Reisebericht: Vindelfjäll September 2016

Debilofant

Well-Known Member
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Als es 2016 bei mir urlaubstechnisch für die im Mai dieses Jahres nach Gjesvaer geplante Norwegentour zeitlich leider nicht gepasst hat, war guter Rat teuer. Ohne Mitstreiter dann zu einem späteren Zeitpunkt allein zum Meeresangeln nach Norwegen war jedenfalls keine Option, ganz zu Hause bleiben aber eben auch nicht. So kam es, dass die Urlaubsplanung 2016 sich in eine für mich neue Richtung entwickelte und Pläne für eine Solo-Trekkingtour durch schwedisch Lappland reiften.

Die Inspiration hierfür sollte sich aus der letzten Angeltour nach Vinjesjön speisen, als ich Ende August 2015 bereits einen Hauch vom skandinavischen Indian Summer auf den Vesteralen erleben durfte. Einmal im Leben diese kurze Phase der Farbexplosion in vollen Zügen genießen, das war ein insgeheim schon länger gehegter, aber bis dato halt nie konkret angegangener Lebenstraum.

Bevor die Realisierung dieses Lebenstraums konkrete Gestalt annehmen konnte, war erst einmal umfassende Recherche und auch Vorbereitung angesagt. Wann und wie wohin genau (ohne Reiseveranstalter auf eigene Faust) aufbrechen, um auch tatsächlich das kurze Zeitfenster zu treffen und keinen Reinfall mit noch aktiven Mückenmyriarden oder bereits kahlen Bäumen oder gar schon einen ersten Wintereinbruch zu erleben? Die Wahl fiel nach ausgiebiger Durchforstung des Internets und Lektüre ab110 mehrerer Wanderführer von Claes Grundsten, dem schwedischen Fjäll-Papst, letztlich auf die 2. und 3. Septemberwoche und das größte Naturreservat Europas, das Vindelfjäll, das vergleichsweise kompakt alle Landschaftsformen Lapplands und praktischerweise auch den letzten, 78 km langen Teilabschnitt des nördlichen Kungsleden mit durchgehend eingerichteten Übernachtungshütten des STF von Ammarnäs nach Hemavan beherbergt. An- und Abreise erfolgte ausschließlich mit Bahn und Bus mit Umstiegen in Hamburg, Kopenhagen, Stockholm, Umeå und Storuman (hin) bzw. Sorsele (rück), darunter eine Fährüberfahrt zwischen Puttgarden und Rödby sowie ein reservierungspflichtiger Nachtzug zwischen Stockholm und Umeå.

Mit An- und Abreise hatte ich insgesamt 14 Tage Urlaub eingeplant, davon 10 Tage auf (und neben) dem Kungsleden inklusive mehrerer Puffertage für Mistwetter, Fotostopps und querfeldein Umgebungserkundungen. Um flexibel zu sein, wanderte auch ein Zelt mit in den Rucksack, sprich Hüttennutzung war je nach Wetter, Lust und Laune nur hin und wieder eingeplant. Das Anfangsgewicht des Rucksacks belief sich mit Zelt, Verpflegung (für zunächst 5 Tage, da Nachkaufmöglichkeiten in allen Hütten) und abgespeckter Fotoausrüstung (1xDSLR mit 3 Objektiven a 16-35mm, 70-200mm und 90mm Makro, Reisestativ und 5 Reserveakkus, da in den Hütten kein Strom vorhanden) auf summa summarum ca. 17 kg, was für die erste Trekkingtour meines Lebens dann gar nicht mal so unsportlich war, speziell wenn es mal wieder bergauf ging. Angelgerät hat da leider keinen Platz mehr gefunden, weshalb es nur zum Schluss noch ein paar theoretische, aber hoffentlich äußerst interessante Ausführungen zu den (sogar vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf genutzten) Angelmöglichkeiten, insbesondere um Ammarnäs herum geben wird.

Text- und Bildmaterial folgen dann jetzt sukzessive in (un)regelmäßigen Abständen, wofür ich schon jetzt um Nachsicht bitte, denn mich plagt seit nunmehr über 5 Monaten rechtsseitig ein Tennisellenbogen
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, mit dem ich Maus- und Tastaturbedienung derzeit (und leider wohl auch bis auf weiteres) nur in stark eingeschränktem Maße bewerkstelligt bekomme.
 
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Debilofant

Well-Known Member
Die letzten Tage vor Reiseantritt war der Blick auf die Wetterprognose (klart.se) für die kommenden Wochen tägliche Pflichtlektüre, denn Mitte September kann es dort oben im Fjäll schon ziemlich ungemütlich werden. Tja, die Wetterfrösche orakelten leider ausgerechnet für das von mir gewählte Zeitfenster ab dem 09.09.2016 extramieses Sauwetter, null Sonne mit prickelnd viel Wind und Reeeeegen....
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Ich war drauf und dran, spontan meine Pläne über den Haufen zu werfen und auf ein anderes Zielgebiet mit besserer Wetterprognose auszuweichen (Abisko sah zum damaligen Zeitpunkt wesentlich besser aus), aber letztlich blieb ich auf Zielkurs und setzte mich mit eben ca. 17 kg Ballast auf dem Rücken bei hochsommerlichen knapp 30 °C von Hannover aus in den Zug. Laufen wollte ich die Strecke in "entgegengesetzter" Richtung, also von Hemavan nach Ammarnäs.

