LSFV Schleswig-Holstein zum Nationalpark Ostsee

Pressemeldung

Der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein nimmt Stellung zum geplanten Nationalpark Ostsee ein.

Auf der Jahreshauptversammlung des Landessportfischerverbandes Schleswig-Holstein (LSFV) am vergangenen Sonntag, den 07.05.2023, haben die Delegierten der Mitgliedsvereine des LSFV mit einem einstimmigen Abstimmungsergebnis zu der Position „Mehr Schutz für die Ostsee – JA! Nationalpark Ostsee – NEIN!“ klar Stellung bezogen.

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Der LSFV Schleswig-Holstein sagt: „Mehr Schutz für die Ostsee – JA! Nationalpark Ostsee – NEIN!“ (Foto LSFV-SH)

Der LSFV-SH ist mit 321 Mitgliedsvereinen und deren über 42000 Mitglieder die zweitgrößte anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung des Landes. Für den LSFV steht fest, dass der Schutz der Ostsee eine der wichtigsten Aufgaben der Umweltpolitik und der Gesellschaft des Landes sein muss. Deshalb sieht der Verband auch die organisierten und nicht-organisierten Angler Schleswig-Holsteins in der Pflicht, ihren Teil zur Verbesserung der Situation der Ostsee beizutragen. Wo eine Übernutzung der Ressourcen stattfindet oder durch die Anwesenheit von Anglern ein Nachteil für schützenswerte Natur entsteht, ist der LSFV zu einem offenen Austausch und, im Rahmen seiner Befugnisse, auch zu Zugeständnissen bereit. Angler sind Nutzer und Schützer! Zur Passion Angelei gehört, dass sie in einer intakten Natur ausgelebt werden kann. Angler sind durchaus gewillt, sich zum Wohle der Natur einzuschränken. Beispiele finden sich überall an von Anglern bewirtschafteten Gewässern: freiwillig verschärfte Regeln in Bezug auf Fang- und Entnahmemöglichkeiten von Fischen, freiwillige Schutzzonen für Brutvögel, Amphibien und Fische, Lebensraumaufwertung von Seen und Fließgewässern … Dies sind nur einige der unzähligen Maßnahmen, die überall in Schleswig-Holstein von Anglern umgesetzt werden.

Die im LSFV-SH organisierten Vereine und das Präsidium begrüßen die aktuellen Bestrebungen des Landes, insbesondere des Ministeriums für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein (MEKUN), mit dem Schutz der Ostsee voranzukommen. Insbesondere die Priorisierung der Bergung von Munitionsaltlasten findet bei den organisierten Anglern großen Anklang.

Nein zum Nationalpark ist eine Option

Um etwas für die Ostsee zu tun, hat die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, die Option der Schaffung eines Nationalparks Ostsee (NPO) zu prüfen. Laut Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt kann ein NPO dafür sorgen, dass es der Ostsee zukünftig wieder besser geht. Aus Sicht des LSFV, dem zweitgrößten Naturschutzverein des Landes, ist ein Nationalpark jedoch schlichtweg das falsche Instrument, um den Zustand der Ostsee und ihrer Bewohner maßgeblich zu verbessern. Gleichzeitig bringt ein Nationalpark in diesem Fall zu viele Nachteile für die gesamte Region mit sich. Der LSFV lehnt die Schaffung eines NPO daher entschieden ab.

Der kürzlich vom MEKUN gestartete Konsultationsprozess zum Vorhaben NPO soll ausdrücklich ergebnisoffen geführt werden. Auch in der am 10.05.2023 abgehaltenen Landtagsdebatte bekräftigten alle Parteien, teils mehrfach, dass der Konsultationsprozess ergebnisoffen ist – und dass ein Nein aus der Bevölkerung zum Nationalpark selbstverständlich zu einer Verhinderung des Projektes führen muss.

Unter diesem Gesichtspunkt ist ein begründetes Nein zum NPO eine Position, mit der sich der LSFV in keiner Weise aus der laufenden Debatte herausnimmt – das Gegenteil ist der Fall. Wie eine so deutliche Position zustande kommt, wird hier in aller Kürze ausgeführt.

