Norwegen ist und bleibt für uns Angler DAS Land zum Meeresangeln. Jetzt in der kalten Jahreszeit geht’s an die Reiseplanung oder die Angeltouren sind bereits fest gebucht. Inzwischen gucke ich auf einige Norwegenreisen zurück und freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn der hohe Norden ruft. Gerne erinnere ich mich an eine Tour auf die Insel Grytøya im August 2016 zurück und möchte Euch von unserem Trip in das Revier rund um das kleine Ferienhaus in Grøtavær genauer berichten. Gemeinsam mit Michael „Michel“ Simon konnten ich eine Woche lang fischen, was das Zeug hält.
Die letzte Tour über den Polarkreis lag damals (2016) schon einige Jahre zurück und ich war heiß, wie Frittenfett. Einen Heilbutt konnte ich bis dato noch nicht fangen, aber das Revier um Grøtavær hat großes Potential, um Träume wahr werden zu lassen.
Vom Flughafen Harstad/Narvik geht es in einer knappen Autostunde Richtung Grytøya. Angekommen im Örtchen Grøtavær, begrüßen uns Noralf und seine Frau Maurid. Die beiden zeigen uns ihre gemütliche Rorbu, die mit einem malerischen Blick aufs Meer beeindruckt. Allerdings juckt es uns in den Fingern. Schnell sind die Ruten startklar. Von der Haustür geht’s direkt auf den Bootssteg, wo das 20-Fuß-Kaasbøll Boot mit satten 75 PS wartet.

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Die kleine Rorbu liegt unmittelbar am Wasser

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Blick auf die Unterkunft vom Wasser

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Das Boot lässt keine Wünsche offen


Zwischen den Sunden
Am ersten Morgen begrüßt uns ein frischer Wind mit fünf Beaufort aus Nordwest und bringt eine ordentliche Dünung mit sich. Im Toppsundet und im Kvernsundet entdecken wir dennoch heiße Ecken. Hier finden die Köder schnell Abnehmer und gute Dorsche bis zehn Kilo landen an Deck.

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Schöner Dorsch von Michel a.k.a. "Mr. Fishattacks"

Mit abnehmenden Wellen kommen wir Schritt für Schritt an die Offshore-Plätze. Begleitet von Schweinswalen und Seeadlern fahren wir am späten Abend zurück.

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Schweinswale waren unsere täglichen Begleiter

Rote bei Kaiserwetter
Die Sonne scheint, der Wind ist weg – heute kommen wir an die spannenden Stellen vor Grøtavær. Allerdings liegt die Driftgeschwindigkeit bei 0,0 Knoten. Das ist zwar zum gut zum Boot fahren, zum Fischen aber eher nachteilig. Für einige Stunden schleppen wir auf Heilbutt in den zahlreichen sandigen Buchten – nichts! Die ominösen Flachmänner wollen einfach nicht. Daher satteln wir um: Ein 90-Meter-Berg ist das nächste Ziel. Hier fangen wir die bislang größten Dorsche der Tour. Gummifische, Pilker oder ganze Köhler am System bringen Nordmeerleoparden von über 20 Pfund und der magischen Metermarke an Deck.

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Ein weiterer starker Dorsch

Für Abwechslung an den Haken sorgen Rotbarsche. Die unzähligen steilabfallenden Kanten bieten perfekte Lebensräume für die „Drachenköpfe“. Nachdem wir zwei Lumbs bei 190 Meter fangen, finden wir die roten Gesellen an einer 170-Meter-Kante. Innerhalb kürzester Zeit und einiger Driften später strahlt die Bütt rot. Rotbarsche bis über 50 Zentimeter versüßen nicht nur den Angeltag, sondern sorgen auch für einen leckeren Gaumenschmaus am Abend.

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Rotbarsche bissen auf Tiefen um 170 Metern

Nervensache Heilbutt
Auch Tag vier begrüßt uns mit bestem Wetter. Unser Zielfisch Nummer eins, der Heilbutt, bleibt uns aber auch an diesem Tag verwehrt. Bei null Drift schleppen wir wieder an zahlreichen Spots, in verschiedensten Tiefen und mit unterschiedlichen Ködern zwischen Brunøyfallet und Henriksbåen. Alleine ein paar zahnartige Bissspuren am Köderköhler sorgen für einen Hoffnungsschimmer.

