Hallo,
habe in einem anderen Forum folgenden Bericht gefunden, der mich sehr interessierte. Habe den Einsteller um Erlaubnis gebeten, diese Artikel hier veröffentlichen zu dürfen. Die Erlaubnis habe ich bekommen, mit dem Hinweis auf die Fremdquelle "Fisch und Fang".
Diese Artikel stammen also irgendwo aus dem "Fisch und Fang" und behandeln den Einfluss der Fischerei auf das Erbgut und räumt mit der allg. These auf, dass kapitale Räuber entfernt werden sollen.
Wenn damit gegen Urheberrechte verstoßen wird, bitte ich die Mods, diesen Beitrag zu löschen.
1.Artikel:
Fischerei greift ins Erbgut ein
Selektive Jagd auf Fische als Evolutionsfaktor
Berlin (pte/23.11.2007/13:55) - Ein internationales Wissenschaftsteam hat entdeckt, dass die selektive Fischerei ein Evolutionsfaktor bei stark befischten Fischarten ist. Dieser Evolutionsfaktor ist stärker und wirkt schneller als bisher gedacht, berichten die Forscher im Wissenschaftsmagazin Science. Dadurch drohen der Fischereiwirtschaft erhebliche Schäden, wenn zum Beispiel Fische, die die Fischerei überleben, genetisch bedingt früher geschlechtsreif werden und als Folge der früher in die Fortpflanzung investierten Energie insgesamt kleiner bleiben.
Die Konsequenzen der Fischerei-induzierten Evolution könnten auch aus biologischer Sicht relevant sein, weil sich durch die Veränderung der Körpergröße beispielsweise Nahrungsnetzbeziehungen und andere ökologische Prozesse ändern könnten, schreiben die Forscher. "Wir brauchen einen evolutionsbiologischen Ansatz für das Fischerei-Management", so Studien-Koautor Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) http://www.adaptfish.igb-berlin.de, gegenüber pressetext. Dies könne man etwa durch die Entwicklung weniger selektiver Fanggeräte, die Errichtung mariner Schutzzonen oder andere Fischschonbestimmungen möglich machen. "Das Wichtigste dabei ist allerdings, dass man vorher wissenschaftlich evaluiert, was man tut", erklärt der Forscher. "Die wesentliche Frage ist nicht, ob Fischereidruck die Evolution der Arten beeinflusst, sondern wie schnell." Man müsse nämlich auch damit rechnen, dass solche Fischerei-induzierte genetische Veränderungen womöglich unumkehrbar sind.
"Die Art und Weise, wie heute befischt wird, ist vergleichbar mit einer Zucht durch Auslese. Allerdings mit unbeabsichtigten Züchtungsergebnissen", erklärt Arlinghaus. Die kommerzielle Fischerei sei für viele Spezies weltweit die Todesursache Nummer eins geworden. "Teilweise übersteigt die Sterblichkeitsrate durch Fang die natürliche Sterblichkeit um das Vierfache. Die Folge davon ist, dass Fische schneller geschlechtsreif werden, mehr Energie in die Reproduktion investieren, im Mittel kleiner bleiben und physiologische und verhaltensbasierte Änderungen zeigen." Durch die Evolution steige auch der Anteil der "scheuen", sich eher dem Fischfang entziehenden Fische, mit ungeahnten Konsequenzen für die natürliche Reproduktion und das Anglerglück.
"Es ist nicht vollständig geklärt, ob diese Anpassungen genetisch bedingt oder alleine ein Ausdruck der Veränderung von Nahrungs- und anderen Umweltbedingungen sind. Die Fischerei-induzierte Evolution gilt aber in vielen Fällen als die plausibelste Erklärung der beobachteten Veränderungen", erklärt der Wissenschaftler. Das bedeute, dass es sich nicht nur um ein interessantes wissenschaftliches Phänomen handle, sondern um eine ernstzunehmende Bedrohung für die Fischbestände und die Fischereiwirtschaft.
Die Wissenschaftler sehen die einzige Lösung darin, das Management der globalen Fischbestände nach einem evolutionsbiologischen Ansatz aufzubauen. "Das würde zunächst einmal helfen, besonders empfindliche Bestände zu identifizieren", erklärt Arlinghaus. Es sei klar, dass die globalen Fischbestände am Limit sind. Ein Drittel der Bestände gelte als kritisch. "Die Überkapitalisierung der Fischerei hat daran Mitschuld. Besonders kritisch sind die Bestände der Raubfische wie Tun und Dorsch." Jene Arten, die geringe Reproduktionsraten und späte Geschlechtsreife haben, wären besonders betroffen.
