Große Tube-Fliegen: Erfahrungsbericht

Moin moin,

ich hatte vor kurzer Zeit hier im Board nach Erfahrungen mit den durch Niklaus Bauer vor allem auf Youtube bekannt gemachten Tube-Fliegen in seinem eigenen Stil gefragt und dort leider wenig Antworten bekommen. Scheinbar werden solche Fliegen hier im Board nur selten genutzt oder wenig drüber geschrieben. Daher habe ich mich dazu entschieden, die Fliegen nicht nur zu testen, sondern auch einen kurzen Erfahrungsbericht zu verfassen, den ich ggf. um weitere Erfahrungen ergänze. Aber auch ihr seid ganz explizit dazu eingeladen, eigene Erfahrungen dazu beizutragen.

Worum geht's?
Für alle, die sich jetzt fragen, wovon ich hier eigentlich schreibe: Bei den genannten Rigs und Fliegen handelt es sich um große Hechtfliegen, die auf Tubes („Tuben“) gebunden werden und in der Regel mit zwei Haken gefischt werden. Hinter den Haken befindet sich ein kleiner Snap, über den man verschiedene Twisterschwänze einhängen kann, um so eine große Fliege mit viel Druck und Bewegung im Wasser zu erhalten, was gerade große Hechte ansprechen soll, bei denen die unauffälligen schmalen klassischen Fliegen eher unbeliebt sein sollen. Wer gerne puristisch mit der Fliege angelt und für den die perfekte, formvollendete Präsentation alles ist, der ist hier falsch. Wer hingegen eine weitere Methode sucht, um dem Hecht auf die Schuppen zu rücken und wem das Fliegenwerfen und die langsame Präsentation (mit oft selbstgebauten Ködern) Spaß macht, der könnte hier Spaß haben.

Was ist meine Erfahrung?
Hier will ich ganz zu Anfang bereits die Katze aus dem Sack lassen. Auch wenn ich schon viele Hechte mit der Spinnrute gefangen habe, bin ich noch ein recht neuer Fliegenfischer. Die Versuche mit dem genannten Rig sind sogar meine ersten und bislang einzigen Versuche, dem Esox gezielt mit der Fliege nachzustellen. Dennoch maße ich mir an, aufgrund meiner Erfahrung als Spinnfischer auch Erfahrungen übertragen zu können und so insgesamt ein hoffentlich nachvollziehbares Fazit ziehen zu können. Neben dem Fliegenfischen habe ich dieses Jahr auch mit dem Fliegenbinden begonnen, wobei meine Erfahrungen von großen Hechtstreamern (bis 25cm) bis zu kleinen Tricos (bis Größe 22) reichen und so auch eine gewisse Palette abdecken.

Das Hakensystem
Das Hakensystem selbst ist recht einfach zu binden. Es wird hier vorgestellt und lässt sich wahlweise mit oder ohne Rassel binden, auch der zweite Haken ist optional. Das Binden selbst ist wirklich einfach. Ich habe mangels eigener Erfahrung einfach genau die Materialien aus dem Video genutzt und nur beim Garn stattdessen Veevus Power Thread in 140D verwendet. Das Knicken des Titans um das Hakenöhr ist zwar etwas fummelig, wenn man aber sauber bis zum Öhr das Titan runterbindet und dann dort nach dem Knicken ein paar stramme Wicklungen macht, geht das wirklich gut von der Hand. Die verwendeten Partridge-Haken sind super spitz, haben einen sehr kleinen Widerhaken und sind sehr dünndrätig.

Die Fliegen
Hier habe ich mich wenig an die im Netz vorhandenen Bindeanleitungen gehalten und stattdessen eigenen Fliegen kreiert. Dabei habe ich vor allem auf Body-Tubing gesetzt, um mit möglichst wenig Material eine breite Silouette zu erzeugen. Das Binden auf einem Röhrchen unterscheidet sich schon von einem Haken, geht aber mit etwas Übung gut von der Hand. Da ich nur einen normalen Bindestock besitze, habe ich eine Bauer Pike Needle verwendet. Diese erhitze ich an der Verdickung vor dem Aufschieben des Röhrchens, so sitzt dieses wirklich fest und man kann nach herzenslust Druck auf die Bindung ausüben. Die weiteren Materialien waren in der Regel Flash, Kunstfasern ("EP-Fiber"-Nachahmungen) und Nayat. Aber auch mit Federn habe ich etwas experimentiert.