09.09.2016 (Ankunftstag):

Kurz nach Mittag tröpfelte es bei meiner Ankunft in Hemavan dann auch, wie vorhergesagt, bei knappen 10 °C schon sachte vor sich hin von einem durchgehend grau verschleierten Himmel. In meinem jugendlichen Übermut bin ich dann nicht zum offiziellen Wegeinstieg gestiefelt, sondern wollte gleich mal etwas abkürzen, also von der Ortsmitte schräg bergauf, um dann später auf den Kungsleden zu stoßen. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass um Hemavan herum ein regelrechtes Labyrinth an kleinen Wegen existiert, da viele Schweden nur für einen Kurztrip (zumeist per Flugzeug) übers Wochenende nach Hemavan reisen und daher in der näheren Umgebung zig Wanderwege und Trampelpfade geschaffen wurden. So musste es dann natürlich so kommen, dass ich den Zustieg zum Kungsleden zunächst verpeilt habe und schweißtriefend (mein erster Anstieg mit schwerem Rucksack) durch den Birkenwald gepflügt bin und im Endeffekt wohl sogar "Zusatzmeter" abgerissen habe - Anfängermalheur...

Erfreulich war zumindest, dass die Verfärbung der Vegetation bereits begonnen hatte, das von mir gewählte Zeitfenster also genau passte, und mir beim Anstieg durch den Birkenwald nur eine Mücke mal kurz um die Ohren gesummt ist, es sollte die erste und letzte der gesamten Tour bleiben. ab142

Anstiegspremiere durch den Fjällbirkenwald


Was ich leider nicht festgehalten habe, waren riesige Stein- und Birkenpilze mit esstellergroßem Schirmdurchmesser wie aus dem Bilderbuch, da ich der (irrigen) Annahme war, von diesen Exemplaren im Verlauf der Tour noch genügend zu sehen zu bekommen und dann halt bei besserem Wetter ein paar schicke Fotos machen zu können. Pustekuchen, denn im Fjäll und später auch um Ammarnäs herum gab es diese riesigen Pilze nicht mehr zu sehen. Ebenfalls nicht eingefangen (bekommen) habe ich meine erste live gesichtete und mit typischen Tauchgängen beschäftigte Wasseramsel, die sich um eine kleine Holzbrücke herum aufhielt.

Wasseramselhabitat

Als ich den Birkenwald hinter mir gelassen hatte, war ich bereits "fix und fettich" ab100und beschloss, mir demnächst einen passenden Zeltplatz zu suchen, denn ich hatte an diesem Tag ja ohnehin nicht besonders viel Zeit wegen der erst gegen Mittag erfolgten Busankunft. So richtig losgehen sollte es also erst am nächsten Tag mit dem Ziel der mitten im Norra Storfjället gelegenen Viterskalsstugan.

Geschafft - über der Baumgrenze


im Kahlfjäll


wolkenverhangener Murtsetoppen


zauberhafte Bodenvegetation


Etappenvorschau Richtung Viterskalet


Das war dann der (verkürzte) Ankuftstag. Fortsetzung folgt dann demnächst.
 
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Elmar Elfers

Chefredakteur
Ja, bitte mehr davon! Danke für den tollen Lesestart und Bilder thumbsup
 

ollidi

Krebssammler
Teammitglied
Mensch Raik, da haust Du ja wieder was raus. thumbsup
Bitte mach weiter so.
Aber einen Tennisellenbogen bei Deinem Beruf? :laugh2
 

Debilofant

Well-Known Member
@ Elmar und Olli: Danke!

Wie ich das mit dem Arm "geschafft" habe, weiß ich bis heute selbst nicht so recht, aber nachdem es soweit war, habe ich zumindest gelesen, dass too much Schreibtischarbeit, insbsondere Mausbedienung irgendwann halt in derlei Elend münden kann. Und, der Allerjüngste bin ich ja auch nicht mehr...
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10.09.2016 (1. Etappe zur Viterskalsstugan):
Als Übernachtungsplatz hatte ich mir einen etwas höher gelegenen Sattel mit passabler Aussicht ausgesucht, ziemlich schmerzfrei nur einen Meter vom Weg "entfernt". Nächtliche Ruhestörung blieb gleichwohl aus, soll heißen, es kam niemand des nachts vorbeigepoltert und ich habe meine erste Nacht draußen im Fjäll bei lauschigen 10°C ohne Zwischenfälle tiefentspannt durchgeratzt
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. Mit der Aussicht war es dann am frühen Morgen aber doch nicht mehr so uneingeschränkt prall, denn neben hin und wieder leichtem Getröpfel von oben schoben ganze Nebelbänke munter vor, neben, unter mir durch die Gegend. Zum benachbarten Artfjäll oder gar über die norwegische Grenze zum Okstindan hinüberschauen war also nicht drin. Der Nebel machte sich dafür in der näheren Umgebung als Fotozutat aber ganz gut, während ich mein Geraffel so pö a pö zusammenpacke.