Es sei wichtig festzustellen, welche Veränderungen der Fischereidruck genau hervorrufe und welchen Einfluss sie auf den Wert der Fischbestände für die Fischereiwirtschaft und auch die hobbymäßige Angelfischerei haben. "Mittels populationsdynamischer Modelle könnte man dann Szenarien berechnen, mit welchen Managementinstrumenten der Fischerei-induzierten Evolution Einhalt geboten werden könnte", erklärt der Forscher. Das wiederum könne dazu beitragen, die Fischbestände so zu verwalten, dass sie langfristig mit hohem Ertrag für den Menschen genutzt werden können.
"Derzeit sei es so, dass gerade jene Individuen, die die natürlichen Gefahren schadlos überstanden haben und als Folge groß und fruchtbar geworden sind, am Haken oder im Fischernetz landen", erklärt Arlinghaus. Das habe schwer prognostizierbare Konsequenzen für die langfristige Entwicklung und den Erhalt natürlicher Fischbestände. "Momentan heißt es in vielen befischten Beständen nicht 'die von Natur aus Fittesten leben länger', sondern ,die Fittesten sterben eher", meint der Forscher abschließend. (Ende)
2.Artikel:
Vom Schädling zum Schützling
Müssen Deutschlands Angler umdenken? Traditionell galten große Hechte als Fischereischädlinge, die es kurz zu halten galt. Heute sind sie die liebsten Schützlinge vieler Fischereibiologen.
Henning Stühring
"Der unterschätzte Angler" von Dr. Robert Arlinghaus räumt mit Vorurteilen auf.
Das jedenfalls besagt das neue Buch von Dr. Robert Arlinghaus. Zur Debatte steht immerhin die traditionelle Form der Gewässerbewirtschaftung.
Neueste Studien aus der Wissenschaft sowie international gültige Übereinkommen (wie etwa das zum Schutz biologischer Vielfalt der Vereinten Nationen) lassen die bisherige Praxis recht fraglich erscheinen. Vielerorts wird Fischbesatz schon jetzt vehement kritisiert, und diese Tendenz wird sich langfristig weiter verstärken. So steht der Besatz im Verdacht, die Erbanlagen des Fischbestandes (Genpool) zu verändern, wenn die Besatzfische nicht von Elterntieren aus dem jeweiligen Gewässers abstammen - polnische Zander nach Baden-Württemberg zu importieren und dort zu besetzen, ist keine gute fischereiliche Praxis.
Fischbesatz nicht immer sinnvoll
Grundsätzlich widersprechen sich Naturschutz und Angelei selbstverständlich nicht. Unbestritten bleiben die vielen erfolgreichen Bemühungen der Angler um Fisch- und Gewässerschutz. Und natürlich wird der Besatz eine wesentliche Hegemaßnahme in künstlichen oder unveränderlich gestörten Gewässern bleiben. Aber was ist mit Natur belassenen Revieren, in denen sich die Fische noch natürlich reproduzieren? Wie können wir uns hier zukünftig gute Fischbestände und Angelmöglichkeiten auch ohne zusätzlichen Besatz erhalten?
Traditionell orientieren sich Vereine und Gewässerwarte bislang an den Richtlinien der Teichwirtschaft. Der Teichwirt (oder der Berufsfischer) ist naturgemäß an einem möglichst hohen Gesamtertrag interessiert. Diese sogenannte „Produktivitäts-Maximierung“ erreicht er in der Regel über eine Verjüngung des Fischbestands, sprich durch eine Population kleinerer, schnellwüchsiger „Portionsfische“. Große und alte Fische gelten seit jeher als Fischereischädlinge wie etwa der sprichwörtliche (kapitale) Hecht im Karpfenteich. Für einen nennenswerten Gewichtszuwachs müsste der Kapitale weit mehr Nahrung vertilgen als seine jüngeren Artgenossen. Seit jeher versucht man daher, große und alte Fische auch in Angelgewässern möglichst kurz zu halten. Doch lassen sich die Anforderungen an ein intaktes, Natur belassenes Angelgewässer überhaupt mit denen der Berufsfischerei vergleichen? Eigentlich nicht.
Henning Stühring
Henning Stühring
Das Zurücksetzen von Großfischen ist sinnvoll: Sie legen die meisten Eier ab, haben die beste Laichqualität - und die Nachkommen erben das hervorragende Wachstumspotential.
