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Der Fischerort Gryllefjord liegt an der Westküste der Insel Senja

Gedankenversunken lausche ich dem Geräusch der kleinen Wellen, die in unregelmäßigen Abständen an die Bordwand des 19-Fuß-Alubootes plätschern. Wir – das sind Michael „Michel“ Simon und ich, Timo Keibel – genießen einige Kilometer vor der Küste Senjas die Ruhe des hohen Nordens und beobachten Schweinswale, die immer wieder neben uns Luft holen und in der Tiefe des Nordatlantiks verschwinden. Unsere Drift startete über einem 16-Meter-Unterwasserberg. Inzwischen zeigt das Echolot 140 Meter und ich schicke meinen Pilker erneut auf Tauchfahrt. Noch beim Ablassen fliegt die Schnur schneller als gewöhnlich von der Rolle. Ich schließe den Rollenbügel. Sofort kreischt die Bremse auf und rückt murrend Schnur raus. Plötzlich ist auch die Rute meines Mitanglers krumm und seine im Dauerton pfeifende Rolle deutet auf eine richtige Granate hin ...

Aller Anfang ist schwer
Dabei deutet zu Beginn unserer Tour nicht vieles auf solch ein Highlight hin. Wie eigentlich bei jeder meiner Touren nach Nordnorwegen erschwert uns ein kräftiger Wind die Angelei. Wir kommen mit den top ausgestatteten Alubooten zwar an die heißen Ecken, fliegen über diese jedoch nur so hinweg. Selbst mit Pilkergewichten von 500 Gramm bekommen wir keinen Grundkontakt. Zudem schaukeln uns die Wellen ziemlich durch. Daher suchen wir unser Glück im geschützten Fjordbereich. Die ersten Fische lassen nicht lange auf sich warten. Schellfische und Dorsche im Küchenformat schnappen sich die Köder.

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Auch mit Pollacks darf gerechnet werden

An einem 14-Meter-Unterwasserberg nördlich von Kjerringneset (69°19'3.5"N 16°53'56.4"E) verbringen wir den ersten Tag mit einer tollen Angelei auf Pollack. Neben den Bronzebarren sorgen makellos gefärbte Tangdorsche für Abwechslung.

Möwen und Makrelen

Bei herrlichem Sonnenschein verlassen wir den Hafen von Gryllefjord. Hier zwischen den hohen Bergen weht selten ein Lüftchen.

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Malerische Stimmung im Hafen

Daher heißt es raus zur Windkante und schauen, ob die Bedingungen passen. Wir legen den Hebel des Alubootes auf den Tisch: Das Kaasbøll 590 mit 80-PS-Außenborder kommt gut auf Touren. So motorisiert sind es knapp zehn Minuten bis zum Ausgang des geschützten Fjords. Auf halbem Weg stoppen wir allerdings. Mitten im Fjord sehe ich einen großen Vogelschwarm. „Lass uns da mal hin!“, sage ich zu Michel. Fix sind wir an besagter Stelle.

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Kräftige Makrelen sorgen für Abwechslung am Haken

Voller Aufregung stürzen unzählige Möwen wie Kamikaze-Flieger ins Wasser, um einen kleinen Beutefische zu ergattern, die von Makrelen an die Oberfläche gedrückt werden. Auch unsere Paternoster finden schnell Abnehmer – Full House! Mit richtig kampfstarken, dicken Mini-Thunen füllen wir die Bütt. „Das sind genug Köderfische für morgen“, meint Michel.

Das Rot der Tiefe
Tief hängen die Wolken und hüllen die Berggipfel in einen trüben Schleier. Ein fieser Nieselregel sorgt zusätzlich für echtes Schmuddelwetter. „Michel! Zack, fertig machen und raus auf See. Der Wind ist weg und die Vorhersage für den Tag sieht gut aus“, sage ich voller Vorfreude am Frühstückstisch. Dick eingepackt weht uns wenige Momente später der Fahrtwind um die Nase. Zwar erwartet uns an diesem Tag noch etwas Restdünung, trotzdem kommen wir an die guten Stellen.
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Starke Dorsche lauern an vielen Ecken im Revier

Am nördlichen Rande des Schärengebietes um die kleinen Inseln Holmenvær, Stabban und Skjolden (69°18'35.4"N 16°43'2.7"E) fangen wir etliche schöne Dorsche zwischen sechs und acht Kilo. Zum Gezeitenwechsel stellen die marmorierten Räuber allerdings das Fressen ein. Unser neuer Plan heißt: Rotbarsch. Die langen Vorfächer beködern wir mit Makrelenfetzen und schicken sie an steilen Kanten (69°17'20.1"N 16°40'11.5"E) in die Tiefe.