Somewhere along the Highway


El Cielo


Night's Dew


In Between (Wolken-Sandwich)


Zuckerwatte


The Marriage of Heaven and Earth

Beim Multitasking aus Einpacken, Frühstücken und jeweils nebenher natürlich noch Betätigen des Kameraauslösers habe ich mir reichlich Zeit gelassen, denn mein Tagesziel, die Viterskalsstugan, würde ich auch im Bummeltempo locker erreichen. So ging es dann erst kurz vor 10:00 Uhr auf die sich aus Richtung Hemavan dann doch so langsam aber stetig mit zumeist Tagesausflüglern füllende Piste.
 

Debilofant

Well-Known Member
Von dem kleinen Sattel ging es zunächst wieder ein Stück bergab bis in etwa Höhe Baumgrenze, also nicht mehr reines Kahlfjell, sondern ein herrlich bunter Mix mit verstreut stehenden Birken unterschiedlichsten Färbestadiums. Ganz selten schaffte es, wie bereits auf dem letzten Bild zu erkennen, auch mal ein Sonnenstrahl durch das grauweiße Gewaber. Die beiden Schweden auf dem dritten Bild hatten im Gegensatz zu mir nur noch ein paar Kilometer bis zum Tourfinale, worüber sie auch froh waren, denn nach dem letzten von ihnen in Erfahrung gebrachten Stand des Wetterberichts sollte es die kommenden Tage richtig ungemütlich werden - verlockende Aussichten.

Lichtblick


Alone


Endspurt



aufgelockertes Farbenallerlei...


...mit freistehenden Birken entlang der Baumgrenze


Lorien

 

ralle

Leichtangler
Teammitglied
Schön Raik -- weiter so !! Da hättest Du mir aber im Abacus schon ne Vorabversion erzählen können !!
 

ollidi

Krebssammler
Teammitglied
Wirklich weltklasse. thumbsup
Ich warte nur auf die Bilder, wenn Dir ein Troll vor die Kamera läuft oder Galadriel aus Lorien herauswinkt. ;)
 

Debilofant

Well-Known Member
Nach Durchquerung so einiger Senken ging es dann wieder merklich bergauf und plötzlich öffnet sich dann nur wenige Meter nach all den farbenprächtigen Birken der Blick auf das praktisch baumlose Viterskalet.

Viterskalet

An dieser Stelle, da die drei sehr fotogen im Gänsemarsch von mir mit in die Bildkomposition eingeflochtenen schwedischen Mädels zu sehen sind, eine kurze Vorwegzusammenfassung, was an diesem Tag alles auf dieser Etappe auf den Beinen war. Neben auch nicht eben wenigen Langstrecken-Backpackern waren allein so um die 100 Tagestourist(inn)en zwischen Hemavan und der Viterskalsstugan unterwegs, es sollte also tatsächlich auch mal eng werden auf dem Wanderweg bzw. im weitläufigen Vindelfjäll. Von ganz jung bis ganz alt, ja sogar ganz auffallend viele junge Damen, es hatte regelrechten Volksfestcharakter. Und wie das so ist, man grüßt halt jede/n und schnackt hier und da, manchmal quatscht man sich auch regelrecht fest, und schwupps ertönte dann so manches Mal vor meinem geistigen Ohr Paulchen Panthers "Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon soooo spät...?"

Mein Tour-Geraffel und ich


Under the Bridge


Västra Syterbäcken

Dort, wo auf dem folgenden Bild sich in der Ferne das niedliche schwarze Loch wie von Geisterhand in der Wolkenwalze auftat, da so ungefähr lag mein Etappenziel. Da aber schon die ganze Zeit eine Wolkenfront nach der anderen bis jeweils zum Boden reichend in den hinteren Talkessel rollte, wetterte ich lieber noch ein Weilchen bei doch eher harmlosem Nieselregen ab. Das sah jedenfalls allein vom Zugucken aus der Ferne sehr respekteinflößend aus, wie es dort permanent bis über den Talgrund gewirbelt hat.

Wetterküche


Trail of Grief


World painted Blood


Farbzeitraffer: grün, gelb, rot


bunte Talwand


Meltdown


Cycling Colours


Auch wenn das Etappenziel an dieser Stelle noch nicht erreicht ist, ich mach' für heute Feierabend.
 

Debilofant

Well-Known Member
@ ralle: Vorabversion zu erzählen hätte in Berlin (auch) zu lange gedauert, da musst Du jetzt durch!
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@ Olli: Ich wäre ja schon froh gewesen, wenn mir ein Berglemming todesmutig vor die Linse gelaufen wäre, aber nicht einmal die haben sich getraut
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(bzw. war 2016 in diesem Areal wohl generell ein mieses Lemmingjahr).

...Fortsetzung:

Wie die im nächsten Bild dekomprimierte Perspektive der letzten Aufnahme erkennen lässt, lohnt es sich für so manche Aufnahme den Rucksack zur Seite zu legen und in diesem Fall einen Berghang ca. 50 Meter hinaufzulaufen, denn anders hätte ich den knallroten "Teppichläufer" nicht in den Bildvordergrund bekommen. An dem gegenüberliegenden Berg ist dann auch zu erkennen, dass ich mein Etappenziel totz aller Bummelei schon fast erreicht hatte.