Laicherfolg steigern
Zum einen unterscheiden sich Angler von der Berufsfischerei meist durch gänzlich abweichende Zielsetzungen: So kann für sie zum Beispiel der Fang besonders schwer zu überlistender Fischarten im Vordergrund stehen oder die Verwendung besonderer, spezialisierter Methoden in reizvoller Landschaft. Weiterhin erbeuten Angler meist lieber weniger, aber dafür größere Exemplare. Aus ihrer Sicht ist folglich die gern zitierte „Ausschöpfung des maximalen Ertragspotentials“ höchstens von untergeordneter Bedeutung.
Zum anderen unterliegen angelfischereiliche Bewirtschaftsformen etwas strengeren Umweltauflagen als die der erwerbsmäßigen Binnenfischerei oder der Teichwirtschaft. So lassen sich die Fischbestände heute nicht mehr durch das angebliche Allheilmittel „Besatz“ beliebig den Erwartungen der Angler anpassen. Anstelle der vielerorts üblichen Lkw-Ladungen voller Satzfische werden viele Gewässer künftig ohne Besatz auskommen müssen. Mit anderen Worten: Angler bleiben gänzlich auf den Laicherfolg der vorhandenen Fische angewiesen. Zu den vorrangigsten Aufgaben wird daher langfristig die Verbesserung der natürlichen Reproduktion zählen, wobei die Einrichtung besonderer Laichgebiete nur ein Aspekt ist.
Henning Stühring
Henning Stühring
Das Konzept des inversen Zwischenschonmaßes. Durch Einführung einer Maximallänge für die Entnahme wird sicher gestellt, dass ein Teil der ökologisch wertvollen großen Laichfische erhalten bleibt.
Großfische haben bessere Laichqualität
Die klassische Fischereibiologie ging noch davon aus, dass der Laicherfolg neben dem immensen Einfluss zufälliger Umweltfaktoren (Temperatur, etc.) vor allem vom Gesamtgewicht („Biomasse“) des Fischbestandes abhängen würde, nicht aber vom jeweiligen Alter der Elterntiere. Wie man heute allerdings weiß, nimmt die Fruchtbarkeit der Fische mit dem Alter und der Größe exponentiell zu. Schon aufgrund ihres Volumens produzieren alte Laichfische weit mehr Eier als jüngere. Für viele Angelfische, zum Beispiel Hecht, Zander, Forelle, Barsch, wurde zudem nachgewiesen, dass auch die Qualität des Rogens mit der Größe des weiblichen Tieres zunimmt. Aus größeren Eiern schlüpfen größere Larven, die in der Regel bessere Überlebenschancen und manchmal auch größere Wachstumsraten besitzen.
Je schneller eine Fischlarve wächst, desto besser ist ihre Schwimmfähigkeit und desto eher entkommt sie Räubern oder kann selbst Beute erhaschen. Von entscheidender Bedeutung für den Laicherfolg von beangelten Beständen ist weiterhin eine naturnahe Alterspyramide des Bestandes, also kleine und große Laichfische. Abhängig von Wetter und Temperatur, laichen unterschiedlich große und alte Tiere meist zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Eine breite Altersstruktur der Elterntiere führt somit zu einer breiten Alterspanne der Brut. Dies ist insofern wichtig, als für das Überleben der Brut beispielsweise das Aufkommen von tierischem Plankton zeitlich mit dem Ende der Dottersackphase überlappen muss. Kurz gesagt bietet eine breite Altersstruktur der Laichfische den besten Schutz vor Laichausfällen unter variablen Umweltbedingungen, zum Beispiel bei plötzlichen Kälteeinbrüchen.
Ältere Individuen bieten darüber hinaus weitere positive Effekte: Bei Mangel an Futterfischen regulieren etwa große Hechte ihren Bestand durch Kannibalismus. Ein kapitaler Esox dezimiert Weißfische effektiver, weil er entsprechend seiner bevorzugten Beutegröße vernehmlich die „Mutterschiffe“ frisst. Bei Salmoniden wandern größere Individuen über längere Distanzen und können effektiv zum Gen-Fluss innerhalb der verschiedenen Unter-Populationen beitragen. Auch lernen Fische von erfahrenen, größeren und älteren Individuen, etwa in Bezug auf Unterstandssuche, Wanderung und Orientierung oder Ernährung, um nur einige weitere Aspekte anzureißen. Jedenfalls sollte wegen der mannigfaltigen ökologischen Auswirkungen, die alte und große Tiere auf die Regulation und Funktionalität eines Fischbestandes haben, gezielt über ihren Schutz nachgedacht werden.
