IGB: Wo ist das Wasser während einer Dürre?

Pressemeldung

Wenn bereits kaum Niederschlag fällt – wo und wie verteilt sich das wenige Wasser und welche Möglichkeiten gibt es, den Rückhalt im Boden und in der Landschaft zu verbessern? Dörthe Tetzlaff und ihr Team vom IGB haben herausgefunden, dass die Vegetation darauf einen großen Einfluss hat.


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Ausgetrocknetes Bachbett in Demnitz. Foto: Lukas Kleine

Die Forschungsgruppe analysiert die Speicherung, Verteilung und Qualität des Wassers in der Landschaft. Am Beispiel des dürreempfindlichen Demnitzer Mühlenfließes in Brandenburg, einem Teileinzugsgebiet der Spree, quantifizierten sie die sichtbaren und unsichtbaren Wasserflüsse während und kurz nach der großen Trockenheit 2018.
Brandenburg ist mit einem Jahresniederschlag von nur 560 Litern pro Quadratmeter das niederschlagsärmste Bundesland. Im Jahr 2018 fielen sogar nur 390 Liter Wasser pro Quadratmeter, also ca. 40 Prozent weniger Niederschlag als gewöhnlich. Schon unter „normalen“ klimatischen Bedingungen werden etwa 90 Prozent des Niederschlags wieder in die Atmosphäre abgegeben und fließen nicht in Grundwasser oder Flüssen ab. Die Grundwasserstände im Gebiet zeigen heute, dass die Defizite aus dem Jahr 2018 zwischen den Wachstumsperioden nicht ausgeglichen werden konnten.

Landmanagement von kritischer Bedeutung für Verteilung von Wasserressourcen

Dörthe Tetzlaff ist Forscherin am IGB und Professorin für Ökohydrologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie und ihr Team untersuchten, wie sich der Zeitpunkt und der Prozess der Verdunstung und der Grundwasserneubildung unter verschiedenen Böden und Landnutzungen unterscheiden. „Aufgrund der aktuellen Klimakrise mit zunehmenden Dürren müssen wir wissen, wie viel Wasser verschiedene Pflanzen nutzen. Wir als Forschende fragen uns: Kann man über nachhaltige Landnutzung den Wasserverbrauch steuern und ganze Landschaften widerstandsfähiger gegenüber Klimaextremen gestalten? Diese Erkenntnisse sind die Basis, um die Bedarfe für die Lebensmittelproduktion und die Wasserversorgung erfüllen zu können“, erläutert Dörthe Tetzlaff ihre Motivation für ihr Forschungsthema.

Waldboden trockener als Grasland

Das Team untersuchte im Demnitzer Mühlenfließ zwei Standorte mit regionaltypischen Landnutzungen: einen Mischwald mit sandigen Böden und einer tief wurzelnden Zone und Grünland mit lehmigeren Böden und einer flacher wurzelnden Zone. Der Waldboden war wesentlich trockener, was auf Eigenschaften von Boden und Pflanzen zurückzuführen ist. So waren während der Dürre im obersten Meter des sandigen Bodens im Wald nur 37 Liter Wasser pro Quadratmeter und unter Grünland immerhin 146 Liter Wasser pro Quadratmeter vorhanden. Das Blätterdach des Waldes schirmte bereits einen Teil des Regens ab, der direkt von den Blättern verdunstete und den Boden nie erreichte. Zudem war der sandige Waldboden kaum in der Lage, Wasser zu speichern. Niederschläge drangen tiefer in den Boden ein, wurden allerdings während der Wachstumsperiode vor Erreichen des Grundwassers wieder von den Bäumen aufgenommen. Unter der Grünlandfläche sickerte das Wasser kontinuierlich in Richtung Grundwasser. Der Boden konnte mehr Wasser speichern. Da die Pflanzen nur Wasser aus dem oberen Boden entnahmen führte dies zu „älterem“ Bodenwasser.


„Wir konnten zeigen, wie schlecht die Landschaften in Brandenburg in der Lage sind, Niederschlagswasser im Gebiet zu halten, um Perioden mit weniger Regen zu überbrücken. Die Landschaften und ihre Nutzungen, die wir untersucht haben, sind typisch für die Nordeuropäische Tiefebene. Es war erschreckend festzustellen, wie stark selbst ein natürlicher Mischwald unter der Dürre leidet. Für wirtschaftsorientierten Forst, mit im Bestand dominierenden Nadelbäumen, ist die Situation noch schlimmer. Tatsächlich ist das Baumsterben in Brandenburg mittlerweile offensichtlich“, sagt Lukas Kleine, Doktorand in Tetzlaffs Team.