Offroad

So war es trotzdem erst ca. 16:00 Uhr, als ich die Viterskalsstugan, in der ich aufgrund des angesagten Sturmes zu übernachten geplant hatte, dann erreicht habe. Von der nur wenige Stunden zuvor noch aus der Ferne zu beobachtenden Weltuntergangsstimmung, welche die auf 880m über dem Meeresspiegel gelegenen Hütten verschlungen zu haben schien, war zumindest an diesem Abend nicht mehr viel zu sehen, außer ein paar hier und da noch auf halber Höhe umherwabernde Wolkenreste, inzwischen auch schon durchsetzt von ein paar sonnigen Aufheiterungen. Vor und in der Hütte herrschte geselliges Chillout-Treiben, ja die Hütten waren leider schon um diese frühe Uhrzeit aufgrund der vielen Wochenendtouris und einer zudem extra aus Stockholm zur Erneuerung des verwitterten Hüttenanstrichs angereisten 10-köpfigen Arbeitstruppe überbelegt. Das bedeutete für mich und eine Gruppe aus drei jungen Schweden, dass wir uns gemeinsam im Notraum einquatieren mussten, was im Sommer durchaus immer wieder mal vorkommen kann, im Herbst aber doch eher ungewöhnlich ist. Beim Einchecken habe ich trotzdem gleich eine Jahresmitgliedschaft für den STF gelöst, denn die rechnet sich durch Ermäßigung der Übernachtungsgebühren bereits nach ein paar Hüttenübernachtungen auf einer Tour.

letzte Reste der Tieffliegerwolken


Viterskalsstugan (Vorderseite)


Viterskalsstugan (Rückseite)

Die Infrastruktur des Hüttenkomplexes sei anhand des Rückseitenbildes kurz wie folgt erläutert (v.l.n.r.):

- vorne links das Hauptgebäude mit dem Gemeinschafts- und Küchenbereich, mehreren Schlafzimmern, einem Trockenraum und dem Notraum
- ganz hinten rechts das Servicegebäude mit Wohnung für den Hüttenwirt, kleinem Proviant-Shop und weiteren Schlafzimmern
- vorne rechts eine rustikale 3er-Batterie Original-Plumpsklos mit durchweg gut gefüllter XXL-Grube (für sensible Zeitgenossen kein unbedingt zu empfehlender Anblick... ab127)
- rechts hinter den Plumpsklos der Brennholzschuppen

Außer einem Gasanschluss für die Küche im Hauptgebäude (rückseitig am Hauptgebäude aufgestellte Gasflaschen), diversen Holzöfen und drei Solarpanels für die Notstromversorgung des Hüttenwirts im Servicegebäude gibt es keine Annehmlichkeiten wie Strom/Licht oder fließend Wasser. Das bedeutet dann 10-Liter-Wassereimer - vom in diesem Fall ca. 80m entfernt fließenden Västra Syterbäcken bergauf - in die Hütte schleppen und das Abwasser jeweils wieder rausschleppen sowie nach Sonnenuntergang mit Kerzen und Kopflampen hantieren. Gleichwohl sind diese STF-Hütten so eine Art Luxus im Fjäll (am Tärnasjön und bei den Aigert-Hütten gibt es on top sogar noch eine Sauna).

Meine 3 Schicksalsgenossen aus dem Notraum haben an diesem Abend noch eine kleine Spähtour unternommen, Richtung Norra Sytertoppen, den sie bei passendem Wetter zu dritt erklimmen wollten. Da die Berggipfel aber allesamt noch in dicker Wolkensoße steckten, sahen die Voraussetzungen für dieses Vorhaben vorerst nicht allzu gut aus.

Spähtrupp


Beyond the Veil


Black Shape of Nexus

Etappe 1 ist damit geschafft.
 
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Debilofant

Well-Known Member
11.09.2016 (Etappenzwangspause):

Wie bereits vor meiner Abfahrt vom Wetterbericht angekündigt und auch vor Ort noch einmal von Einheimischen auf Nachfrage aktuell bestätigt, sollte es bereits im Laufe der Nacht vom 10.-11. September sehr ungemütlich werden. Die Holzhütte und auch das Plumpsklo, das ich ausgerechnet mitten in der Nacht mit Kopflampe aufzusuchen nicht umhin kam, wackelten und bebten (ich war's nicht ab54) vor sich hin. Zu dem stetig zunehmenden Wind kam dann bereits zu Tagesbeginn ebenfalls stetig zunehmender und dann über Stunden kübelweise niedergehender Starkregen hinzu. Das sah dann aus dem Hüttenfenster konkret so aus, dass die aus dem nicht bis zum Erdboden reichenden Regenabflussrohr der Servicehütte herausschießenden Wassermassen keine Chance hatten, den darunter liegenden Erdboden zu ereichen, denn unmittelbar an der Austrittsstelle wurden sie vom Wind erfasst und strahlförmig sofort waagerecht weggeblasen, d.h. es flog alles nur noch waagerecht durch die Luft.