Henning Stühring
Henning Stühring
Zurücksetzen von Kapitalen macht Sinn: Großfische sorgen für überlebensfähigeren Nachwuchs.
Kapitale erhalten
Wir müssen uns dringend von der überholten Vorstellung des „Fischereischädlings“ lösen; es stellt sich vielmehr die Frage, wie wir zumindest einen Teil des natürlichen Großfischbestandes im Gewässer erhalten können? Damit ist nicht gemeint, dass wir reine Großfischgewässer produzieren wollen. Auch ist nicht gemeint, dass überhaupt keine Kapitalen mehr entnommen werden sollen. Nein, es geht einfach darum zu begreifen, dass die großen Tiere zumindest teilweise erhalten werden müssen.
Das - im wahrsten Sinne des Wortes - „wahllose“ Abschlagen aller gefangenen Fische erleichtert die gebotene Hegepflicht keineswegs. Da Angler ähnlich wie Jäger eine besondere Pflicht zur Hege und Pflege ihrer Reviere besitzen, ist hier der Vergleich mit der Jagd angebracht: Kein Jäger schießt den starken Platzhirsch zuerst. Um seiner biologischen Funktion als Top-Räuber nachzukommen, selektiert er zunächst kleinere und schwächere Individuen aus. Außerdem entscheidet sich der Jäger vor dem Schuss. Ein Angler kann sich dagegen nie sicher sein, was anbeißen wird. Geschützte oder untermaßige Fische muss er ohnehin unversehrt zurücksetzen. Warum sollte dies nicht auch für besonders schützenswerte, große Exemplare gelten? Dies widerspricht keineswegs dem durch das Tierschutzgesetz vorgegebenen Gebot des Nahrungserwerbs durch die Angelei. Das Zurücksetzen fangreifer Fische steht immer dann rechtlich mit dem Tierschutzgesetz und den landesweiten Fischereigesetzen im Einklang, wenn der Bestand gestützt werden muss und das selektive, gezielte Zurücksetzen zum Erhalt des Fischbestands beiträgt.
Lösung: Zwischenschonmaß
Selektive Entnahme statt Entnahmegebot - das ist der Schlüssel! Die tragende Rolle erfahrener Laichfische für die Reproduktion von beangelten Flossenträgern ist unter vielen Fischereibiologen mittlerweile anerkannt. Diskutiert wird derzeit lediglich die Frage, wer geeignete Schonmaßnahmen durchführen kann? Einzelne Fachleute sprechen dem einzelnen Angler jegliche Entscheidungsbefugnis darüber ab, ob ein Fischbestand schützenswert ist oder nicht. Somit wird es dann Aufgabe des Fischereiberechtigten, zum Beispiel des Pächters, die Mindestmaße oder die Schonzeiten zu verschärfen oder andere Bestimmungen wie Zwischenschonmaße einzurichten. Grundsätzlich sollten alle Fische vor einer Entnahme mindestens zweimal die Gelegenheit zum Laichen erhalten. Idealerweise sollten zudem besonders wertvolle Laichtiere ganzjährig geschützt werden. Neben jeweils gewässerspezifisch angemessen hohen Mindestmaßen bieten sich zusätzliche Maximalmaße an. Eine Kopplung von Mindest- und Maximalmaß wird landläufig als inverses Zwischenschonmaß bezeichnet: In einem mittleren Längenfenster ist die Entnahme erlaubt, kleine und große Tiere müssen hingegen geschont werden. Selbstverständlich sollten Schonbestimmungen an die jeweilige Population und die betreffenden Gewässer angepasst werden. Ein Hechtrogner von 90 Zentimeter Länge gehört im Weißfisch übervölkerten und nahrungsarmen Moorsee sicher geschont. In der Ostsee dagegen wäre er eher ein Durchschnittsfisch und mit Sicherheit entnahmefähig.
Wulf Plickat, Autor
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Henning Stühring
Lese-Tipp: Der unterschätzte Angler
Henning Stühring
Wussten Sie, dass allein mit dem Hobby Angeln in Deutschland jährlich 5,2 Milliarden Euro umgesetzt werden? Wussten Sie, dass vom Hobby Angeln in Deutschland 52.000 Arbeitsplätze abhängen? Wussten Sie, dass Angler in Deutschland mehr Fische fangen als Berufsfischer? Ein Buch, das Freunde und Gegner des Angelns gleichermaßen aufklärt. Der gesellschaftliche Nutzen der Angelfischerei sowie mögliche negative ökologische Auswirkungen des Angelns auf Fisch und Gewässer werden leicht verständlich aufgezeigt.
habe in einem anderen Forum folgenden Bericht gefunden, der mich sehr interessierte. Habe den Einsteller um Erlaubnis gebeten, diese Artikel hier veröffentlichen zu dürfen. Die Erlaubnis habe ich bekommen, mit dem Hinweis auf die Fremdquelle "Fisch und Fang".
