Ökologisch intakte Flüsse sind den Deutschen Milliarden wert

Pressemeldung des IGB

Ökologisch intakte Flüsse sind den Deutschen Milliarden wert

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Intakte Flüsse werden wertgeschätzt. | Foto: Michael Feierabend

Gewässer und die darin beheimateten Tiere und Pflanzen bieten der Gesellschaft viele Vorteile. Es ist allerdings schwierig, diese Bedeutung ökonomisch zu beziffern. Forschende vom IGB haben in einem internationalen Team untersucht, wie hoch die Wertschätzung der Bevölkerung in Deutschland und drei anderen europäischen Ländern für die Renaturierung von Flüssen ist. Hochrechnungen zeigen, dass sich hierzulande die summierte Zahlungsbereitschaft für ökologisch intakte Flüsse auf 27 bis 47 Milliarden Euro pro Jahr beläuft. Dies ist angesichts der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ein positives Signal.

Die Forschenden führten in vier Ländern – Deutschland, Schweden, Norwegen und Frankreich – ein ökonomisches Auswahlexperiment durch. Dazu wurden in jedem der Länder rund 1000 Einwohnerinnen und Einwohner befragt – als repräsentativer Querschnitt der jeweiligen „Online-Bevölkerung“. Die Teilnehmenden sollten für die Flüsse in ihrer Wohnumgebung bevorzugte Kombinationen von ökologisch relevanten Flussmerkmalen auswählen, mit der Maßgabe, für die Erreichung des ausgewählten Flusszustands einen bestimmten Betrag in einen Flussentwicklungsfonds einzuzahlen. Aus den Antworten konnten die Forschenden sowohl die Präferenzen der Bevölkerung für Flussmerkmale ablesen als auch die Zahlungsbereitschaft für die Verbesserung der Flüsse abschätzen.

Länderunabhängig positive Zahlungsbereitschaft für ökologische Aufwertung von Flüssen
Die Befragten aller Länder bevorzugten Flüsse, die eine hohe Badegewässerqualität und eine hohe Artenvielfalt aufweisen und in denen charakteristische Flussfischarten wie Störe, Bachforellen oder Lachse vorkommen. Daraus kann man ableiten, dass ökologisch ausgerichtete Programme zur Renaturierung von Fließgewässern grundsätzlich positive Werte für die Bevölkerung stiften können. „Diese Ergebnisse können als Signal an die Politik gewertet werden, ihre Bemühungen zur Verbesserung der Wasserqualität und des ökologischen Zustands von Flüssen zu verstärken“, so der Erstautor der Studie, Dr. Carsten Riepe, vom IGB.

In Deutschland: 79 Euro plus für bessere Badegewässerqualität, 98 Euro minus für Ausbau der Wasserkraft
Für eine Verbesserung der Wasserqualität von Flüssen wären die Deutschen bereit, 79 Euro pro Person und Jahr auszugeben. Von der deutschen Bevölkerung wurde als weitere Flusseigenschaft eine gute Durchgängigkeit, beispielsweise zur Gewährleistung von Fischwanderungen, besonders wertgeschätzt – etwas stärker sogar als das Auftreten bestimmter Fischarten oder die Förderung einer hohen heimischen Artenvielfalt. In Zahlen ausgedrückt: Ein Ausbau der Wasserkraft über das heutige Maß hinaus würde in Deutschland zu einem Nutzenverlust von fast 100 Euro pro Person und Jahr führen.

Würden gleich mehrere Flussmerkmale verbessert, beispielsweise über eine bessere Wasserqualität, freie Fließstrecken und die Förderung der heimischen Artenvielfalt, würde der Bevölkerung in Deutschland ein Nutzen gestiftet, der einer Zahlungsbereitschaft von 675 Euro pro Person pro Jahr entspräche. Unter der Annahme von einer Person pro Haushalt würde eine ökologische Flussrenaturierung in der Wohnumgebung eines jeden der 41 Millionen Privathaushalte einen Nutzen von hochgerechnet etwa 27 Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Wenn man die Zahlen auf alle Personen über 18 Jahre bezieht, entstünde sogar ein Nutzen, der mit 47 Milliarden Euro pro Jahr beziffert werden kann. Obwohl solche Befragungsergebnisse immer mit methodischen Unsicherheiten behaftet sind, zeigen die Zahlen doch eindrucksvoll, dass bei den Deutschen eine hohe ökologische Flussqualität auch eine sehr hohe Wertschätzung genießt und dass sich eine Flussverbesserung auch ökonomisch gesehen lohnen kann.

„Der hohe gesellschaftliche Wert, den naturnahe Flüsse aus Sicht der Menschen besitzen, kann die flächendeckende Umsetzung von Zielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie ökonomisch begründen. Denn die ökologische Zielerreichung kostet viel Geld. Durch unsere Studie stehen Entscheidungsträgern nun Zahlen zur Verfügung, die in Kosten-Nutzen Rechnungen zur Abwägung von Investitionen in die Flussentwicklung einfließen können“, resümiert Studienleiter Robert Arlinghaus, Fischereiwissenschaftler am IGB und Professor für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Publikation:

Riepe, C., Meyerhoff, J., Fujitani, M., Aas, Ø., Radinger, J., Kochalski, S., Arlinghaus, R. (2019). Managing river fish biodiversity generates substantial economic benefits in four European countries. Environmental Management, 63, 759-776.

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SalmoInvade-Projekts gefördert.

Kontakt:
Prof. Dr. Robert Arlinghaus
Professor für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin und am
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
+49 (0)30 64181 653
arlinghaus@igb-berlin.de
www.ifishman.de

Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):
„Forschen für die Zukunft unserer Gewässer“ ist der Leitspruch des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Das IGB ist das bundesweit größte und eines der international führenden Forschungszentren für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten und die Auswirkungen des Klimawandels, die Renaturierung von Ökosystemen, der Erhalt der aquatischen Biodiversität sowie Technologien für eine nachhaltige Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft. Am IGB arbeitet die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Robert Arlinghaus an Konzepten für ein integratives Fischereimanagement, speziell in der Angelfischerei (www.ifishman.de).

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Ja unverständlicherweise.
Um jetzt zumindest Stammtisch-Niveau zu halten: In den o.g. knapp 60 Mrd. umweltbezogene Steuern und Gebühren steckt die Energiesteuer und dort ist das, was immer noch gerne als Mineralölsteuer bezeichnet wird, mit rd. 40 Mrd. der größte Batzen.

Um jetzt auf deinen 1. Post zurück zu kommen, die Steuern, die unmittelbar am Wasser anfallen, reichen nicht für das, was aus der Gesamtmasse an Staatseinnahmen, in diesen Bereich fließt.
Der Umweltschutz im allgemeinen oder auch der Gewässerschutz im speziellen, ist ein wunderschönes Beispiel dafür, dass es gut ist, dass Steuern an anderen Stellen eingesetzt werden, als dort wo sie erhoben werden.
 
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Reaktionen: Uzz
Um jetzt zumindest Stammtisch-Niveau zu halten:

Ist dir fast gelungen.thumbsup

Der Umweltschutz im allgemeinen oder auch der Gewässerschutz im speziellen, ist ein wunderschönes Beispiel dafür, dass es gut ist, dass Steuern an anderen Stellen eingesetzt werden, als dort wo sie erhoben werden.


Finde ich nicht.
Umweltbezogene Steuern sollten auch der Umwelt zugute kommen und nicht womöglich (z.B. durch Subvention von Wasserkraft) dagegen verwendet werden!
 
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