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"War da was?", die Bissspuren sind nicht ganz eindeutig


Beim täglichen Einlaufen dauert es nicht lange, bis unser Vermieter Noralf zu einer kleinen Stippvisite herum kommt. Stets mit der Frage im Gepäck: „Have you caught a Halibut – habt Ihr einen Heilbutt gefangen?“ Für unsere Dorsche und Rotbarsche interessiert er sich nicht. Wir zweifeln langsam an uns. Was machen wir falsch? Die Dorsche beißen doch auch und die Lumbs zerhacken fröhlich unsere Gummis. Ich werde kurzerhand zu Ingen-Kveite-Keibel (Kein-Heilbutt-Keibel), Michael zu Brosmix (Brosme ist norwegisch für Lumb; in Anlehnung an seinen Spitznamen „Fangnix“ und den guten Lumbfängen). Heibuttangeln nagt an den Nerven…
Vorletzte Tag: Direkt nach dem Aufwachen schwirrt mir die „Kveite“ wieder im Kopf herum. Bisher sah ich diesen Fisch nur auf Bildern oder Videos. Irgendwo soll es sie geben, diese mystischen Fische. Na, da bin ich ja in Norwegen und seinen Trollen genau am richtigen Fleck, denke ich.
Das Wetter meint es gut mit uns: Sonne, Sonne und nochmals Sonne. Wir versuchen es einmal mehr mit Gummi- und Köderfischen in unterschiedliche Tiefen: nichts! Als kleinen Motivationsschub steuern wir wieder unseren 90-Meter-Berg Sørstø an. Ein paar Dorsche an der Rute tun sicherlich gut. „Michel“ (Michael) landet direkt einen guten Leoparden mit satten 26 Pfund und auch bei mir zieht es auf einmal mit ordentlich Power. Was sich da nach hartem Drill an der Oberfläche zeigt, kann sich mehr als sehen lassen: 122 Zentimeter und pralle 35 Pfund bedeuten neue Dorsch-Bestmarke für mich. Was für eine Granate! Genau die richtige Motivation für den letzten Tag.

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Toller Dorsch mit 1,22 Metern vom Sørstø

Flaches Ende
Letzter Tag in Grøtavær. Dass es die dicken Plattfische hier gibt, beweisen nicht zuletzt die Fangbilder von Noralf. Drei Schweden fingen kürzlich einen Butt mit 68 Kilo und das direkt im Sund vor der Haustür. Heute sind wir mit Andree Hörmann von Din Tur auf dem Kaasbøll unterwegs. Die erste Tageshälfte gestaltet sich schwierig – die Lumbs beißen immer und überall. Während Michel und Andree ihren Großgummis treubleiben, montiere ich einen ganzen Köhler am Schleppblei. Am Nachmittag brist es ein wenig auf, die Drift passt und leichte Wellen kräuseln die Oberfläche. „Jetzt kommt unsere Zeit!“, meint Andree. Eine 60- bis 80-Meter-Rinne vor der Insel Brosmeskjeret soll den gewünschten Erfolg bringen. Gerade belächle ich noch Andrees orangen Gummifisch, da ist seine Rute schon zum Halbkreis gebogen. Meterweise Schnur fliegen im Eiltempo von der Multirolle. „Das ist er! Und der fühlt sich gut an – sehr gut!“, sagt Andree. Wahnsinn, was für eine Power diese Fische haben. Doch plötzlich ist der Fisch weg: Schnurbruch! Mist!

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Weg ist er. So ein Mist!

Heilbutte haben kurze aktive Beißphasen, sodass die Köder wieder schnell ins Wasser sausen. „Jetzt holen wir uns noch einen!“, meint Michel. Kurz darauf spüre ich einen konstanten Zug an der Rute. Irgendetwas hält den Köhler am System fest. Ich schlage an – nichts. Lasse den Köder allerdings auf der Tiefe und merke, dass da noch etwas ist. Vorsichtig erhöhe ich den Druck, bis richtig Zug auf der Rute ist. Anschlag! Der Fisch hängt! Sofort verliere ich 30 Meter in der ersten Flucht. „Jetzt hast Du ihn“, freut sich Andree. Mit weichen Knien, zittrigen Händen und voller Adrenalin pumpe ich den Fisch an die Oberfläche. Tatsächlich: Heilbutt! Die Landung glückt. Der Zielfisch ist an Deck. JAWOLL! Mit 28 Pfund ist dieser Fisch zwar kein Gigant, für mich allerdings der Erste und daher ein Besonderer. Die Platte bildet den perfekten Abschluss einer wunderbaren Tour ins gigantische Grøtavær.

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Ein ganz besonderer Fisch: der erste Heilbutt

Drei Topstellen von Grøtavær
1. Nordstø und Sørstø
Diesen Platz sollte Ihr nur bei Topbedingungen anfahren. Große Dorsche, Köhler und teilweise Heilbutte jagen hier die Futterschwärme. Sucht die Kanten um 90 Meter gründlich ab. Teilweise stehen die Fische gesammelt an kleineren Spots.
2. Brynøybåan, Brunøyfallet und Henriksbåen
Heilbuttrevier! Über das gesamte Gebiet erstrecken sich zahlreiche sandige Plätze zwischen 10 und 50 Metern auf denen die großen Plattfische liegen. Zeitweise beißen auch gute Dorsche.
3. Djupråsbakken
Der Berg ist von tiefem Wasser bis 230 Meter umgeben. An den steil abfallenden Kanten um 170 Meter sind immer ein paar Rotbarsche unterwegs.

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Malerische Abendstimmung zum Ende der Tour
 
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