Diese Artikel stammen also irgendwo aus dem "Fisch und Fang" und behandeln den Einfluss der Fischerei auf das Erbgut und räumt mit der allg. These auf, dass kapitale Räuber entfernt werden sollen.
Wenn damit gegen Urheberrechte verstoßen wird, bitte ich die Mods, diesen Beitrag zu löschen.
1.Artikel:
Fischerei greift ins Erbgut ein
Selektive Jagd auf Fische als Evolutionsfaktor
Berlin (pte/23.11.2007/13:55) - Ein internationales Wissenschaftsteam hat entdeckt, dass die selektive Fischerei ein Evolutionsfaktor bei stark befischten Fischarten ist. Dieser Evolutionsfaktor ist stärker und wirkt schneller als bisher gedacht, berichten die Forscher im Wissenschaftsmagazin Science. Dadurch drohen der Fischereiwirtschaft erhebliche Schäden, wenn zum Beispiel Fische, die die Fischerei überleben, genetisch bedingt früher geschlechtsreif werden und als Folge der früher in die Fortpflanzung investierten Energie insgesamt kleiner bleiben.
Die Konsequenzen der Fischerei-induzierten Evolution könnten auch aus biologischer Sicht relevant sein, weil sich durch die Veränderung der Körpergröße beispielsweise Nahrungsnetzbeziehungen und andere ökologische Prozesse ändern könnten, schreiben die Forscher. "Wir brauchen einen evolutionsbiologischen Ansatz für das Fischerei-Management", so Studien-Koautor Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) http://www.adaptfish.igb-berlin.de, gegenüber pressetext. Dies könne man etwa durch die Entwicklung weniger selektiver Fanggeräte, die Errichtung mariner Schutzzonen oder andere Fischschonbestimmungen möglich machen. "Das Wichtigste dabei ist allerdings, dass man vorher wissenschaftlich evaluiert, was man tut", erklärt der Forscher. "Die wesentliche Frage ist nicht, ob Fischereidruck die Evolution der Arten beeinflusst, sondern wie schnell." Man müsse nämlich auch damit rechnen, dass solche Fischerei-induzierte genetische Veränderungen womöglich unumkehrbar sind.
"Die Art und Weise, wie heute befischt wird, ist vergleichbar mit einer Zucht durch Auslese. Allerdings mit unbeabsichtigten Züchtungsergebnissen", erklärt Arlinghaus. Die kommerzielle Fischerei sei für viele Spezies weltweit die Todesursache Nummer eins geworden. "Teilweise übersteigt die Sterblichkeitsrate durch Fang die natürliche Sterblichkeit um das Vierfache. Die Folge davon ist, dass Fische schneller geschlechtsreif werden, mehr Energie in die Reproduktion investieren, im Mittel kleiner bleiben und physiologische und verhaltensbasierte Änderungen zeigen." Durch die Evolution steige auch der Anteil der "scheuen", sich eher dem Fischfang entziehenden Fische, mit ungeahnten Konsequenzen für die natürliche Reproduktion und das Anglerglück.
"Es ist nicht vollständig geklärt, ob diese Anpassungen genetisch bedingt oder alleine ein Ausdruck der Veränderung von Nahrungs- und anderen Umweltbedingungen sind. Die Fischerei-induzierte Evolution gilt aber in vielen Fällen als die plausibelste Erklärung der beobachteten Veränderungen", erklärt der Wissenschaftler. Das bedeute, dass es sich nicht nur um ein interessantes wissenschaftliches Phänomen handle, sondern um eine ernstzunehmende Bedrohung für die Fischbestände und die Fischereiwirtschaft.
Die Wissenschaftler sehen die einzige Lösung darin, das Management der globalen Fischbestände nach einem evolutionsbiologischen Ansatz aufzubauen. "Das würde zunächst einmal helfen, besonders empfindliche Bestände zu identifizieren", erklärt Arlinghaus. Es sei klar, dass die globalen Fischbestände am Limit sind. Ein Drittel der Bestände gelte als kritisch. "Die Überkapitalisierung der Fischerei hat daran Mitschuld. Besonders kritisch sind die Bestände der Raubfische wie Tun und Dorsch." Jene Arten, die geringe Reproduktionsraten und späte Geschlechtsreife haben, wären besonders betroffen.