„Wasser pflanzen“ – wie die Landwirtschaft die Forschungsergebnisse nutzt

Die Forschenden arbeiten mit der Land- und Forstwirtschaft zusammen, um ihre Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen. Einer ihrer wichtigsten Partner ist Benedikt Bösel. Dessen Betrieb „Gut & Bösel“ testet und entwickelt multifunktionale Landnutzungskonzepte der regenerativen Land- und Forstwirtschaft. Der Landwirt bestätigt die Beobachtungen der IGB-Forschenden: „Die Regeneration unserer Böden und der Bodengesundheit ist die größte und wichtigste Aufgabe unserer Generation. Dafür braucht es systemische Innovation, die uns hilft, die Ursachen unserer Probleme zu verändern anstatt nur die Symptome zu bekämpfen. Nur so können wir der Komplexität von Ökosystemen gerecht werden. Diese Lösungen versuchen wir u.a. basierend auf den Erkenntnissen des Teams von Prof Tetzlaff zu entwickeln“.


„Unsere Untersuchungen in unserem ökohydrologischen Feldlabor laufen nun seit 2018 kontinuierlich, und wir werden sie fortführen. Wir sehen, dass nach den weiteren Trockenzeiten in 2019 und bisher in 2020 die Grundwasserspiegel weiter sinken. Die Vegetation konnte sich trotz der wenigen Niederschläge in den Wintermonaten immer noch nicht erholen. Wir sind leider weit von „normalen“ Bedingungen entfernt. Um die Widerstandsfähigkeit der brandenburgischen Ökosysteme gegenüber Dürren und anderen Klimaveränderungen zu verbessern, müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die die Grundwasserneubildung fördern und Böden schaffen, die mehr Wasser speichern können. Unsere Ergebnisse unterstreichen die zentrale Rolle der Vegetation in der Entwicklung solcher Strategien.“ fasst Dörthe Tetzlaff zusammen.

Hintergrundinfos
Wasser in der Landschaft: blaues und grünes Wasser

Forschende unterscheiden das sogenannte blaue Wasser, das Seen, Flüsse und das Grundwasser füllt und unmittelbar für die Wasserversorgung zur Verfügung steht; und das grüne Wasser, welches direkt von der Vegetation beeinflusst wird und durch Verdunstung und Transpiration nach der Aufnahme durch die Pflanzen in die Atmosphäre zurückgeführt wird. Dörthe Tetzlaff und ihr Team erforschen die Wechselwirkungen zwischen blauem und grünem Wasser. Dabei analysieren sie detailliert, was in der sogenannten kritischen Zone geschieht und welchen Einfluss die Vegetation auf den gesamten Wasserhaushalt hat.

Die kritische Zone – die dünne, dynamische und lebenserhaltenden Haut der Erde

Die Erdschicht, die sich zwischen dem Kronendach, dem Boden und dem Grundwasser erstreckt, nennt sich kritische Zone. Sie war lange Zeit eine „Blackbox“; vor allem die Rolle der Pflanzen in der Aufteilung des Niederschlags wurde vernachlässigt, da die Wissenschaft sich stark auf die blauen Wasserflüsse konzentriert hat, die zur Grundwasserneubildung oder Abflussbildung beitragen. In dieser Studie untersuchten die Forschenden die Wasserflüsse in der kritischen Zone mit sogenannten stabilen Isotopen im Wasser. Diese können als „Markierstoffe“ verwendet werden, um Fließwege, Alter und Herkunft von Wasser zu bestimmen. Für ein umfassendes Verständnis sind nämlich nicht nur die absoluten Wassermengen wichtig, die sich in der Landschaft bewegen, sondern auch, wie lange das Wasser vor Ort gespeichert wird und welche Fließwege es nimmt. Wenn diese Informationen mit Daten von Vegetationsdynamiken gekoppelt werden, können mathematische Modelle beispielsweise zeigen, woher, wann und in welcher Geschwindigkeit Pflanzen ihr Wasser beziehen (d.h. aus dem Grundwasser oder dem Bodenwasser).
 
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