheiden über die Vergabe von finanziellen Mittel. In Sachsen z.B. ein Naturschutzbeirat, der entscheidet welcher Verband wieviel Gelder im Jahr bekommt. Na und wer sitz in diesen Beirat drin? Genau die anerkannten Naturschutzverbände von Sachsen. Auch wir Angler übrigens.

Und oft, sehr oft, sitzen dort Interessenvertreter mit in Gremien, die am Ende mit von der Zuwendung profitieren. Soll ich Dir dafür wirklich Beispiele bringen müssen aus der aktuellen Politik? >Aus den Gesundheitswesen? Aus der Landwirtschaft? Aus der Automobileindustrie? Wie war das letztens mit dem Thema Diesel? Wer saß da mit drin in den entscheidenden Fachkommissionen?

Mit dem Kindergeld liegt, Du fast richtig, die Länder entscheiden mit dem Bundesrat letztendlich wie viel Kindergeld es gibt. Und wer zahlt das Kindergeld letztendlich aus? Sie entscheiden wie viel sie Dir geben. Interessenkonflikt?
Z.B: Wenn es am Ende um neue Honorarrichtlinien für Anwälte geht, würde ich mich sehr wundern, wenn da der Bundesverband der Anwälte im Vorfeld nicht mit drin im Boot ist.
 
Die Klagen sind bereits eingereicht und zwar für NRW und für SH.

Die Anträge sind derart komplex, dass ein einfacher Vereinsvorstand nicht in der Lage ist, diesen zu stellen. Zudem ist damit nicht gesagt, dass der Antrag bewilligt wird, denn hierüber berät der Beirat, der mehrheitlich aus den LVs besteht. Was meinst du, wie wahrscheinlich es da ist, dass Der Beirat eine Zuwendung an einen Verein, der in keinem der LVs ist beschließt und vorschlägt? Dein Ansatz scheint mir sehr blauäugig, um nicht naiv zu sagen.

Na wer soll den sonst darüber entscheiden? Der örtliche Taubenzüchterverband? Dazu ist ein Beirat da. Dort werden logischerweise Personen aus dem Umfeld der Angler berufen. Und ich würde als Behörde auch die Leute vom Landesverband ins Boot holen.
 
Ergänzung: Es ist aber in jedem Bundesland anders, was es so umständlich und kompliziert macht. Die Grundlogik ist meines Wissen überall in etwa gleich, der Teufel liegt aber im Detal (wer entscheidet, gibt es einen zwingend vorgeschriebenen Eigenanteil, wer genau darf Anträge stellen, etc.).

Ich könnte Dich aufklären. Immerhin hab ich den Kram über mehr als 10 Jahre an der FH gelehrt ( Gesamtvolumen 80 Vorlesungsstunden, für Leute mit rechtlichen Vorkenntnissen), sitze in einer Kommission zur Überarbeitung des Zuwendungsrechtes und hab als Anwender zig Millionen Euronen im Förderbereich umgedreht. Allein in den beiden Kultureinrichtungen, mit denen ich besonders verbunden bin, geht's per anno um roundabout 4 Mio Euro an Zuwendungen/ sonstigen Förderungen...
Insoweit ist es schon interessant, hier mitzulesen.
Wie gesagt, Zuwendungsrecht ist ne lustige und irgendwie auch sehr spezielle Materie. Die einem enorme Gestaltungsmöglichkeiten gibt, wenn man Plan hat.
 
Ist eine Abgabe oder Steuer erst Mal da, wird sie selten abgeschafft. Wenn überhaupt, dann werden die Mittel anders verwendet. Mein Lieblingsbeispiel ist die Sekt oder Schaumweinsteuer.
 
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