AW: Fragen zum Hechtschleppen
Ich fische immer ( nicht nur beim schleppen ) so fein wie möglich. Aber auch immer so stark, wie nötig.
Und da wird hier bei manchem doch sehr blauäugig argumentiert. Ein paar Dinge stören mich erheblich.
Als erstes halte ich den puren Blick auf die Tragkraft für falsch. Je dünner eine Schnur ist,um so anfälliger ist sie bei Beschädigungen. Da werden durch einen winzigen Tacken aus 10 Kg ganz schnell mal zwei oder drei. Es ist mir absolut nicht klar, wieso eine 0,17er zu dick sein soll. Vor Einführung der Geflochtenen wurde mit 0,30er bis 0,40er monofilen geschleppt und gefangen. Heute eine 0,17er zu verwenden ist ein Quantensprung in Sachen feiner fischen. Da noch einen draufzusetzen macht für mich überhaupt keinen Sinn und steigert den Fangerfolg sicher nicht.
Weiter. Je feiner die Schnur um so feiner oder weicher muß die Rute sein. Je feiner oder weicher die Rute, um so länger dauert der Drill, abhängig vom Gewicht / Kampfkraft des Fisches. Ich will hier nicht den Moralapostel bezüglich des Umgangs mit Fischen spielen, aber man soll sich doch mal in einer ruhigen Minute hinsetzen und überlegen. Ein Fisch, der mit sehr leichtem Gerät sehr lange gedrillt wird, verausgabt sich bis ins Mark. Wer schon mal einen großen Hecht an feinem Barschzeug gehakt hat weiß, wie lange der Fisch nach dem Drill braucht um wieder ( augenscheinlich ) zu Kräften zu kommen. Ich hatte mal einen knapp 90er an der leichten Spinne. Nach langem Drill wurde er gar nicht erst aus dem Wasser geholt, sondern außenbords abgehakt und an der Schwanzwurzel gestützt. Es hat fast 10 Minuten gedauert, bis er sich aus eigener Kraft aus dem leichten Griff befreit hat. Ob er dann zu Boden gesunken und dort krepiert ist, oder sich vollständig erholt hat, weiß ich nicht. Wie jeder Organismus leidet auch der eines Fisches unter einer lang andauernden mittleren Belastung mehr als unter einer kurzen, heftigen. Man mache mal einen 100m Sprint mit höchstmöglichem Tempo und dann einen Dauerlauf von 5 Kilometern. Die Muskulatur sagt noch Tage später, welche Belastung stärker war. Und der Hecht ist ein perfekter Sprinter, aber ein miserabler Dauerläufer.
Matzes Erlebnis ist ein weiterer wichtiger Punkt bezüglich der Tragkraft. Was bei den ganzen Berechnungen und Bremseinstellungen immer wieder vergessen wird, ist der Trägheitsmoment. Eine Bremse, die z.B. auf 5 Kg Zug eingestellt wird, hat diese Kraft erst beim kontinuierlichen Abzug. Beim Biß treten für Sekundenbruchteile ganz andere Kräfte auf, die unter ungünstigen Bedingungen ein Mehrfaches der linearen Bremskraft betragen. Es muß erst einmal der Trägheitsmoment der Bremse überwunden werden. Und das ist um so kritischer, je stärker die Kraft in diesem Moment ist. Während bei einem sanften Biß noch alles in Ordnung ist, kann bei einem knallharten, wohlmöglich noch gegen die Schlepprichtung erfolgtem Angriff die Schnur in genau diesem Sekundenbruchteil reißen. Um so schlimmer, wenn der Biß ganz dicht am Boot kommt, da dann der Winkel der Rute und das damit verbundene abfedern ungünstiger ist.
Das Angeln mit unterdurchschnittlich feinem Zeug hat nur einen einzigen Grund. Nämlich den Drill interessanter zu gestalten und zu verlängern. Nix anderes.
Wer das für richtig hält und vor sich selbst vereinbaren kann, bitteschön, sein Bier.
Einem Einsteiger sollte man aber die faire Chance geben, sich selbst heranzutasten und bei einer Empfehlung sämtliche individuellen Vorlieben zurückstellen und sachlich auf die Gefahren und Möglichkeiten hinweisen. Und nach dem Motto " so stark wie nötig " darf es da zumindest am Anfang lieber ein bisschen mehr Reserve sein.