Zu Gast bei Marlo Flyfishing: „Ich baue nur Dinge, die man braucht!“

Nach über zwei Jahrzehnten aus einem sicheren Job aussteigen, um mit Fliegenfischer-Tackle Geld zu verdienen. Ein gewagtes Unterfangen, das Marlo Bardehle immer wieder machen würde. Elmar besuchte den Liebhaber feinster Rollentechnik.

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Farbe beim Fischen

Es ist nasskalt an diesem Januartag. Ich quäle mich mit meinem Hund über die Elbchaussee Richtung Osten. Ziel ist ein hübsches Haus am Deich. Daneben befindet sich eine „Ideenschmiede”. Auf dem Parkplatz stoppe ich den Motor, schnappe mir Hund und Kamerakoffer. „Moin”, tönt es durch den Regen. „Moin”, antworte ich und treffe den Menschen, der für sein Tackle mit seinem Namen steht. Und das wortwörtlich: Marlo Bardehle von, genau, Marlo Flyfishing. Wir kennen uns schon länger. Aber diesmal möchte ich tiefer in sein Leben, seine Passion eintauchen.

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Grobes Gerät für feine Arbeiten

Qualität muss sein

Direkt neben seinem Wohnhause betreten vier Pfoten und zwei Beine den heiligen Gral der Ideenfindung. Im unscheinbaren Holzhüttchen finden sich Werkbänke, Zeichnungen, diverse Werkzeuge, verschiedene Maschinen, Rollenteile, Unmengen an Aluspäne und das Herzstück, eine Maschine zum Zerspanen. „Hiermit kann ich mich richtig austoben. Es entstehen neue Prototypen, Einzelstücke oder ich fertige Auftragsarbeiten an”, beginnt Marlo zu erzählen. Während er die Maschine für ein Achse vorbereitet, lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Genauso habe ich mir das vorgestellt. Hier ist er Tüftler, hier ist er sein eigener Chef.

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Marlo konzentriert bei der Arbeit

„Ich mag nicht, Rollen in Serie selbst zu fertigen. Ich lebe mich lieber an Einzelstücken aus und überlasse die Serienproduktion meinen Partnern in China”, erklärt mir Marlo und fügt hinzu: „Früher war Chinaware häufig verpönt. Doch die Zeiten haben sich verändert. Wer bereit ist, für gute Arbeit gutes Geld zu zahlen, erhält Qualität. Ich arbeite mit verschiedenen Unternehmen zusammen, die einzelne Produktionsschritte übernehmen.”
Während wir uns unterhalten merke ich, dass mein Gegenüber für seine Sache brennt. Hier arbeiten Hände mit Leidenschaft. Marlo schaut auf Produkte mit einem geschulten Auge. „Wenn ich Dinge sehe, die aufwendig mit Kopf und Verstand sowie fachlichem Wissen hergestellt wurden, dann ist das großartig! So etwas begeistert mich. Bei meinen Produkten setze ich auf beste Ausgangsmaterialien, mit denen ich meine Ideen und die optimale Rollentechnik umsetzen kann.”

Werdegang
Ich frage ihn, ob er schon immer mit Marlo Flyfishing seine Brötchen verdiente. „Nein”, lacht der Norddeutsche, „früher habe ich in einem ordentlichen Beruf gearbeitet. Spaß beiseite, meine jetzige Tätigkeit macht mir viel Freude, aber meine Berufslaufbahn hat einige Stationen.” Ich erfahre, dass er Dreher gelernt hat. Darauf ist er stolz, genauso wie auf die weiteren beruflichen Positionen. Als Zerspanungsmechaniker begleitete er die Auszubildenden im Betrieb, wechselte dann in die Qualitätssicherung und Endabnahme des führenden Pumpenherstellers und später in die Entwicklungsabteilung für Pharma- und Chemiekonzerne. Als Ansprechpartner für US-Firmen reiste er viel in die USA und verwirklichte sich später im Vertrieb mit Außendienst. Nach rund 22 Jahren stand als Produktmanager und Schulungsleiter der Ausstieg aus der Firma an. „An einem Freitag fragte mich meine Frau Katja, ob ich glücklich im Job wäre ... Am Sonntag fiel die Entscheidung, am Montag machte ich meine Kündigung fertig”, erinnert sich Marlo. „Ich war ein echter Workaholic. Immer auf Achse und sah nur Hotelzimmer oder Pumpen. Meine Familie war auf den zweiten Rang gerutscht und ich wollte meinen Sohn nicht auf Fotos aufwachsen sehen. Mir fehlte einfach die Quality Time.” Der Ausstieg aus dem sicheren Beruf war ein bedeutender Schritt, wenn man überlegt, dass die Marke Marlo Flyfishing damals erst acht Jahre nebenher lief und nicht in erster Linie fürs Geld verdienen gedacht war.

