Plastikfressende Pilze in Süßgewässern

Das Vorkommen von Kunststoffen in unserer Umwelt stellt eine zunehmende Belastung für die Natur und für unsere Gesundheit dar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Potsdam haben nun Pilze aus Süßgewässern identifiziert, die Kunststoffpolymere aus Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi effizient abbauen können. Entgegen bisheriger Annahmen war dafür keine Vorbehandlung der Kunststoffe notwendig. Die Studie wurde in Science of the Total Environment veröffentlicht.

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Pilzmyzelien von Fusarium besiedeln einen Kunststoffpartikel, elektronenmikroskopische Aufnahme (Bild: Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud)


Kunststoffe aus Polymeren können jahrzehntelang in der Umwelt verbleiben, da sie von Bakterien im Boden oder Gewässer nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden. Weltweit wird deshalb an praxistauglichen und nachhaltigen Methoden für den Umgang mit Kunststoff- und Gummiabfällen geforscht. Ein Forschungsteam des IGB und der Universität Potsdam hat 18 Pilzstämme aus Süßgewässern ausgewählt und ihre Fähigkeit untersucht, Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi abzubauen. Diese gehören zu den am häufigsten in der Umwelt vorkommenden Kunststoffen. Die Ergebnisse zeigen, dass Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia, and Trichoderma ein hohes Potenzial zum Abbau von Kunststoffen besitzen.

Pilze gut an „Plastiksphäre“ angepasst​

In den letzten Jahren konnten Forscherinnen und Forscher bereits zeigen, dass es Mikropilze gibt, die auch komplexe Polymere zersetzen und damit für den biologischen Schadstoffabbau – Bioremediation – geeignet sind.
Doch warum sind die Pilze so gute Kunststoff-Recycler? „Pilze produzieren Enzyme, die selbst chemische Verbindungen aus vielen Makromolekülen wie Kunststoff aufspalten können. Außerdem sind sie mit ihren invasiven Wachstumsformen und ihrer Fähigkeit, Biofilme zu bilden und mit bereits bestehenden Biofilmen zu interagieren, gut an das Leben in der Plastiksphäre angepasst“, sagt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart, der die Studie leitete.
Analysen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigten dem Team, dass sich die Zellwände einiger Pilze verformen, wenn sie die Kunststoffe besiedeln. „Das sind wahrscheinlich strukturelle Anpassungen der Myzelien, die es ihnen ermöglichen, beispielsweise das wasserabweisende Polyurethan zu besiedeln“, sagt Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud, Doktorandin am IGB und Erstautorin der Studie.
Die FT-IR-Spektroskopie zur Analyse von Veränderungen in der Feinstruktur der Pilze und die DOC-Analyse zur Bestimmung ihrer Stoffwechselaktivität lieferten Hinweise darauf, dass die anfängliche enzymatische Aktivität der Pilze zur Bildung von Zwischenprodukten führt, die den Pilzen als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen, indem sie die Konzentration des für das Pilzwachstum verfügbaren löslichen organischen Kohlenstoffs erhöhen. „So schaffen sich die Pilze durch den Abbau immer wieder neue Nahrung“, sagt Sabreen Dawoud.

Keine Vorbehandlung durch UV-Licht, Ozonisierung oder andere chemische oder thermische Verfahren nötig​

Die Studie zeigte auch, dass Pilze Polymere ohne jegliche Vorbehandlung der Kunststoffe und ohne Zugabe von Zuckern als Energiequelle abbauen können.
Um den mikrobiellen Abbau von Kunststoffpolymeren zu initiieren, wurden in vielen Studien zunächst UV-Licht, Ozonierung, chemische Oxidationsmittel oder thermische Vorbehandlungen eingesetzt, um die Kunststoffpolymere effektiv zu oxidieren und reaktive funktionelle Gruppen zu erzeugen, bevor das Polymer mit Pilzen beimpft wurde. Diese Behandlungen wurden in dieser Studie nicht angewandt und scheinen für die Pilzaktivität nicht wesentlich zu sein. Es wurde jedoch noch nicht untersucht, ob solche Behandlungen die Geschwindigkeit des Abbauprozesses verändert hätten.

Und das sind die erfolgreichen Plastikfresser​

Unter den ausgewählten Stämmen zeigten Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma ein besonders hohes Potenzial zum Abbau von Polyethylen, Polyurethan und Reifengummi. Einige der terrestrischen Vorkommen dieser Pilze sind beim Menschen bisher nur wenig beliebt: Fusarien sind zum Beispiel in der Landwirtschaft als Schadpilze für Getreide und Mais bekannt. Auch Botryotinia kann verschiedene Pflanzenkrankheiten auslösen. Trichoderma-Arten sind Fadenpilze, die weltweit verbreitet im Boden, in Pflanzen, in verrottenden Pflanzenresten oder auch in Holz leben. Sie sind wichtige Zersetzer und stehen in Wechselwirkung mit Pflanzen, anderen Mikroorganismen und dem Boden. Arten der Gattung Penicillium spielen hingegen eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Penicillin und Lebensmitteln wie Schimmelkäse.
Die Forschenden testeten auch, ob bestimmte Pilzarten nur bestimmte Arten von Kunststoff oder Gummi abbauen können und welcher Kunststoff am besten von Pilzen zersetzt wird. Das Ergebnis: Polyurethan erwies sich von allen getesteten Kunststoffen als am besten abbaubar. „Die Kenntnis effizienterer Pilzstämme, insbesondere für den biologischen Abbau von Polyurethan, trägt dazu bei, großtechnische Recyclingkonzepte für Kunststoffabfälle zu entwickeln“, sagt Hans-Peter Grossart.


