Ich fahr‘ mal eben eine Runde….

…twichten, wobbeln, jiggen, jerken, vertikalen, topwatern, schleppen, spoonen, faulenzen, schluren. Stopp. Schluren? Ja richtig, schluren. Es gibt wohl kaum ein Bereich der Angelei, der in den letzten eineinhalb Jahrzehnten so viele neue Facetten und Techniken hervorbrachte wie das (moderne) Spinnfischen. Das Tackle wird immer ausgefeilter. Die Ruten leichter und schneller, die Rollen ebenfalls leichter, robuster und versehen mit höheren Übersetzungen, nahezu unsichtbares Vorfachmaterial und 3D realistische Köder lassen schnell den Eindruck entstehen, dass ohne das ganze High Tech Equipment keine Fische mehr zu fangen sind. Was kommt als Nächstes? Ich persönlich hoffe, dass die Entwicklung bald etwas langsamer von Statten geht. All die Neuerungen der letzten Jahre helfen sicherlich Fische zu fangen, dennoch darf der eigentliche Fokus nicht aus dem Auge verloren gehen. Nahezu 80 Prozent eines jeden Gewässers sind fischleer und wird dort der Köder platziert, egal wie realistisch dieser ist und wie hochwertig, modern und oftmals auch teuer der Rest der Ausrüstung ist, der Erfolg wird ausbleiben. Hinzu kommt das oftmals „angeprangerte Hochleistungsfischen“. Ja, wenn ich draußen bin möchte ich auch etwas fangen aber das kleine Abenteuer, die Freiheit am oder auf dem Wasser kombiniert mit einer schönen Natur zählen ebenso. Ich wünsche mir nebst tollen und großen Fischen ebenso viel Spaß und eine jeweils gute Zeit.

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Schicker Hecht für Falko Simonis

In den folgenden Zeilen geht es nicht um spezielles Gerät, auch nicht um eine Wunderwaffe die ohne Zutun von nahezu alleine große Fische fängt sondern einfach darum, eine Methode darzustellen, die bei richtiger Anwendung an Gewässern mit der passenden Unterwasserstruktur manchmal das i-Tüpfelchen ausmachen kann. Besonders erfreulich ist, dass nahezu kein spezielles Gerät oder besonders ausgefeilte Köder notwendig sind. Ich nenne diese eigentlich sehr simple Technik liebevoll „schluren“. Um den Zeilen ein wenig Struktur zu verleihen, sind diese in die Bereiche Gewässer(struktur), Technik, Gerät, Köder und Zielfische untergliedert.


Gewässer(struktur):

Ich befische sehr gerne Großgewässer mit Wasserflächen über mehreren tausend Hektar, dass Gefühl der Freiheit ist auf diesen Riesengewässern einfach unbeschreiblich. Dafür werden lange Anreisen in Kauf genommen und die dafür zurückgelegten Entfernungen summieren sich jährlich schnell auf über 10.000km auf. Natürlich funktioniert das Schluren auch an kleineren Gewässern, besonders effektiv ist es aber, wenn die klassischen Unterwasserkanten mehrere hundert Meter oder gar Kilometer lang sind, da etwas Raum benötigt wird. Bei zu kurzen Kanten besteht die Gefahr, dass die Fischerei unsauber wird. Beim Schluren geht es nicht darum kleine Spots intensiv auszufischen sondern darum, große Gewässerbereiche aktiv abzusuchen. Sind die Spots zu klein, sollten diese lieber punktuell ausgefischt werden, egal mit welcher Methode. Nebst großen Seen eignen sich auch langsam fliesende Flüsse oder monotone Kanäle hervorragend. Besonders in den klassischen, künstlich angelegten Schifffahrtskanälen sind klassische Spots oftmals Mangelware. Ferner handelt es sich oftmals um sogenannte low stock Gewässer, bei denen jeder Fisch umso mehr gesucht, gefunden und überlistet werden mag und wir uns die Monotonie des Strukturverlaufs unter Wasser zu Nutzen machen können. Checkt einfach mal, ob Ihr ein entsprechendes Gewässer befischt. Befinden sich lange, gleichmäßig verlaufene Kanten unter Wasser, ist der erste Punkt erfüllt und einem Versuch steht nichts im Wege.

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Hier hat der Autor defintiv den Hotspot gefunden


Technik:

Alle eingangs genannten Techniken haben absolut Ihre Daseinsberichtigung und sind im Einzelnen zur richtigen Zeit am richtigen Spot extrem effektiv. Schluren stellt in vereinfachten und zusammengefassten Worten eine Kombination aus vertikalen, jiggen und schleppen dar. Vorweg sei erwähnt, dass für eine effiziente Schlurerei ein Boot von Vorteil, ja nahezu unabdingbar ist. Ebenso ein Motor, da eine Hand für die Rutenhaltung und -Führung benötigt wird. Rudern ist durchaus auch möglich, dann müssen aber zwei Personen an Bord sein und nur eine Person kann fischen.