Es sei wichtig festzustellen, welche Veränderungen der Fischereidruck genau hervorrufe und welchen Einfluss sie auf den Wert der Fischbestände für die Fischereiwirtschaft und auch die hobbymäßige Angelfischerei haben. "Mittels populationsdynamischer Modelle könnte man dann Szenarien berechnen, mit welchen Managementinstrumenten der Fischerei-induzierten Evolution Einhalt geboten werden könnte", erklärt der Forscher. Das wiederum könne dazu beitragen, die Fischbestände so zu verwalten, dass sie langfristig mit hohem Ertrag für den Menschen genutzt werden können.
"Derzeit sei es so, dass gerade jene Individuen, die die natürlichen Gefahren schadlos überstanden haben und als Folge groß und fruchtbar geworden sind, am Haken oder im Fischernetz landen", erklärt Arlinghaus. Das habe schwer prognostizierbare Konsequenzen für die langfristige Entwicklung und den Erhalt natürlicher Fischbestände. "Momentan heißt es in vielen befischten Beständen nicht 'die von Natur aus Fittesten leben länger', sondern ,die Fittesten sterben eher", meint der Forscher abschließend. (Ende)
2.Artikel:
Vom Schädling zum Schützling
Müssen Deutschlands Angler umdenken? Traditionell galten große Hechte als Fischereischädlinge, die es kurz zu halten galt. Heute sind sie die liebsten Schützlinge vieler Fischereibiologen.
Henning Stühring
"Der unterschätzte Angler" von Dr. Robert Arlinghaus räumt mit Vorurteilen auf.
Das jedenfalls besagt das neue Buch von Dr. Robert Arlinghaus. Zur Debatte steht immerhin die traditionelle Form der Gewässerbewirtschaftung.
Neueste Studien aus der Wissenschaft sowie international gültige Übereinkommen (wie etwa das zum Schutz biologischer Vielfalt der Vereinten Nationen) lassen die bisherige Praxis recht fraglich erscheinen. Vielerorts wird Fischbesatz schon jetzt vehement kritisiert, und diese Tendenz wird sich langfristig weiter verstärken. So steht der Besatz im Verdacht, die Erbanlagen des Fischbestandes (Genpool) zu verändern, wenn die Besatzfische nicht von Elterntieren aus dem jeweiligen Gewässers abstammen - polnische Zander nach Baden-Württemberg zu importieren und dort zu besetzen, ist keine gute fischereiliche Praxis.
Fischbesatz nicht immer sinnvoll
Grundsätzlich widersprechen sich Naturschutz und Angelei selbstverständlich nicht. Unbestritten bleiben die vielen erfolgreichen Bemühungen der Angler um Fisch- und Gewässerschutz. Und natürlich wird der Besatz eine wesentliche Hegemaßnahme in künstlichen oder unveränderlich gestörten Gewässern bleiben. Aber was ist mit Natur belassenen Revieren, in denen sich die Fische noch natürlich reproduzieren? Wie können wir uns hier zukünftig gute Fischbestände und Angelmöglichkeiten auch ohne zusätzlichen Besatz erhalten?
Traditionell orientieren sich Vereine und Gewässerwarte bislang an den Richtlinien der Teichwirtschaft. Der Teichwirt (oder der Berufsfischer) ist naturgemäß an einem möglichst hohen Gesamtertrag interessiert. Diese sogenannte „Produktivitäts-Maximierung“ erreicht er in der Regel über eine Verjüngung des Fischbestands, sprich durch eine Population kleinerer, schnellwüchsiger „Portionsfische“. Große und alte Fische gelten seit jeher als Fischereischädlinge wie etwa der sprichwörtliche (kapitale) Hecht im Karpfenteich. Für einen nennenswerten Gewichtszuwachs müsste der Kapitale weit mehr Nahrung vertilgen als seine jüngeren Artgenossen. Seit jeher versucht man daher, große und alte Fische auch in Angelgewässern möglichst kurz zu halten. Doch lassen sich die Anforderungen an ein intaktes, Natur belassenes Angelgewässer überhaupt mit denen der Berufsfischerei vergleichen? Eigentlich nicht.
Henning Stühring
Henning Stühring
Das Zurücksetzen von Großfischen ist sinnvoll: Sie legen die meisten Eier ab, haben die beste Laichqualität - und die Nachkommen erben das hervorragende Wachstumspotential.
