Thomas9904
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Wie immer mit der Erlaubnis zum veröffentlichen bei uns durch Dr. Thomas Günther
http://thomasguenther.wordpress.com/
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Flop an der Havel – Schockwellen im VDSF
Die Fusion zwischen dem Deutschen Anglerverband (DAV) und dem Verband Deutscher Sportfischer (VDSF) ist gescheitert. Drei vier Stimmen fehlten dem VDSF für die Fusion nachdem der DAV der einstimmig dafür war.
Das große Fusionsfest in Berlin wurde abgesagt. Die Kandidatin für das neue Amt der Präsidentin war vor Ort und musste miterleben, dass der VDSF keine Mehrheit für die Gründung des neuen Verbandes zustande brachte.
Kommentar
Der 17. November 2012 wird den Funktionären des VDSF noch lange in Erinnerung bleiben. Auch wenn die vorzeitige Abreise vom Tagungsort Berlin, kurz nach der Absage aller Fusionsfeierlichkeiten, so manches überdeckt hat: Es führt kein Weg daran vorbei, die Fusion der beiden deutschen Angelfischereiverbände, seit 2008 verhandelt, lange diskutiert und vielfach als Selbstläufer propagiert, ist vor dem Traualter unter den Augen der interessierten Öffentlichkeit am VDSF gescheitert. Während in benachbarten Sitzungsräumen der DAV eine 100%ige Zustimmung zur Fusion vermelden konnte, fehlten dem VDSF aufgrund nach unterschiedlichen Meldungen zwei bis vier ungültigige Stimmen zum erforderlichen 3/4 – Quorum. Damit konnte die Fusion der beiden deutschen Angelfischereiverbände nicht vollzogen werden.
Ein Unfall? Schon steht mit März 2013 ein neuer Abstimmungstermin fest, an dem man einen neuen Anlauf wagen will, voller Zuversicht, es dann zu schaffen. Noch offen ist, ob der Präsident des Deutschen Fischereiverbandes, Holger Oertel und die designierte Präsidentschaftskandidatin das DAFV, Frau Dr. Christel Happach-Kasan, beides Mitglieder des Bundestages, zu dem neuen Termin anreisen werden. Vorerst mussten sie mit ansehen, wie das vollmundig als Selbstläufer angekündigte Zusammengehen der beiden deutschen Angelfischereiverbände in allerletzter Minute nicht zustande kam. Statt des hektisch abgesagten Hochzeitstanzes verließen die Delegierten aus allen Regionen Deutschlands vorzeitig den Tagungsort. Auch wenn ab morgen das, was sich in der Vereinigungshauptstadt Berlin zugetragen hat, als technische Panne kleingeredet wird, so sind doch die Folgen der Niederlage der Fusionsbefürworter verheerend. Das Berliner Ergebnis lässt völlig offen, ob das Projekt Fusion weiterverfolgt wird und wenn ja, mit welchem Inhalt und mit welchem Zeitplan. Drei oder vier ungültige Stimmen – das ist eine Größenordnung, die immer einkalkuliert werden muss. Eine Regie, die eine Fusion jetzt wirklich gewollt hätte – von ihr hätte man erwarten müssen, dass sie zuvor eine ausreichende, weit über die 75% hinausgehend gepolsterte Mehrheit hätte schaffen müssen. Das war ganz offensichtlich nicht gelungen. Dass es knapp war, mag sein. Aber nach den Probeabstimmungen des Vortages, die eine Zustimmung von nur rund 50% erbracht hatten, zeichnete sich das Debakel ab.
Das Abstimmungsverhalten des VDSF war keine Laune des Moments und keine technische Panne. Es ist die zwangsläufige Folge einer unglaublich unprofessionellen, destruktiven ja kontraproduktiven Fusionspolitik des VDSF-Präsidiums. Das hat seit langem nichts unternommen, dem Eindruck entgegen zu wirken, dass es die Fusion eigentlich nicht will. Der VDSF-Präsident, der die Verhandlungen mit dem DAV dreimal eigenmächtig abgebrochen hat und der, trotz schwerer Erkrankung nicht bereit war, den Verzicht auf eine Kandidatur im neuen Verband zu erklären, hat nichts unversucht gelassen, die innerverbandlichen Kritiker an einer Fusion jetzt zu munitionieren und die „Treiber“ der Initiative Pro DAFV zu diskreditieren. Zuletzt war es die die fusionskritische Stellungnahme der VDSF-Präsidialjustiziarin Kiera, die noch in letzter Minute Munition gegen eine Fusion lieferte. Angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse, die nach dem Streit zwischen einer wachsenden Pro DAFV und dem Präsidium offensichtlich waren, konnte diese Aktion nicht zum Ziel haben, den Fusionsbefürwortern Rückenwind für Berlin zu geben. Das Scheitern am Alexanderplatz war kein Zufall.
Der Flop an der Spree ist auch Folge einer Vielzahl von handwerklichen Fehlern, die den ganzen Fusionsprozess von Anfang an überschattet haben und für die das VDSF-Präsidium die Verantwortung trägt, seitdem der Präsident die Fusion zur Chefsache erklärt hatte. Am Ende war es der völlige Verzicht darauf, die Fusion demokratisch abzusichern, indem man die Basis beider Verbände mitnahm und informierte, der das Scheitern in der Abstimmung verursachte. So manch ein Delegierter, auch unter jenen, die heute zugestimmt haben, hatte bis zum Schluss Zweifel, ob er einer Verbandsveränderung zustimmen kann, an denen niemand außer den Spitzenfunktionären gestaltend mitwirken konnte, bei der Kritiker nicht angehört, sondern diffamiert wurden und die mit einem erheblichen Risiko von Beitragssteigerungen für die Basis behaftet war, weil man nicht nur die Haushalte geplündert, sondern zugleich noch auf Jahre hinaus Kostenbelastungen zur Bestandswahrung festschreiben wollte. Zwei Geschäftsstellen statt einer – was sollte eigentlich der Effekt einer Fusion sein?