Ein auf dem hütteneigenen Stellplatz noch am Vorabend aufgestelltes Zelt war binnen kürzester Zeit völlig plattgewalzt dem Erdboden gleichgemacht und wurde von seinem Besitzer mitten in der Nacht fluchtartig verlassen und nur noch notdürftig mit zusätzlicher Steinbeschwerung vor dem Davonwedeln gesichert. Wie später vom Hüttenwirt zu erfahren war, wurden an diesem Tag von den ca. 50 km Luftlinie entfernten Aigert-Hütten Windspitzen von bis zu 32m/s gemeldet. Als ich dies zur Kenntnis nahm, erschienen vor meinem geistigen Auge für den Rest der gerade erst gestarteten Tour anstatt leuchtend bunter Laubbäume nur noch komplett leergefegte Holzgestelle...
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Ab dem späten Vormittag setzte dann innerhalb von 4-5 Stunden auch noch ein Temperatursturz von ursprünglich ca. 8°C auf knapp 0°C ein, an dessen Ende dann aber - im Gegensatz zum Wind - wenigstens der Regen aufhören sollte. Bis dahin konnte man auch live miterleben, wie der Pegel des Västra Syterbäcken kontinuierlich anschwoll und selbst kleinste, seit der Schneeschmelze schon länger versiegte Rinnsale wieder munter vor sich hin sprudelten.

Um nicht den ganzen Tag untätig gegen den drohenden Hüttenkoller anzukämpfen, bin ich nach dem Regen in Vollmontur, also mehrere Kleidungsschichten mit winddichter Gore-Tex-Pro-Jacke als Hardshell, mit dem Fotoapparat vor die Türe gegangen, in der Hoffnung, in der näheren Umgebung vielleicht doch noch das ein oder andere zumindest annehmbare Fotomotiv aufzustöbern. Dieses Vorhaben habe ich aber nach nicht einmal 5 Kameraauslösungen bzw. knapp 200m Wegstrecke freiwillig abgebrochen, denn es war bei diesem Starkwind in Kombination mit knapp 0°C gelinde gesagt "a*rschkalt" ab102, da halfen auch all die Klamotten nichts, und Fotomotive haben sich unter diesen Umständen auch nicht wirklich aufgedrängt bzw. verwacklungsfrei realisieren lassen. Ersatzweise habe ich mich dann zur Wiederaufwärmung mit einer Handvoll anderer Hütteninsassen in den Brennholzschuppen verkrümelt und mit gemeinsamem Holzsägen und anschließendem Spalten der Holzklötze sinnvoll betätigt.

Einige der Wochenendausflügler mussten aber am Nachtmittag, da es Sonntag war, bei diesen mehr als grenzwertigen Witterungsbedingungen wohl oder übel zurück nach Hemavan aufbrechen (die armen Schw*ine), um ihre(n) Rückfahrt/-flug nicht zu verpassen. Hierdurch wurde dann auch für mich und die drei jungen Schweden in den regulären Schlafräumen ein Bett für die kommende Nacht frei. Unter meinen neuen Zimmergenossen war auch ein Jungspund aus der Region, konkret aus Malå, der ausschließlich zum Spinnangeln unterwegs war. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist die Angelei im Vindelfjäll Naturreservat grundsätzlich wohl nur in stehenden Gewässern erlaubt, Fließgewässerfischerei dagegen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - den Sami vorbehalten.

Unter dem Eindruck dieses Tages und der vergangenen Nacht war ich heilfroh, für den Anfang eine Strecke mit Hütteninfrastruktur gewählt zu haben, denn ich mochte mir kaum ausmalen, wie ich diese Situation, obwohl ich meine Ausrüstung auf grds. bis zu -5 °C ausgelegt und auch ein überdurchschnittlich sturmfestes Zelt (Nordisk Svalbard 1 Si, welches unter Laborbedingungen bei optimalem Aufbau und optimaler Befestigung im Windkanal wohl - theoretisch - bis zu max. 40m/s standhalten ...


... soll) ausgewählt hatte, ohne Möglichkeit einer Hüttenzuflucht als Anfänger halbwegs schadlos hätte überstehen sollen. Zugleich musste ich an einen Zugmitreisenden, den ich auf der Strecke von Kopenhagen bis Stockholm kennen gelernt hatte, denken, der (zum wiederholten Mal) eine Tour durch den Sarek machen wollte und, sofern es auch dort so oder gar noch übler gestürmt haben sollte, mit Sicherheit keine leichten Stunden zu überstehen hatte.

Den Umständen geschuldet, das einzige Bild des Tages mit kurzzeitig wieder zum Leben erwachten Rinnsalen, irgendwo aus den wolkenverhangenen Fjällweiten herausgepickt.

Monotony Fields
 
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Debilofant

Well-Known Member
12.09.2016 (2. Etappe):

Das Sturmtief war letztlich sogar noch ein Stück weit heftiger zugange als vorhergesagt und hatte sich erst über Nacht merklich abgeschwächt, immerhin. Als Resultat der außerplanmäßigen Drehfreudigkeit hat es aber wohl die Großwetterlage dermaßen durcheinandergewirbelt, dass der neue Tag entgegen der ursprünglichen Wettervorhersagen mit strahlendem Sonnenschein begann und der Hüttenwirt für diesen und den kommenden Tag "fine weather" versprach - Juchuuu, ein Wunder! ab96

Empfindlich kühl war es aber dennoch und auch ein zumindest noch sportlicher Wind wehte dazu weiterhin, weshalb beim Aufbruch zunächst komplette Zwiebelmontur angesagt war. Ganz oben auf den (hinteren) Bergen lag sogar ein klitzekleiner Hauch von Puderzucker, der aber in kürzester Zeit von der Sonne wieder weggebrutzelt wurde und auf dem ersten Bild daher leider kaum zu sehen ist.