Laicherfolg steigern
Zum einen unterscheiden sich Angler von der Berufsfischerei meist durch gänzlich abweichende Zielsetzungen: So kann für sie zum Beispiel der Fang besonders schwer zu überlistender Fischarten im Vordergrund stehen oder die Verwendung besonderer, spezialisierter Methoden in reizvoller Landschaft. Weiterhin erbeuten Angler meist lieber weniger, aber dafür größere Exemplare. Aus ihrer Sicht ist folglich die gern zitierte „Ausschöpfung des maximalen Ertragspotentials“ höchstens von untergeordneter Bedeutung.
Zum anderen unterliegen angelfischereiliche Bewirtschaftsformen etwas strengeren Umweltauflagen als die der erwerbsmäßigen Binnenfischerei oder der Teichwirtschaft. So lassen sich die Fischbestände heute nicht mehr durch das angebliche Allheilmittel „Besatz“ beliebig den Erwartungen der Angler anpassen. Anstelle der vielerorts üblichen Lkw-Ladungen voller Satzfische werden viele Gewässer künftig ohne Besatz auskommen müssen. Mit anderen Worten: Angler bleiben gänzlich auf den Laicherfolg der vorhandenen Fische angewiesen. Zu den vorrangigsten Aufgaben wird daher langfristig die Verbesserung der natürlichen Reproduktion zählen, wobei die Einrichtung besonderer Laichgebiete nur ein Aspekt ist.
Henning Stühring
Henning Stühring
Das Konzept des inversen Zwischenschonmaßes. Durch Einführung einer Maximallänge für die Entnahme wird sicher gestellt, dass ein Teil der ökologisch wertvollen großen Laichfische erhalten bleibt.
Großfische haben bessere Laichqualität
Die klassische Fischereibiologie ging noch davon aus, dass der Laicherfolg neben dem immensen Einfluss zufälliger Umweltfaktoren (Temperatur, etc.) vor allem vom Gesamtgewicht („Biomasse“) des Fischbestandes abhängen würde, nicht aber vom jeweiligen Alter der Elterntiere. Wie man heute allerdings weiß, nimmt die Fruchtbarkeit der Fische mit dem Alter und der Größe exponentiell zu. Schon aufgrund ihres Volumens produzieren alte Laichfische weit mehr Eier als jüngere. Für viele Angelfische, zum Beispiel Hecht, Zander, Forelle, Barsch, wurde zudem nachgewiesen, dass auch die Qualität des Rogens mit der Größe des weiblichen Tieres zunimmt. Aus größeren Eiern schlüpfen größere Larven, die in der Regel bessere Überlebenschancen und manchmal auch größere Wachstumsraten besitzen.
Je schneller eine Fischlarve wächst, desto besser ist ihre Schwimmfähigkeit und desto eher entkommt sie Räubern oder kann selbst Beute erhaschen. Von entscheidender Bedeutung für den Laicherfolg von beangelten Beständen ist weiterhin eine naturnahe Alterspyramide des Bestandes, also kleine und große Laichfische. Abhängig von Wetter und Temperatur, laichen unterschiedlich große und alte Tiere meist zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Eine breite Altersstruktur der Elterntiere führt somit zu einer breiten Alterspanne der Brut. Dies ist insofern wichtig, als für das Überleben der Brut beispielsweise das Aufkommen von tierischem Plankton zeitlich mit dem Ende der Dottersackphase überlappen muss. Kurz gesagt bietet eine breite Altersstruktur der Laichfische den besten Schutz vor Laichausfällen unter variablen Umweltbedingungen, zum Beispiel bei plötzlichen Kälteeinbrüchen.
Ältere Individuen bieten darüber hinaus weitere positive Effekte: Bei Mangel an Futterfischen regulieren etwa große Hechte ihren Bestand durch Kannibalismus. Ein kapitaler Esox dezimiert Weißfische effektiver, weil er entsprechend seiner bevorzugten Beutegröße vernehmlich die „Mutterschiffe“ frisst. Bei Salmoniden wandern größere Individuen über längere Distanzen und können effektiv zum Gen-Fluss innerhalb der verschiedenen Unter-Populationen beitragen. Auch lernen Fische von erfahrenen, größeren und älteren Individuen, etwa in Bezug auf Unterstandssuche, Wanderung und Orientierung oder Ernährung, um nur einige weitere Aspekte anzureißen. Jedenfalls sollte wegen der mannigfaltigen ökologischen Auswirkungen, die alte und große Tiere auf die Regulation und Funktionalität eines Fischbestandes haben, gezielt über ihren Schutz nachgedacht werden.