Methodik
Die Studie beschreibt die Probenahme und Identifizierung von 18 Pilzstämmen aus den Seen Stechlin und Mirow in Nordostdeutschland und klassifiziert sie anhand der molekularen Daten ITS, SSU und LSU. Die Stämme wurden auf ihre cellulo-, lignino- und chitinolytische Aktivität und ihre Fähigkeit zum Abbau verschiedener Kunststoffe, darunter Polyethylen, Polyurethan, Reifenkautschuk und Polyethylen niedriger Dichte, untersucht. Die Abbauversuche wurden sowohl auf Agar- als auch auf Flüssigmedien durchgeführt, mit optischen Auswertungen zur Beobachtung des Kunststoffabbaus und Respirationsversuchen zur Messung des O2-Verbrauchs und der CO2-Produktion. Nach der Inkubation wurden das Frischgewicht und der gelöste organische Kohlenstoff (DOC) gemessen und die Pilzmyzelien mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR) analysiert. Für die Datenanalyse wurde die Software R verwendet, wobei ANOVA, Dunn-Test und lineare Regression eingesetzt wurden, um die Ergebnisse zu vergleichen und Korrelationen zwischen ihnen zu bestimmen.

Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff
  • PU ist eines der am weitesten verbreiteten umweltschädlichen Polymere. Es wird in vielen Industriezweigen verwendet und eignet sich besonders für langfristige Anwendungen, bspw. für Schaumstoffe, Elastomere für Sportbekleidung oder medizinische Geräte, Beschichtungen und Dichtstoffe. PU ist daher für raue Umweltbedingungen ausgelegt.
  • PE macht etwa ein Drittel der gesamten Kunststoffnachfrage in Europa aus, was zum Teil auf seine umfangreiche Verwendung für Verpackungen zurückzuführen ist.
  • Mikroplastik aus Reifen trägt zu den größten Verschmutzungen durch Mikroplastik bei, darunter Reifenabriebpartikel, recycelte Reifenkrümel und Rückstände aus der Reifenreparatur.




-Pressemitteilung IGB-
 
Finde ich schon mal super bei dem rumfliegenden Müll, allerdings muss sowas ja gar nicht sein!
Drakonische Maßnahmen angefangen mit Pfand ...
Die Lebensmittelherstellung muss z.B. für Bier kein Microplastik erzeugen und da nun rein tun ... da war mal was mit Reinheitsgebot,
und schwere Strafen vom Ludwig ...

Und noch ein Argument gegen die an sich gewünschte Dauerware Kunststoffrollen und Kunststoffspulen! :geek
Wobei die Hersteller der Geräte Fungium plastifressius rollii sicher lieben werden ... :ninja
 
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Ich finde, ein gelungener Artikel. Wissenschaftlicher als so manch anderer, trotzdem verständlich. Die paar Ungereimtheiten stören m. E. nicht.

Es wäre eine tolle Sache und macht Hoffnung, wenn sich der Kunststoff, der sich der heute schon in unseren Gewässern befindet, ökologisch unbedenklich abbauen ließe. Interessant wäre es zu wissen was die Abbauprodukte sind und wie sich die auf die Umwelt auswirken. Bei den 'abbaubaren' Verpackungen hat man ja gesehen, dass die nicht unerheblich sind. Es ist wohl selbstverständlich, dass zusätzlich zu so einer Maßnahme kein Weg an Vermeidung vorbeiführt.

Ob die massenhafte Zucht von Pilzen, die Agrarprodukte schädigen können, andere Herausforderungen nach sich ziehen wird man sicherlich erforschen müssen.
 
Interessant wäre es zu wissen was die Abbauprodukte sind und wie sich die auf die Umwelt auswirken.
Diese Frage hatte ich mir auch gestellt. Darüberhinaus hätte mich auch die Abbaugeschwindigkeit interessiert. Was mir aus dem Artikel nicht deutlich wurde ist ob diese Pilze an das im See vorhandene Plastik nagen oder ob erst der Kunststoff aus Meer, See und Land zusammengetragen werden muss, die Pilze aufgebracht werden und die dann ihre Arbeit verrichten können.
 
So einen "klitzekleinen" Modellfall mit Bakterien gibt es schon länger und zeigt gut die zielorientierte gewinnorientierte Sorglosigkeit (oder noch anderes), sogar in der sorgfältig "gehegten" Wikipedia steht einiges darüber und die Giftpanscher sind immer noch bärig stolz drauf, also nichts für die Zukunft, sondern schon lange präsent und aktiv. :devilish
"Die Menge und Art der Proteine variiert hierbei von Stamm zu Stamm. Cyt- und Cry-Proteine heften sich an Darmzellen an und erzeugen Poren in der Zellmembran, wodurch die Darmzelle zerstört wird."