Sonne, Wind und frischer Puderzuckerstaub auf den Bergen

Für die drei Schweden, mit denen ich die meiste Zeit in der Hütte verquatscht hatte, war nun die Zeit gekommen, ihre Bergtour auf den Norra Sytertoppen in Angriff zu nehmen. Ich hatte kurzzeitig überlegt, mich mit einzuklinken, aber einen fürs Bergsteigen passenden Kleinrucksack, in dem sich ausreichend Getränkevorrat, Schlechtwetterklamotten und diverser weiter Krams unterbringen ließe, hatte ich ja nicht auch noch mitschleppen können, also blieb ich bei meinem Etappenprogramm, das da lautete, einmal scharf ca. 90° rechts in das Syterskalet abbiegen und dann (fast) immer geradeaus, dann noch einmal scharf ca. 90° links abbiegen und wieder (fast) nur noch geradeaus zur Syterstugan. Ein kurzes Stück habe ich die drei schwedischen Jungs noch bis zur anno 2016 nigelnagelneu aus dem Boden gestampften Brücke über den Västra Syterbäcken begleitet, wo sich dann zu Beginn des Syterskalets, das sich als perfekt modelierter Windkanal präsentierte, unsere Wege wieder trennten. Die kleine Brücke sollte, wie ich später einmal im Internet gelesen/gesehen habe, nur 1 Saison halten, sprich während der Schneeschmelze 2017 hat es die Konstruktion fein säuberlich zur Gänze in Kleinholz zerlegt (war wohl zu niedrig mit zu wenig Freiraum nach unten aufgesetzt). Ohne Brücke war dies in der Vergangenheit jedenfalls eine der ganz wenigen Stellen, an denen man mangels Brücke furten und bei zu hohem Pegelstand oder zu niedrigem/nicht wasserdichtem Schuhwerk halt nasse Füße in Kauf nehmen musste.

Das Syterskalet gilt in Schweden als schönstes Trogtal (oder zumindest eines der schönsten Trogtäler), weil links wie rechts durchgehend von mächtig hoch und steil emporragenden Felswänden eingerahmt und nahezu perfekt u-förmig. Wenn man so will, das südliche Pendant zum weitaus bekannteren Trogtal mit ebenso nahezu perfekter U-Form in Sichtweite des nördlichen Einstiegs auf den Kungsleden, der Lapporten-Pforte bei Abisko.

sonnendurchflutetes Syterskalet


Fin topptur och farvel!

Zwischendurch sah es dann zeitweilig nach überraschender Wetterverschlechterung aus, aber so schnell die dunklen Wolken über dem Syterskalet und dem Norra Sytertoppen aufgezogen waren, so schnell waren sie (zum Glück) auch wieder verschwunden.

Graue Wolken


Herbstlich gebräunte Nordwand des Syterskalet

Am Ende der Taldurchschreitung geht es dann über zum Teil langgezogene Holzbohlen stufenartig ganz sachte bergauf und man sieht in Laufrichtung nur noch den Himmel über einem zum Greifen nahe wirkenden Horizont bei mittlerweile um die 900 Höhenmeter.

Stairway to Heaven
 
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Schwedenangler

Hechtfänger
Was für beeindruckende Bilder!!! Freue mich auf die Fortsetzung :)
 

Debilofant

Well-Known Member
@ Schwedenangler: Danke, und Fortsetzung wird es noch (reichlich) geben. Voraussichtlich werde ich aber noch etwas mehr stückeln (müssen), damit die Ladezeit der Seite nicht zu sehr strapaziert wird.

... Fortsetzung:​

Hinterm Horizont erwartetet mich zum Glück noch keine geöffnete Himmelspforte, sondern realirdischer Infrastrukturservice für das Wohlbefinden der Langstreckenwanderer. Neben einer Hütte der Rentierwacht stehen am Ausgang des Syterskalet für den Notfall nämlich (nicht von ungefähr) eine kleine Wetterschutzhütte und zwei Plumpsklos. Letztere werden allerdings auch bei eitel Sonnenschein nicht zu knapp frequentiert, denn als ich dort vorbeilaufe, stehen die ersten mir aus Richtung Syterstugan an diesem Tag entgegenkommenden Wanderinnen schon "Schlange".

Die Vegetation wurde praktisch alle paar hundert Meter immer karger, teilweise noch nicht einmal mehr geschlossene Grasdecke, was erahnen lässt, wie unwirtlich es witterungstechnisch am Aus- bzw. Eingang des Syterskalet die meiste Zeit des Jahres zugeht. Hinzu kommt, dass in diesem Bereich die Spuren der Eiszeit und der bis heute im Norra Storfjället noch im Miniaturformat vorhandenen Gletscher nicht zu übersehen sind.

Wetterschutzhütte & Co. am Talausgang


"Warteschlange"


Kaum bewachsene Geschiebelehm- und -mergelhalden vorm Norra Sytertoppen (1768m)...