Henning Stühring
Henning Stühring
Zurücksetzen von Kapitalen macht Sinn: Großfische sorgen für überlebensfähigeren Nachwuchs.
Kapitale erhalten
Wir müssen uns dringend von der überholten Vorstellung des „Fischereischädlings“ lösen; es stellt sich vielmehr die Frage, wie wir zumindest einen Teil des natürlichen Großfischbestandes im Gewässer erhalten können? Damit ist nicht gemeint, dass wir reine Großfischgewässer produzieren wollen. Auch ist nicht gemeint, dass überhaupt keine Kapitalen mehr entnommen werden sollen. Nein, es geht einfach darum zu begreifen, dass die großen Tiere zumindest teilweise erhalten werden müssen.
Das - im wahrsten Sinne des Wortes - „wahllose“ Abschlagen aller gefangenen Fische erleichtert die gebotene Hegepflicht keineswegs. Da Angler ähnlich wie Jäger eine besondere Pflicht zur Hege und Pflege ihrer Reviere besitzen, ist hier der Vergleich mit der Jagd angebracht: Kein Jäger schießt den starken Platzhirsch zuerst. Um seiner biologischen Funktion als Top-Räuber nachzukommen, selektiert er zunächst kleinere und schwächere Individuen aus. Außerdem entscheidet sich der Jäger vor dem Schuss. Ein Angler kann sich dagegen nie sicher sein, was anbeißen wird. Geschützte oder untermaßige Fische muss er ohnehin unversehrt zurücksetzen. Warum sollte dies nicht auch für besonders schützenswerte, große Exemplare gelten? Dies widerspricht keineswegs dem durch das Tierschutzgesetz vorgegebenen Gebot des Nahrungserwerbs durch die Angelei. Das Zurücksetzen fangreifer Fische steht immer dann rechtlich mit dem Tierschutzgesetz und den landesweiten Fischereigesetzen im Einklang, wenn der Bestand gestützt werden muss und das selektive, gezielte Zurücksetzen zum Erhalt des Fischbestands beiträgt.
Lösung: Zwischenschonmaß
Selektive Entnahme statt Entnahmegebot - das ist der Schlüssel! Die tragende Rolle erfahrener Laichfische für die Reproduktion von beangelten Flossenträgern ist unter vielen Fischereibiologen mittlerweile anerkannt. Diskutiert wird derzeit lediglich die Frage, wer geeignete Schonmaßnahmen durchführen kann? Einzelne Fachleute sprechen dem einzelnen Angler jegliche Entscheidungsbefugnis darüber ab, ob ein Fischbestand schützenswert ist oder nicht. Somit wird es dann Aufgabe des Fischereiberechtigten, zum Beispiel des Pächters, die Mindestmaße oder die Schonzeiten zu verschärfen oder andere Bestimmungen wie Zwischenschonmaße einzurichten. Grundsätzlich sollten alle Fische vor einer Entnahme mindestens zweimal die Gelegenheit zum Laichen erhalten. Idealerweise sollten zudem besonders wertvolle Laichtiere ganzjährig geschützt werden. Neben jeweils gewässerspezifisch angemessen hohen Mindestmaßen bieten sich zusätzliche Maximalmaße an. Eine Kopplung von Mindest- und Maximalmaß wird landläufig als inverses Zwischenschonmaß bezeichnet: In einem mittleren Längenfenster ist die Entnahme erlaubt, kleine und große Tiere müssen hingegen geschont werden. Selbstverständlich sollten Schonbestimmungen an die jeweilige Population und die betreffenden Gewässer angepasst werden. Ein Hechtrogner von 90 Zentimeter Länge gehört im Weißfisch übervölkerten und nahrungsarmen Moorsee sicher geschont. In der Ostsee dagegen wäre er eher ein Durchschnittsfisch und mit Sicherheit entnahmefähig.
Wulf Plickat, Autor
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Henning Stühring
Lese-Tipp: Der unterschätzte Angler
Henning Stühring
Wussten Sie, dass allein mit dem Hobby Angeln in Deutschland jährlich 5,2 Milliarden Euro umgesetzt werden? Wussten Sie, dass vom Hobby Angeln in Deutschland 52.000 Arbeitsplätze abhängen? Wussten Sie, dass Angler in Deutschland mehr Fische fangen als Berufsfischer? Ein Buch, das Freunde und Gegner des Angelns gleichermaßen aufklärt. Der gesellschaftliche Nutzen der Angelfischerei sowie mögliche negative ökologische Auswirkungen des Angelns auf Fisch und Gewässer werden leicht verständlich aufgezeigt.