Ob diese Fehlleistungen absichtlich oder fahrlässig waren, wird vermutlich nicht diskutiert und geklärt werden. Denn ein weiteres Ergebnis des heutigen Tages neben dem höchst peinlichen Scheitern ist, dass der alte Präsident des VDSF der neue ist. Nach heutigem Stand fällt ihm die Verantwortung dafür zu, den Verband bis März 2013 fusionstauglich zu machen. Die Verbandsgärtnerei hat heute, wissentlich oder nicht, den Vertrag mit dem Bock verlängert. Ob er von seinem Kurs, die Fusion zu torpedieren, geläutert ist, hat ihn keiner gefragt.
Das Fusionsthema wird uns und dem Verband also weiterhin erhalten bleiben, leider. Und der eine oder andere wird die „Ungültigen“ dafür verantwortlich machen, weil das so bequem ist. Die Verantwortlichkeiten aber liegen woanders. Was soll eine Politik denken von Verbänden, die seit 2008 verhandeln, 2011 die Sache für reif erklärt haben und 2012 krachend scheitern?! Selbst wenn man es mit Ehrenamtlichkeit entschuldigen will: Kein Politiker hat so viel Zeit, sich solche vermeidbaren Epochenfehler zu genehmigen. Wer sorgt wodurch dafür, dass es im kommenden Frühjahr klappt?
Es ist zu vermuten, dass innerhalb des VDSF einer Diskussion darüber, wer diesen blamablen Eklat zu verantworten hat, ausgewichen wird. Stattdessen wird man, die „Unfall-Theorie“ bemühend, ganz schnell nach vorne blicken und weitermachen wie bisher. Mit einem tiefen Riss unterschiedlicher Interessen und einem Präsidium, dem zumindest die Hälfte der Landesverbände nicht mehr zutraut, das Fusionsgeschäft erfolgreich zu Ende zu bringen. Wo ab morgen Einheit sein sollte, ist der tiefste Streit innerhalb des VDSF seit vielen Jahren.
Dieser Streit aber wird vermutlich nicht ausgetragen. Denn die bis gestern so starken Gegner des irrlichternden VDSF-Präsidiums, die Initiative Pro DAFV, haben heute ebenfalls eine Abstimmungsniederlage erfahren. Was die Zyniker freuen mag, bedeutet zugleich eine Stärkung des alten VDSF-Präsidiums durch Schwächung des „innerparteilichen“ Gegners. Ob Pro DAFV jetzt noch die Kraft aufbringen wird, einen neuen, erfolgreichen Anlauf in Gang zu setzen, ist mehr als fraglich.
Sieht man einmal vom DAV ab, der bestenfalls ein etwas Magengrollen abbekommen hat, gehen alle anderen Beteiligten beschädigt vom Platz: Die ausgerufenen Kandidaten, die keinen Vollzug melden können, die Initiative Pro DAFV, deren Projekt Fusion 2012 um jeden Preis gescheitert ist an dem urplötzlich zu hohen Preis und das VDSF-Präsidium, das zwar weiterhin im Amt ist, aber noch deutlich mehr Vertrauen verloren hat, als im bisherigen Fusionsprozess und sich durch das heutige Ergebnis nur dann bestätigt fühlen kann, wenn es sich von der letzten eigenen Position, nämlich der Unterstützung von Pro DAFV erneut schlingernd distanziert und damit dem Fusionsvorhaben einen erneuten Schlag versetzt. Und der VDSF, der sich erhalten hat, hat sich selbst verraten.
Die deutsche Angelfischerei wird also auch in Zukunft vom Fusionsthema beherrscht werden, das in alle möglichen Richtungen gehen kann, und so weiterhin keine Zeit für die Sachfragen finden. Nicht abzusehen, ob der Eklat von Berlin die Kraft für Veränderungen erzeugt. Die Probleme, die der gescheiterte neue Verband aufgrund der miserablen Vorbereitung gehabt hätte, haben nun zwei Bundesverbände, die politisch so geschwächt sind, dass sie nicht einmal mehr in der Lage sein werden, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen.
Noch ist der Pulverrauch über der Havel nicht verflogen und wir überblicken nicht alles, was die Auswirkungen und künftigen Bedingungen für die Angelfischereipolitik in Deutschland sein werden. Aber es gibt auch an diesem grautrüben Wintertag einen Lichtblick: Erstmals berichtete ein Landesverband quasi live über den Verlauf der Geschehnisse in den Sitzungsräumen – und zwar nicht an den Präsidenten, sondern im Internet für die gesamte interessierte Öffentlichkeit. Nach der Veröffentlichung der Finanzdokumente durch den niedersächsischen LV-Präsidenten ist das der zweite große Akt einer Demokratisierungsbewegung, die es denjenigen Funktionären tagtäglich schwerer macht, ihr Mandat als Instrument der Alleinherrschaft zu missbrauchen und ihre persönlichen Interessen selbst ohne Rücksicht auf die gewählten Gremien durchzusetzen. Auch wenn heute kein Tag der Freude ist. Es ist der Tag, an dem der Aufbruch zu einer demokratischen Angelfischereiorganisation in Deutschland seinen Anfang genommen hat. Der Tag, von dem an die öffentliche Kritik an den Hinterzimmerfunktionären immer lauter werden und nicht mehr verstummen wird.