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Von der Zeichnung bis zum Prototypen

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Custom-Rollen für Liebhaber

Klare Ziele

Was Marlo in seinem früheren Beruf lernte, setzt er bis heute bei seiner Marke um: Er verkauft Produkte mit Service. Soll heißen, dass der Kunde bei Problemen den Weg über den Händler zu Marlo sucht. Er bringt das Tackle auf Vordermann und lässt es dem Besitzer über den Händler wieder zukommen. „Ich möchte dem Fachhandel nicht nur als Hersteller, sondern auch als Partner dienen. Verkaufsveranstaltungen mag ich nicht. Bin ich Teil eines Events, können Interessierte meine Ruten, Rollen und Schnüre testen. Gekauft wird dann aber beim Händler mit 25-Jahre-Garantie“, sagt Marlo und misst eine Rollenachse aus. Seine Homepage dient als Informationsplattform und hält Händler für den Kauf von Marlo-Produkten bereit. Die Anfragen von Fachgeschäften werden mehr, weitere Kooperationen stehen im Raum und der Wunsch nach Custom-Rollen steigt ebenfalls. Marlo geht seinen Weg zielstrebig und meint: „Ich mag es nicht, Dinge zu bauen, die man nicht braucht. Ich mache mir im Vorfeld Gedanken, was auf dem Markt bestehen wird.“ Diese Einstellung ist sicher eine Stütze, die seine Firma nach vorne bringt. Und natürlich auch die Qualität seiner Produkte. „Das Kerngeschäft sind ganz klar die Rollen. Sie lasse ich aus verwindungsfreiem, hochfestem und haltbarem 7075er Aluminium herstellen. Das Material wird ebenfalls im Flugzeug- und Kolbenbau verwendet“, informiert mich der Profi.
Vom Design sind die Rollen schon eine Augenweide, finde ich. Doch auch Farben sind ein wichtiges Verkaufsargument. So warten verschiedene Töne auf ihren Einsatz beim Eloxieren der Prototypen oder Custom-Ausführungen. „Der Händler schickt mir die Rolle plus Farbwunsch des Kunden. Maximal sieben Tage brauche ich für die Handarbeit an Spule und Rollenkörper.“ Echte Unikate an Fliegenrute und Eyecatcher.
Verschiedene Teamangler versammelte er um sich, die seine mla²- und Steel Boss-Fliegenrollen rund um den Globus im Süß- und Salzwasser fischen.

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Vor dem Kauf erst mal testen? Kein Problem!

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7075er Alu ist das Ausgangsmaterial beim Zerspanen

Perfektion mit ruhiger Hand
Bereits Tage zuvor begann Marlo, eine Rolle herzustellen. Voller Begeisterung zeigt er mir die bereits fertigen Einzelteile. Die Spule sitzt passgenau im Rollenkörper und die Achse steckt in der Maschine. Mit professioneller Routine drückt er Knöpfe, dreht an Rädchen und misst immer wieder nach. Mit jedem Arbeitsschritt wird der Aluzylinder dünner und fügt sich kurz darauf perfekt als Achse ein. „Null Spiel, so soll es sein.“ Danach erklärt er mir, was jetzt noch alles möglich wäre: „Ich könnte hier an der Spule Material entfernen oder Gravuren zufügen.“ Die Begeisterung für das Handwerk sind enorm. Ich bin mir sicher, dass er seine Bestimmung gefunden hat. Ein gewagter Schritt in die Selbstständigkeit, der von Erfolg der Marke jedoch bestätigt wird.
Wir schweifen aus und unterhalten uns über die Fliegenfischerszene, die Pandemie und kulinarische Genüsse. In diesem Bereich tobt sich Marlo ebenfalls richtig aus. Seine Adventure Fly Camps etablierten sich bereits – und das sicher auch aufgrund der guten Küche. „Ich mag es, mich am Feuer oder Herd zu verwirklichen. Gutes Essen verbindet und ist Grundlage für Geselligkeit.“ Ein absolutes Fischerei- und Gaumen-Highlight ist das „Culinary Fishing Dänemark“ in Zusammenarbeit mit „The Fifth Quarter“. Maximal zehn Fliegenfischer kommen in den Genuss von exquisiter Küche, Fliegenfischer-Guiding und Marlo-Testgerät.
Mal sehen, was der umtriebige Hamburger als nächstes plant...
 
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