Die Schwänze
Ich habe neben dem klassischen Twisterschwanz (tut exakt, was ein Twister auch tut) und den Dragon Tail (ein vielfach geteilter Twisterschwanz) auch Wavetails (einfache gerade Schwänze) getestet. Die Montage ist ebenfalls einfach. Statt die teuren Snaps von Bauer selbst verwende ich billigste große „Fly Snaps“ aus China. Die sollen angeblich zum Anklipsen der Fliegen sein, machen aber keinen stabilen Eindruck. Für nichtbelastete Twisterschwänze sind die aber ideal. Der Wert pro Teil dürfte im unteren Centbereich liegen. Das Anbinden ist etwas hakelig, da man recht große Materialmengen auf breitem Raum einbinden muss, geht aber mit nur ein wenig Übung sehr gut von der Hand. Nach mehreren Versuchen brauche ich für einen Schwanz nur wenige Sekunden. Wirklich positiv überrascht haben mich dabei die unscheinbaren Wavetails. Beim einstrippen schlängeln diese sehr aktiv und das gefiel den Hechten sehr gut. Dort konnte ich mehr und brachialere Attacken verzeichnen als auf die Twister. Aber das sollte jeder selbst ausprobieren und an sein Gewässer anpassen. Ein weiterer Vorteil: der Luftwiderstand ist sehr gering und bei viel Wind sind die eine super Alternative zu den großen Twistern.

Gerät und sonstiges
Ich habe für meine Erfahrungen ausschließlich eine 9er Fliegenrute mit einer entsprechenden Hechtschnur mit kurzer Keule verwendet. Vorfach war ein Vision Pike Wire in 35lb + etwa 1,5m 45er Fluorocarbon.

Die Erfahrungen
So, kommen wir zum spannenden Teil. Was sind denn nun meine Erfahrungen?
Ich möchte mit dem Negativen beginnen.
Das Köderwechseln nervt. Komplettes Stahlvorfach ausschlaufen. Fliege vom Vorfach ziehen, was oft schwerer war als gedacht: Gerade dünne Algen können die Fasern der Fliege ziemlich fies an den Hakenschenkel kleben. Neue Fliege aufziehen, alles einfachlaufen, weiter gehts. Das dauert erheblich länger als der übliche Köderwechsel.
Das Verstauen der Haken nervt ebenfalls. Stahlvorfächer und Fliegen kann man normal schön getrennt aufbewahren. Hier muss man das Vorfach schon vorher an den Haken binden und irgendwie verstauen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen in einer Box habe ich jetzt jedes Vorfach einzeln in Klemmverschlusstütchen untergebracht. Das ist umständlich, sollte aber für Ordnung sorgen.
Zudem braucht man zu Beginn eine Menge Material. Neben dem Material für die Fliegen selbst, hat sicher nicht jeder Tubes, Nadeln usw. Hier unterscheidet sich auch das Binden vom normalen Hakenbinden, sodass die Einstiegshürde schwer erscheint.
Schließlich würde ich jedem, der solche Fliegen nutzen möchte, dringend den Doppelzug ans Herz legen. Sonst wirds bei Wind wirklich haarig.

Demgegenüber stehen aber einige positive Aspekte.
Die Fliegen sind haltbar. Während bei schweren Hängern, schlecht sitzenden Haken, die mit dem Bolzenschneider entfernt werden müssen, oder völlig stumpfen Haken, die Fliege komplett verloren geht, brechen die dünndrähtigen Haken oder biegen auf. Die Fliege ist gerettet, ein neues Vorfach ist schnell da. Da kann es sich vielleicht auch lohnen, mehr aufwendige Fliegen zu binden.
Trotz der Größe lassen sich die Fliegen passabel werfen. Gerade wenn man die schlanken Wave Tails verwendet, kommt man auch mit starkem Wind gut klar. Ich bin selbst kein super erfahrener Werfer, kam aber auch bei Windstärke 7 von Vorne noch auf passable Wurfweiten. Allerdings habe ich auch kleine Gewässer gefischt. Die Fliegen sind naturgemäß keine Rekordweitenjäger.
Man ist an Ende doch flexibel. Ich habe meine Rigs mit verschiedenen Bindegarns gefertigt. Hell, dunkel, UV-Aktiv. Ich kann so schon bei der Wahl des Hakens der Fliege einen individuellen Einschlag geben. Dazu kommt die Wahl des Schwanzes. Das Wetter klart auf und man möchte ein wenig unauffälliger Fischen? Aus dem hellgelben Schwanz wird in Sekunden ein dunkelbrauner. Man möchte etwas mehr Druck haben? Wave Tail kommt weg, Twister kommt ran. Man kann hier wirklich viel kombinieren und sich austoben.

Was mir auch gefiel: Die Fliegen halten ihre Lauftiefe, da sie sehr stabil im Wasser liegen. Der Lauf erinnert an einen sehr langsamen schwebenden Jerkbait. Damit kann man die Fliege punktgenau über Krautfeldern usw. anbieten.

Insgesamt war ich mit meinen ersten Tests sehr zufrieden. Insbesondere hat mich überzeugt, dass ich auch bei viel Wind noch passabel werfen konnte. Ich hatte allerdings auch einige Fehlbisse, was aber wohl damit zusammenhängt, dass ich als alter Spinnfischer noch meine Probleme mit dem Strip Set habe und bei Bissen vor meinen Füßen und auf Sicht oft überfordert war. Die Hakquote war dann aber sehr gut. Die Fische hingen alle vorne im Maul am vorderen Haken. Ob man den hinteren Haken wirklich braucht, werde ich auch noch testen sobald ich den Anschlag sicher hinbekomme.


Ich hoffe, der Beitrag gefällt euch und ich freue mich auf eure Fragen, Anregungen und sonstiges!
 
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