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Wer Rotbarsche möchte, muss die Fische in Tiefen über 100 Meter suchen

Am Grund in 180 Metern angekommen, ruckt es auch schon an Michels Rutenspitze. Ein Lumb schnappte zu. Auch ich bekomme rund 15 Meter über Grund einen Biss und warte auf weitere. Das Gezappel an der Rutenspitze ist sehr deutlich. Ich ziehe an und beginne mit dem Hochpumpen. Die Spannung steigt: Haben wir die ersehnten Rotbarsche gefunden? Ja, gleich drei Rote ploppen an der Oberfläche auf. Jetzt rappelt es in jeder Drift und die Bütt füllt sich schnell. Wir sind zufrieden und versuchen es in den letzten Stunden des Tages noch einmal auf Dorsch und hoffen auf Heilbutt.

Da bist Du platt

Das gesamte Gebiet vor Gryllefjord ist eine Top-Adresse für die großen Plattfische. Sie lauern an gleich mehreren Ecken: Sehr gute Stellen sind die sandigen Buchten Sandsvika oder Teistvika, wie uns Ferienhausbetreiber Fred Flakstad berichtet. Aber auch unweit des Hafens gehen regelmäßig schöne Butte an die Haken. Michel und ich probieren es immer wieder an den spannenden Offshore-Ecken. „Hier sieht es einfach perfekt aus“, sage ich zu Michel. Der stimmt mir zu und kurbelt erneut seinen großen Gummifisch langsam durch die Wassersäule. Ich probiere es mal mit Gummi, mal mit einem ganze Köhler am Schleppblei. Leider sind unsere Versuche nicht von Erfolg gekrönt.

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Unser Nachbar mit einem schönen Heilbutt

Im Hafen können wir uns vom Heilbutt-Potential des Reviers selbst überzeugen. Ein Ehepaar aus dem Nachbarhaus präsentiert im Hafen einen schönen Butt um die Metermarke. Petri!

Wahnsinn mit krummen Ruten

Wir sind jetzt schon begeistert von dem tollen Revier und der komfortablen Unterkunft. Passend dazu strahlt die Sonne vom Himmel und auch der Wind spielt mit. Auf der Suche nach Futterfisch steuern wir eine Unterwassererhebung mit einer Tiefe von 16 Metern an. Hier am Nøkkelbåen (69°24'39.1"N 16°49'30.4"E) geht die Post ab. Sehr kampfstarke Dorsche schnappen sich als erstes unsere Pilker. Da die Drift passt, fischen wir die Kante bis ins tiefe Wasser ab. Und hier passiert es!

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Der erste Köhler verfehlt die Metermarke nur knapp

Wie eingangs erwähnt, schlägt es nun gewaltig ein. Doppeldrill! Ich lande einen schönen Köhler in einer Länge von 99 Zentimetern. Michel dagegen hat eine richtige Maschine am Band. Nach rund 15 Minuten taucht schließlich eine dicke Köhler-Granate an der Oberfläche auf.

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Satte 1,17 Meter misst dieser Seelachs von Mitfahrer Michael Simon

Das Maßband bleibt bei 1,17 Meter stehen. Was für ein Riese! Wenige Driften später wird mein Köder schon beim Ablassen abgefangen.

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Wer Großköhler findet, bekommt krumme Ruten

Ich nehme Kontakt auf und stehe mit stark gekrümmter Rute an der Reling. Auch bei mir hängt ein Gigant vom Gryllefjord am Pilker.

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Eine echte Maschine landet an Deck

Nach hartem Kampf glückt die Landung. Ich fange eine Köhler-Maschine von 1,11 Meter und 27 Pfund. Wir sind uns einig: Besser wird der Tag nicht und legen Kurs Hafen an. Denn in den Abendstunden haben wir noch etwas Besonderes vor.

Zurücklehnen und Fische fangen
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Auch vom Fischkutter gibts krumme Ruten ...

Wir folgen der Einladung von Betreiber Fred. Auf einem Fischkutter geht’s mit ihm und seinem Sohn Trygve raus. Gäste in Kaikanten haben ebenfalls die Möglichkeit, so eine Ausfahrt zu buchen. Gerade für größere Gruppen lohnt sich eine Tour, um einen gemeinsamen Angeltag zu verbringen.

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... und schöne Dorsche landen an Deck

Die Skipper kennen die Topstellen im Revier. Auch bei schlechtem Wetter bietet der Kutter etwas mehr Schutz. Wir fangen an diesem Abend weitere schöne Dorsche und genießen einen malerischen Sonnenuntergang.

Die Vögel
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Möwen sorgten für einen unvergesslichen Moment der Tour

Am letzten Tag widmen wir uns noch einmal den Heilbutten und suchen größere Dorsche. Dieser Plan geht zwar nicht auf. Dennoch entschädigt uns eine kurzweilige Dorschangelei. Die Fische vor Senja stehen richtig gut im Futter und liefern fantastische Drills. Obendrein werden wir Zeuge eines einmaligen Naturschauspiels: Der größte Vogelschwarm unseres Lebens sorgt mit lautem Kreischen für einen weiteren unvergesslichen Moment in diesem einmaligen Revier im hohen Norden.

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Ein echtes Traumrevier auf Senja: Kaikanten in Gryllefjord

INFOS
Link zur Anlage Kaikanten in Gryllefjord

ANGLERBOARD TV
Seht den Clip zur Tour auf Anglerboard TV
 
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