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Auch auf Zander klappt die Methode

Die Vertikalfischerei beschäftigt sich nahezu, wie der Name vermuten lässt, vertikal unter dem Boot und stellt eine punktuell sehr effiziente Methode dar. Der Nachteil ist die oftmals eingeschränkte Reichweite bei Geschwindigkeiten von maximal einem halben km/h. Das Jiggen, einer meiner Lieblingsmethoden, besonders wenn eine Unterwasserkante von oben nach unten abgefischt wird und die Standorte der Fische ausfindig gemacht wurden, hat eine ebenso reduzierte Reichweite, da entweder vom verankerten Boot aus gefischt wird oder je nach Wassertiefe der entlanglaufendenden Kante die Driftgeschwindigkeit ebenfalls maximal einen halben km/h beträgt. Die klassische Schleppfischerei hingegen lässt wesentliche höhere Geschwindigkeiten zu, gerne bis zu viereinhalb km/h, wäre somit bestens geeignet um lange Kanten abzusuchen, ist aber in der Regel verhältnismäßig monoton und löst unter Umständen bei nahezu gleichbleibenden Zug nicht den gewünschten Beißreflex aus. Wie können wir also die jeweiligen Vorteile möglichst effizient miteinander kombinieren? Gut wäre eine Drift- bzw. Fahrgeschwindigkeit von ca. eineinhalb km/h, um entsprechend Strecke machen zu können. Ferner soll die Kante möglichst effizient ausgefischt werden und ein möglicher Beißreflex provoziert werden. Haben wir eine entsprechende, lange Kante an einem Gewässer gefunden, wird ein dem Zielfisch angepasstes Gummi in relativ weiter Entfernung hinter dem Boot ausgeworfen. Die exakte Entfernung hängt von der Aktivität der Fische sowie der Fahrgeschwindigkeit und dem Gewicht des Bleikopfs ab. Als Richtwert testet orientiert euch an einer Entfernung von ca. 15-20m. In diesem Entfernungsbereich sind die Zugphasen nicht zu steil und der Kopf kann immer noch leicht genug gewählt werden, um die Absinkphase verführerisch zu gestalten. Eine kürzere Entfernung erleichtert zwar die Köderkontrolle, dadurch werden aber die Zugphase zu steil, die benötigten Bleikopfgewichte zu hoch und somit die Absinkphasen zu schnell. Nachdem der Köder zum Grund gesunken und die Fahrtgeschwindigkeit eingestellt ist, wir die Rute in gleichmäßigen Zügen von vorne unten nach hinten oben angezogen. Nachdem die höchste Stellung erreicht ist, wird die Rute wieder nach vorne unten geführt. Durch diesen immer widerkehrenden Bewegungsablauf erhält der Köder eine Wellenbewegung mit schnellen Beschleunigungsphasen während des Anziehens und langsamen Absinkphasen beim Zurückführen der Rute.

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So wird der Köder geführt


Um ein Gefühl für das Zusammenspiel von Bleikopf, Fahrgeschwindigkeit und Köderverhalten zu bekommen, empfehle ich eine verhältnismäßig flache Kante um die 4m zu suchen. Wir wählen den Bleikopf so schwer, dass er bei der gewählten Geschwindigkeit unter Berücksichtigung des Abstands zum Boot, bei jedem Nachgeben der Rute bis maximal kurz über den Grund absinkt. Von einer direkten Grundberührung sehe ich ab, da die Gefahr Kraut, Muscheln o.ä. einzusammeln zu groß ist. Durch die verhältnismäßig große Entfernung hinterm Boot, in gewissen Situationen sind Entfernungen über 30m keine Seltenheit, können im Verhältnis leichtere Bleiköpfe eingesetzt werden. Durch das geringere Gewicht, erhält der Köder beim Zurückführen der Rute ein anderes Absinkverhalten als bei einem höheren Gewicht. Ferner kann der Zielfisch den Köder wesentlich besser anvisieren, da die Absinkphase länger andauert. Die reine Absinkphase kann nach ein wenig Übung je nach Schnurspannung stark variiert werden, dies erweitert die Möglichkeiten enorm. Je geringer die Spannung gehalten wird, desto steiler und schneller sinkt der Köder nach unten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einer zu schnellen bzw. steilen Absinkphase die maximale Sinktiefe des Köders erhöht wird und dadurch Grundkontakt entstehen kann. Um einen Beißreflex bzw. den Jagdinstinkt auszulösen, werden die schnellen Beschleunigungsphasen genutzt. Die Bisse erfolgen dann in der Regel in der Absinkphase.