... und vorm Södra Sytertoppen (1685m)

Zur Orientierung innerhalb des Weglabyrinths (neben dem Kungsleden gibt es noch zig lokale Wanderrouten), welches sich gerade am Ausgang des Syterskalet auffächert, gibt es vorbildlich in Schuss gehaltene Wegweiser, also alles easy.

Verkehrsknotenpunkt


Die "Lapportenpforte" des Südens: Der Aus-/Eingang vom Syterskalet
 

Debilofant

Well-Known Member
Der einizige nennenswerte, aber dafür auch recht langgezogene Anstieg des Tages war dann am Sjul-Olsaxeln, einem schulterähnlichem Bergrücken in Verlängerung des Norra Sytertoppen, zu bewältigen. Das hieß, Jacken (endlich wieder) ausziehen bis aufs Trekkinghemd, denn der Wind war inzwischen fast vollständig eingeschlafen und der Planet von oben brannte inzwischen auch anständig - Kaiserwetter!

Anstieg am Sjul-Olsaxeln

Während dieses Anstiegs passiert man zwischendurch ein ausgedehntes, nach Südosten hin gelegenes Hoch- bzw- womöglich zugleich auch Hangmoor mit bilderbuchmäßig ausgeprägtem Bult-Schlenken-Komplex, der vom reichlichen Niederschlag der letzten Tage auch gut mit Wasser gefüllt war.

Hoch- bzw. und/oder Hangmoor

Sobald man den Bergrücken erklommen hat, zieht sich dieser zunächst wie ein weitläufiges Plateau hin und macht einen ausgesprochen kahlen, schon beinahe steppen-/steinwüstenartigen Eindruck (der mich bis einschließlich heute gewaltig getäuscht hat). Der spärliche Bewuchs, der teilweise schon auf den letzten Bildern in Gestalt netzartig versprengter gelber Pünktchen zu sehen war, war dort abschnittsweise - im Wechsel mit dem rostbraunen Flickenteppich aus Grasbüscheln (m.E. Alpen-Schmiele) - sogar großflächig anzutreffen. Was für mich zunächst wie ein schön anzuschauender (weil passend zum Himmelblau gelb kontrastierend) moos- oder flechtenartiger Überzug aussah, hat sich nach ein wenig Recherche als Baum- bzw. Zwergstrauchart ab63 entpuppt. Uff, es gibt also tatsächlich Weidenarten, die umgangssprachlich vereinfacht mitunter als "Gletscherweiden" bezeichnet werden. Die haben sogar Stamm und Zweige, die man dummerweise halt nur nicht sieht, weil das von Mutter Natur den klimatisch extremen Bedingungen entsprechend kurzerhand neben den Wurzeln gleich mit ins (schützende) Erdreich verfrachtet wurde. Auf den Bildern handelt es sich m.E. mithin um herbstlich (als Zwischenstadium) gelb verfärbte sog. Kraut-Weiden (evtl. auch Polar-Weiden, aber m.E. eher nicht) mit oberirdischer "Wuchshöhe" von satten 2 cm bis max. 10 cm. Wie ich jetzt weiß, hat sich kein Geringerer als Carl von Linné über diese Kraut-Weiden - passend - wie folgt geäußert: "Der kleinste unter allen Bäumen". Wem in Sachen Miniatur-Bäumchen bislang nur japanische Bonsai-Zuchtbäume bekannt gewesen sind, muss halt wie ich, umdenken. Man lernt halt nie aus.

Wen es interessiert, der kann auf insgesamt knapp 6 Seiten wissenschaftlich fundiert mehr über diese äußerst sonderbaren Eiszeitrelikte hier nachlesen, einschließlich einer m.E. mit meinen Bildern zu 100 % übereinstimmenden Beschreibung der Standortbedingungen und -vorlieben (ab S. 30 unten dann speziell zur Kraut-Weide):


ausgedehnter Flickenteppich aus rostbraun verfärbten Alpen-Schmielen ...


... auf dem Sjul-Olsaxeln (vor dem Norra Sytertoppen und dem Morhtetjåhke)


A Forest (aus Kraut-Weiden)

Der letzte Part ist dann ein langer Abstieg hinunter zur Syterstugan bis in etwa Höhe (eigentlicher) Baumgrenze, zu dessen Beginn ich, dem Wettergott Thor sei gedankt, einen überwältigenden Ausblick auf das Vindelfjäll auf dem Silbertablett präsentiert bekam. Im Vordergrund der Schärengarten des Tärnasjön und im Hintergrund das Ammarfjället mit seinem markanten Eckpfeiler, dem Berg Suvlåjvvie. Ich weiß nicht, ob es nur mir so ging/geht, aber beim ersten Anblick des Schärengartens musste ich irgendwie/unweigerlich an die finnische Ostseeküste denken. Vielleicht entstammt ja sogar die Inspiration eines Songtitels einer von mir hoch geschätzten schwedischen Band aus Umeå, Cult of Luna, ja gerade von einem Besuch dieser Ecke bzw. einem Trip auf diesem von Umeå aus auf dem Blå Vägen (E 12) relativ schnell zu erreichenden Abschnitt des Kungsleden ("Finland" vom Album "Somewhere along the Highway"), wer weiß ...