Sichert euch sicherheitshalber mal gleich diese Wikipedia Seite Version "Diese Seite wurde zuletzt am 5. September 2022 um 15:12 Uhr bearbeitet",
sowie die Nachbarschaften in den Links und vergleicht die nächsten Monate immer wieder mit der sticcum upgedateten Webversion :cool: (done)
Das ist öfter sehr spannend, vor allem wenn da Tausender-Mengen-Bearbeiter am Werke sind.
Sichern bzw. speichern unter: Datei / Seite speichern unter

"Aus Bacillus thuringiensis in Nutzpflanzen übertragene Gene bewirken, dass die Pflanzen eigenständig Bt-Toxine produzieren. Dieses sogenannte Bt-Konzept wird seit 1996 ..."
Das Bacillus hat ja in der Familie auch noch recht ähnliche kleine Geschwisterchen cereus und anthracis.

Und - bingo - Treffer, schau mal an auf anthracis: "Diese Seite wurde zuletzt am 29. Juni 2024 um 09:04 Uhr bearbeitet."
darunter der Link Autoren, derart: https://xtools.wmcloud.org/authorship/de.wikipedia.org/____

Und auf der anderen Seite gibt es schon reichlich Profiteure und Anwender und Vermarkter, einfach mal einen gefischt:

Zu subtilis gibt es die wunderbare Geschichte, dass es früher mal supergesunde krankheitsfremde Indianerleute an einem Sumpfgebiet unteres Mittelamerika lebend erzeugt hat, die rituell einmal im Jahr den Sumpfschlamm zu sich genommen haben.
Das sollte ausgenutzt und reproduziert und vermarktet werden, aber der Sumpf hat sich in den "zivilisierten" Ländern irgendwie nicht wohl gefühlt :giggle und nachzüchten lassen, und die Spezialisten der Zunft wissen nicht, warum die bacillus so extrem unterschiedlich sein können, von Engel bis Teufel.
Das ist aber mit ein bischen Weitsicht leicht erklärbar und so ähnlich wie mit unseren Fischen und Gewässern, der Industriegülle oder dem eigenen Kleingarten ....
 
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so wie ich das mal gelernt habe bestehen diese Stoffe überwiegend aus Kohlenstoff und
Wasserstoff - also kann nur etwas mit diesen Komponenten dabei rauskommen - ja wenn
diese Pilze nicht noch etwas anderes dazu fügen - ob das dann gesünder ist ??????????????????????????
Naja, fast, erstmal hast du bei der organischen C H O N Chemie noch Sauerstoff und Stickstoff.
Und damit Millionen schöne einfachere Kombinationen.
Oft kommt nur ein einziges Sonderatom metallisch/alkalisch dazu, und schon rumst es vom Effekt her richtig.
Letztlich sind die Atome Raumcodierungen, und die Kombinatorik macht es, wie bei den simpelsten natürlichen Zahlen beim hochzählen schon einfach ersichtlich.
Nur gibt es da noch mehr bei den aus den Atomen gebildeten Molekülen, die Atomkombinationsmenge ist es nicht alleine.
Nur mal die wichtige Milchsäure rausgezerrt, Muskelstoffwechsel Mensch, rechtsdrehend oder linksdrehend zusammengesetzt, wie bei den richtigen und falschen Gewindegängen :XD
Grundsätzlich ist es gerade diese unübersehbare Kombinatorik, die du genau als Problem gesehen hast.
 
Genau das werden die Vermarktungsexperten dir versuchen einzureden und zu verkaufen! :laugh2
Mit dem Chitin-haltigen Insekten fressen ist das schon voll im Gange, bewahre dich und lese das Klein(st)gedruckte.
Oder es wachsen vlt. plötzlich Flügelchen an den falschen empfindlichen Stellen raus.
Aber was deine Innereien mit den auswandernden Funghisporen angefangen mit den selbst aufgebauten Schutthalden, Arterienverkalkungen und Implantate etc. dazu meinen werden .... :XD
Es wurden schon immer (mehr oder weniger) Freiwillige für streng wissenschaftliche Experimente gesucht, das ist mal glasklar!
So gibt es sogar klasse Aufzeichnungen über den Einsatz der Guillotine, sogar ein vorheriges Trainingsprogramm für Probanden, unter Zusatztagen in Saus und Braus.

Sprang mich gerade so an der Link vom Massenbefriedigungsvermarkter, also auch heute noch äußerst beliebt: :devil
https://www.amazon.de/Guillotine-Special-ArtBox-Puppe-Modellbausatz/dp/B09RP9GM3

Die alten Ägypter hatten es einfach, da wurde einfach einige der vielen Sklaven oder Beutesklaven verwendet, aufgeschnitten, probiert wieder zu zu bekommen, lästige Regressansprüche oder Haftungspflicht gab es nicht, fast wie heute ...
 
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