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Auch dieser Hecht konnte nicht widerstehen

Gerät:

Mein Lieblingsgerät besteht aus in der Regel verhältnismäßig kurzen Ruten um die 2,20m lang, fernab des Zielfisches. Diese Ruten ermöglichen aufgrund der Kürze und damit verbundenen, geringeren Gewichts ein ermüdungsfreies Fischen, sind aber noch lang genug um dem Köder die notwendige Aktion zu verleihen. Wird gezielt mit Großködern auf Hecht gefischt, müssen Rute, Rolle, Schnur und Vorfach natürlich darauf abgestimmt sein. Ob eine Stationärrolle oder Multirolle dabei zum Einsatz kommt, ist Geschmackssache und jedem selbst überlassen. Da der Köder nur selten geworfen wird, kann selbst beim Einsatz von großen Ködern mit Gewichten über 100gr. verhältnismäßig leicht gefischt werden. Meine Lieblingskombination für die reine Hechtfischerei besteht z.B. aus einer Iron Claw The Tool2 Crank & Blade und The Tool Multirolle bespult mit einer kräftigen, mindestens 0,20mm starken, geflochtenen Schnur.

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Iron Claw The Tool2 Crank & Blade

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The Tool Multirolle


Für Zander und Barsch darf es natürlich gerne eine Nummer feiner sein. Hier kommt bei mir meist eine Doiyo Shuma Heavy Twichting und Iron Claw Niyo X 3000 Stationärrolle zum Einsatz.

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Doiyo Shuma Heavy Twichting




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Iron Claw Niyo X 3000


Eine 0,15mm starke Schnur reicht hierfür in der Regel aus, besitzt verhältnismäßig wenig Wasserwiederstand bei zugleich ausreichenden Reserven wenn doch einmal ein Hecht beißt. Oftmals werden Schulen von Barschen und Zandern angefunden. In diesem Fall bietet mir die Stationärrolle mehr Flexibilität um z.B. das Boot kurz aufzustoppen und einen Trupp der Stachelträger mit ein paar Würfen auszufischen. Dafür habe ich sogar meist zusätzlich noch eine klassische Wurfrute im Boot liegen. Sind einmal Fische nach langem Suchen gefunden, nutze ich gerne die Chance auf mehrere Kontakte und die Abwechslung des Werfens tut auch sehr gut.

Wer das Schluren aber einfach einmal ausprobieren möchte, kann dies auch mit einer klassischen Spinnrute um die 2,70m oder aber im extremen Gegenbeispiel mit einer kurzen Vertikalrute um die 1,90m Länge.


Köder:

Eine Besonderheit des Schlurens ist, dass Ihr eure Lieblingsgummis einsetzen könnt. Egal ob groß, klein, naturgetreu, in Schockfarben, action oder No Action Shads, es funktioniert. Hardbaits jeglicher Art sind dabei fehl am Platz aber mit Sicherheit hat jeder Spinnfischer die ein oder andere Box mit verschiedenen Gummis im geliebten Angelzimmer liegen. Mein Extratipp, unterschätzt No action Shads nichts. Dies gilt nicht nur fürs Schluren. Weiterhin empfehle ich dem Gewicht des Bleikopfes zu variieren, immer unter Berücksichtigung der Entfernung zum Köder, Gewässertiefe und Fahrgeschwindigkeit. An besonders schwierigen Tagen können kleinste Unterschiede im Absinkverhalten den Unterschied machen. Auch wenn der Wechsel bei einem z.B. 18cm großen Hechtgummi von 17 auf 19 Gramm marginal erscheinen mag, es kann den Unterschied ausmachen.


Zielfische:

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Auch Barsche beißen auf diese Methode

Als Zielfische kommen in erster Linie die drei klassischen Raubfische Hecht, Zander und Barsch in Frage. Ein Beifang in Form von Wels und Rapfen kann vorkommen, ein gezieltes Schluren auf diese zwei sehr interessanten Sportfische ist allerdings nicht zu empfehlen. Für Rapfen ist die Köderführung eindeutig zu langsam und für eine gezielte Fischerei auf den größten, vorkommenden Raubfisch greife ich lieber zur Vertikal, bzw. Spinnangel und fische kleine Spots aus. Da lange Kanten benötigt werden bzw. hilfreich sind, richtet sich der Zielfisch oftmals auch ein wenig nach der Jahreszeit. Steht z.B. die richtig kapitalen Barsche und Hechte im Winter flacher als gedacht, können schöne Zander die Hauptbeute sind. Besonders im Herbst aber, von Oktober bis November, bietet die Fischerei an der Kante, egal ob die erste oder zweite Kante, oftmals ein buntes Zielfisch-Spektrum und beim Einsatz von Ködergrößen zwischen 10-16cm, kann mit etwas Glück das Triple bestehend aus Barsch, Hecht und Zander schnell „voll gemacht“ werden.


Fazit:

Wie erwähnt, ist das Schluren im Prinzip recht einfach. Die Schwierigkeit liegt darin, den Köder am Ende der Absinkphase durch das richtige Verhältnis von Gewicht des Bleikopfes und Fahrgeschwindigkeit möglichst nah am Grund zu halten sowie die Zug- und Absinkphase so zu timen, dass ein Beißrefelx ausgelöst wird. Nach einem halben Tag üben sollte dies aber bereits ganz gut klappen und der erste geschlurte Räuber lässt hoffentlich nicht lange auf sich warten. Wenn Ihr ein Gewässer mit passender Struktur befischt, testet es einfach mal.

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Dicke Kirsche für Falko Simonis
 
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