"Finland" (Tärnasjön)

PS.: Sollte ich mit meiner laienhaften Pflanzenbestimmung daneben liegen, lasse ich mich natürlich gerne von Herrn Peschutter oder halt sonst jemandem, der sich von Berufs wegen vielleicht eher/genauer damit auskennt, korrigieren ...ab109
 
Zuletzt bearbeitet:

Tomasz

Well-Known Member
Sehr schön, humorvoll und interessant geschrieben. Das beleuchtet (im wahrsten Sinne des Wortes) Lappland nochmal von einer ganz anderen Seite, als wir es im kalten Winter erlebt haben. Die Farben und Formen der Landschaft und der Vegetation sind außerordentlich beeindruckend und klasse im Foto eingefangen.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzungen.

Gruß

Tomasz
 

ollidi

Krebssammler
Teammitglied
Ich weiß echt nicht, wie ich schriftlich meine allerhöchste Anerkennung dafür ausdrücken kann.
Dein Bericht inkl. Bilder und dem von Dir ja durchaus gewohntem schriftlichem Begleitmaterial ist einfach weltklasse!!!

Bitte, bitte bring auch zukünftig solch absolut geniale Berichte. thumbsup
 

Debilofant

Well-Known Member
@ all: Merci! ab19

@ Olli: Bei der mir noch zur Verfügung stehenden Zeit, ist das leider ein inzwischen kaum noch zu bewältigendes Problem. Ich bin ja mit dem aktuellen Bericht schon um Jahre hinten dran, weil das Ausmisten und Entwickeln/Nachbearbeiten der Bilder, das frisst Zeit ohne Ende. Ich habe allein von den letzten Norwegenurlauben 2017-2019 tonnenweise Bildmaterial auf der Festplatte liegen, das ich gerade mal grob vorsortiert habe, mehr nicht. Sicherlich, zum Verstauben definitiv zu schade (darunter 2 x Aufenthalt unter der Mitternachtssonne bei überwiegend Traumwetter, signifikant gesteigerter und mir auf Lebenszeit langender Heilbutt-PB und auch bei meinen Mitfahrern mehrere persönliche Bestmarken, 5 Gipfeltouren, etc.). Aber, wenn überhaupt, dann wird es (irgendwann) wohl eher eine Zusammenfassung im Stile eines Revierreports bzw. eines stark komprimierten Best of der letzten Jahre (ausnahmsweise 3 x hintereinander dieselbe Location besucht) geben anstelle von 3 ausführlichen Einzelberichten, denn das packe ich zeitlich aller Voraussicht nach nicht mehr, leider.

... Fortsetzung:

Bevor ich mich an den Abstieg machen kann, tauchen plötzlich wie aus dem Nichts die ersten Rentiere auf. Im Gegensatz zu meinen bislang auf und an den Straßen(rändern) oder in Norwegen teilweise unmittelbar vor Ort (etwa Torsvåg auf Vannøya) gesammelten Erfahrungen, verhielten sich die Rentiere im Fjäll völlig anders. Stets penibel auf einen Mindestsicherheitsabstand von mindestens 50-100m bedacht, also alles andere als handzahm bzw. ignorant. So war dann auch mit dem kurz zuvor für das Bild vom Tärnasjön aufgestöpselten Telezoom an formatfüllende Nahaufnahmen nicht ansatzweise zu denken, weshalb ich mich dann halt auf die Schnelle an Rentieraufnahmen mit Habitatambiente drumherum versucht habe. Der Nebengipfel des Norra Sytertoppen, der Morhtetjåhke (bedeutet übersetzt "kahler Berg"), vor dem die Rentiere von meinem Standpunkt aus gesehen entlang zogen, erwies sich hierfür als äußerst dankbare Kulisse.

Durchziehender Rentiertrupp ...


... vor der Kulisse der urtümlich vernarbten Abbruchkante...


... des Morhtetjåhke

Wie sich dann wenige Sekunden später herausstellen sollte, waren die Rentiere hier aber nicht ganz freiwillig bzw. nicht ohne Begleitung unterwegs, denn es tauchte plötzlich hinter dem nördlichen Hang des Sjul-Olsaxeln in bester Airwolf-Manier ein Hubschrauber
s065.gif
auf, dessen Besatzung mich mit meiner Kamera ob des spionageverdächtigen Telezooms ebenso argwöhnisch beäugte wie ich die vermeintlichen Luftpiraten, deren bordinternen Dialog ich in diesem Moment nur zu gern mitgelauscht hätte ... Immerhin, kein UFO, aber was zur Hölle donnern die denn allen Ernstes hier im Tiefflug übers Fjäll den Rentieren hinterher, fragte ich mich in diesem Moment? Jäger, Wilderer? Ein paar Flugmanöver später war dann klar, dass dies die moderne Hightech-Variante des traditionellen Rentierabtriebs von den Sommerweiden war, denn im Herbst werden die Rentiere zu Sammelstellen dirigiert und dort neu sortiert/zum Teil geschlachtet. Hm, wieder eine Illusion flöten bzw. ein Sami-Klischee weniger, also nichts mit wildromatisch Lasso schwingenden Trachtenmännern und -frauen, die ihre jahrhundertealten Traditionen bis ins moderne Zeitalter unverändert fortführen.

"Du, sag' mal, seit wann haben wir denn hier oben rosa Schweine auf der Weide herumlaufen
d075.gif
"



Husch, husch, zur Sammelstelle mit Euch!
 
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