Nationalpark ist keine Lösung für die Probleme der Ostsee

Wirkungslosigkeit – die echten Probleme der Ostsee (Nährstofffrachten und mangelnder Wasseraustausch mit dem Nordatlantik sowie Schadstoffe/Altlasten und Klimawandel) werden durch den geplanten Nationalpark mit großflächigen Nullnutzungszonen nicht angegangen. Ohne diese Faktoren zu adressieren, werden Sauerstoffzehrung, tote Bereiche, Algenblüten, Fischsterben und ähnliche Phänomene nicht verschwinden. Somit kann durch den NPO keine signifikante Verbesserung des Ostseezustandes erzielt werden.

Mehr Einschränkungen werden folgen – sobald ein Nationalpark ausgewiesen ist, verliert das Land zahlreiche Befugnisse. Es kommen Bundes- und EU-Gesetze zum Tragen. Verschärfungen und neue Verbote sind jederzeit möglich, ohne dass eine lokale Mitsprache nötig wäre. Im Vorfeld durch das Land gemachte Zugeständnisse wie das Fortbestehen von Nutzungsoptionen für einzelne Gruppen (Segler, Spaziergänger, Schwimmer o. ä.) sind insofern relativ wertlos. Aussagen des MEKUN von heute können durch EU- und Bundesgesetze schon morgen ausgehebelt werden. Aktuell geführte Debatten legen nahe, dass der Anteil der Nullnutzungsflächen statt knapp über 50 % zukünftig durchaus 75 % und in einigen Jahren sogar 100 % betragen kann. Eine Nutzungsoption der Nationalparkflächen für die nächsten Generationen ist damit mehr als fraglich.

Das falsche Mittel – Das Konzept eines Nationalparks ist für Ökosysteme gedacht, die kaum oder nicht vom Menschen beeinflusst sind oder das Potenzial besitzen, sich in einen entsprechenden Zustand zu entwickeln. Dies trifft an der Ostsee schon aufgrund der genannten externen Belastungsquellen nicht zu. Eine entsprechende Formulierung im Bundesnaturschutzgesetz soll verhindern, dass passiert, was nun an der Ostsee geplant ist: Ein hoher Schutzstatus wird für einen Lebensraum eingerichtet, der sich nicht entwickeln kann. Gleichzeitig kann die Ausweisung in vielen Fällen sogar lebensraumverbessernde Maßnahmen innerhalb der Nullnutzungszonen verhindern, da es sich dabei um menschliche Eingriffe handelt.

Positive Schutzeffekte ohne Nationalpark

Natürlich kann ein Nationalpark mit weitläufigem Ausschluss jeglicher menschlichen Einflussnahme positive Einflüsse auf die Natur haben. Beispielsweise kann eine geringe oder abwesende bodenberührende Nutzung lokal positive Effekte auf halbmobile / sessile Benthosgemeinschaften haben. Auch könnten Vogelarten mit besonders großen Fluchtdistanzen weniger Störung erfahren. Der Ansicht des LSFV nach sind diese positiven Effekte jedoch von lokalem Charakter und ebenso mit einer Anpassung des Schutzes durch die bisherigen Naturschutzgebiete, in denen der NPO ohnehin liegen würde, realisierbar.

Auf der anderen Seite gibt es etliche weitere Argumente, die für den LSFV aus ganz unterschiedlichen Perspektiven gegen einen Nationalpark Ostsee sprechen:

Da die Gebietskulisse des NPO fast ausschließlich in bestehenden Naturschutzgebieten liegt, werden die dortigen Schutzgüter wie beispielsweise Wasservögel oder Meeresgründe bereits geschützt. In vielen Fällen ist der Schutz durch Befahrungs- und Betretungsverbote schon maximal. Sollte dies nicht der Fall sein, geben die rechtlichen Rahmen der Vogel- und FFH-Schutzgebiete Möglichkeit, den Schutz zu verbessern. Oft jedoch sind die genannten Hauptprobleme der Ostsee schuld an schlechten Zuständen der Schutzgüter. Wo Angler durch Nutzungsanpassung/-Einschränkung an einem verbesserten Schutz von z. B. Tauchenten auf Rastplätzen mitwirken können, ist der LSFV offen für Gespräche.

Nicht mehr Fisch, nicht mehr Chancen

Entgegen der Darstellung aus dem MEKUN wird es durch weitläufige Nullnutzungszonen nicht zu einer Erholung von Fischbeständen kommen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass dies, zumal im Falle der Gebietskulisse, die im Raum steht, nahezu ausgeschlossen werden kann. Somit sind auch keine positiven Effekte eines NPO für die bereits heute angeschlagene kommerzielle Fischerei auf der Ostsee zu erwarten. Ein Verlust der Fischerei würde einen Verlust der Versorgung mit nachhaltigen, lokal nachwachsenden Lebensmitteln bedeuten.

Die vom MEKUN prognostizierten enormen Chancen für Tourismus und Wirtschaft werden von Wirtschaftstreibenden überwiegend nicht gesehen. In betroffenen Gebieten gehen viele Unternehmen von einem großen wirtschaftlichen Schaden aus, den ein NPO verursachen würde[8][9]. Auch abseits der direkt betroffenen Region, beispielsweise in der Lübecker Bucht, werden von vielen Akteuren keine positiven, sondern tendenziell negative Effekte für die Regionalentwicklung befürchtet.

Eine Schließung weitläufiger Küstenabschnitte würde eine Verlagerung der Aktivitäten bedeuten. Eine Abwanderung des Tourismus, erhöhte Emissionen für Anfahrten und eine Ballung von Aktivitäten in den verbliebenen Flächen mit möglichen Spannungsfeldern zwischen Nutzern wären die Folgen.

Verlust der Naturverbundenheit

Abseits wirtschaftlicher Aspekte schafft ein Nationalpark potenziell auch gesellschaftliche Probleme. Ein Aussperren der Menschen führt zu einer Entfremdung von der Natur und dem, was schützenswert ist. Wenn Naturschätze in weiten Teilen nicht mehr erlebbar sind, sinkt die Akzeptanz, etwas für deren Schutz zu opfern. Junge Menschen entwickeln unter Umständen erst gar kein Gespür für das, was schützenswert ist. Eine solche Entwicklung würde mittelfristig dem Umweltschutz nur schaden. Die momentan zu beobachtende Haltung einiger Umwelt- und Naturschutzbewegungen sowie politischer Parteien, Menschen aus schützenswerter Natur zu verbannen, widerspricht der Auffassung des LSFV von gelebtem und erlebtem Naturschutz.

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Argumente, die für den LSFV gegen einen Nationalpark Ostsee sprechen. Doch schon die anfangs genannte Wirkungslosigkeit, der Verlust der Zuständigkeit des Landes und der Nationalpark als grundsätzlich falsches Schutzmodell für die Ostsee sollten schon ausreichend sein, um die Position des LSFV und ein Nein als konstruktiven Beitrag zum Konsultationsprozess zu verstehen.

Schutzwirkung und Einschränkungen realistisch betrachten!

Wie dringlich es nötig ist, dem Vorhaben NPO entschieden entgegenzutreten, zeigt die Aussage von Katja Günther (Bündnis 90/Die Grünen, Staatssekretärin für Umwelt und Natur im MEKUN) in einem Gastbeitrag für das NABU-Magazin: „Für mich ist also nicht die Frage, ob ein Nationalpark Ostsee dem Naturschutz womöglich wenig bringt oder gar die Menschen in der Region einschränkt. Für mich ist die Frage, ob wir mit einem guten Nationalparkgesetz im Ostseeschutz ganz vorne sind, den Takt bestimmen und so den Zustand der Ostsee verbessern – und auch die wirtschaftlichen Chancen für die Menschen mitdenken!”[10] Der LSFV Präsident Peter Heldt sagt dazu: „Für mich ist es nicht wichtig, ob die Grünen mit einem „guten“ Nationalparkgesetz ganz vorne sind und den Takt bestimmen. Es darf keiner „guten“ Landespolitikerin und keinem Landespolitiker egal sein, ob sie oder er die Menschen in der Region einschränkt. Das gilt ganz besonders dann, wenn diese Einschränkung dem Erreichen des eigentlichen Ziels nichts nützen. Die eigentlichen Probleme der Ostsee werden nicht durch einen übergestülpten, teuren Nationalpark gelöst!“

Quelle: https://www.lsfv-sh.de/sachstand-zu...eREmUaQoh20g4NBfMUmnFtE4cuLr_ebxNYj9FvNzQiIxI
 
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