Stell mal deine Trudex vor. Das alte Schätzchen würde ich mal gerne sehen.
Gruß Jason
Lieber Jason, liebe Jungs,
nichts leichter als das. Bruder Geomas hat ja ebenfalls eine Trudex, ich erlaube mir
einige ergänzende Informationen anzufügen, die überall im Netz zu finden sind, sowie Photos eines
meiner beiden Exemplare, sowie einige persönliche Eindrücke zu diesem "VW-Käfer" der Centrepins.
Frontplatte
Rückenplatte
Die Trudex ist eine Centrepin die von der Firma J. W. Youngs&Sons in England zwischen Ende 40er/Anfang 50er
bis Mitte der 60er Jahre hergestellt wurde (ich kann mich irren). Seinerzeit war es ein günstiges Centrepin
Modell und preislich unter z.B. der Rapidex aus dem selben Hause angesiedelt. Offenbar war die Trudex sehr beliebt
und ist daher heute noch oft z.B. auf Ebay zu finden, auch zu erschwinglichen Preisen- hier entscheidet der Zustand sehr.
Im Vergleich zu den heutigen Centrepins ist die Trudex recht zierlich, Spule aussen 10, Spule innen
7,5; Breite insgesamt 2,6; Spulenbreite innen 12,5. Spule und Rückenplatte bestehen aus Aluminium,
Griffe, Clickerhebel und Nabe aus Kunststoff (Bakelit?), Gewicht ca. 200g. Vorder- und Rückplatte sind mit einer
Struktur versehen, im neuen Zustand ist die Rolle bis auf Schrauben und Nieten angenehm dezent in Schwarz gehalten-
Die Trudex ist wie alle alten Centrepins eine Truepin ohne Kugellager und läuft auf einem Nadellager,
mit einer kleinen Madenschraube lässt sich der Lauf regulieren, ebenso mit der der grussen Zentralschraube
die die Achse hält auf ihrer Rückseite. Das bedeutet, am leichtesten setzt sich die Spule in Bewegung,
wenn man die Rolle waagerecht hält, so dass das Gewciht der Spule auf der Nadel ruht.
Sie verfügt über einen einfachen Lineguard, entfernt man ihn sind Seitwürfe und Schnurabziehen über Spulenkante problemlos möglich (Bei ihrer teureren Schwester, der Rapidex ist der Lineguard im Gehäuse integriert). Der Lineguard kann so ummontiert werden, das auch rechtshandkurbeln möglich ist. Kauft keine Trudex ohne Lineguard, er gehörte einst zum Lieferumfang und ist m.M.n. sehr praktisch.
Die Rolle ist ausserdem mit einer stille Hemmung ausgestatten, die sich über das kleine Rädchen auf der Frontplatte einstellen läßt, und die vor allem
für das Grundangeln im Stillwasser praktisch ist: So kann man bei bei einem Run den gefürchteten Overspill verhindern.
Ein kleiner Hebel, der sich in einer Aussparung an der Basis der Zentralnabe befindet, sichert die Spule auf der Nadel, man zieht ihn, und kann sie entfernen, und ebenso wieder arretieren.
Nebenbei: Egal ob alt oder jung, presst niemals die Spule eurer Pin auf die Platte zurück, wie beim Einklicken einer Statiospule: So besteht ernsthafte Gefahr, dass ihr eure Pin beschädigt. Immer den Sperrhebel zurückziehen, Spule drauf, Hebel loslassen, sonst gibt's Beschädigung.
Die Fertigungsqualität ist ausserordentlich, daher sind auch noch so viele Trudexen unterwegs. Beachtet bitte den haarfeinen Abstand zwischen Gehäuse
und innerer Spulenkante auf der Nahaufnahme. Davon können selbst meine modernen Youngs Pins nur träumen, bei Pins des Emperortyps ist er sogar noch größer und führt zum Problem des "Schnurfressens". Ich fische meine aktive Trudex mit 12er Spinnenweb, niemals hat sie sich zwischen Spule und Platte verklemmt oder wurde gar "gefressen". Meine geliebte Heritage knirscht manchmal wegen Sägespänen und Futterkrümeln, meine Trudex nicht- es passt
kein Engelshaar zwischen Spule und Platte.
Achtet bitte auch auf den massiven und opulenten Clickermechanismus im inneren, der gänzlich ohne Kunststoff auskommt und sogar noch
einen extra Arm und Zusatzlager aufweisst- auch hier sind Pins dieser Ära den heutigen überlegen. Youngs hat im zweiten Weltkrieg den
Abzugsmechanismus für die Spitfire hergestellt, ich schätze der Trudexclicker wird auch mit einem Stukadöbel fertig. Auf dieser Aufnahme ist auch gut die Spitze der "Pin" zu erkennen, sowie etwas tiefer an ihrem Schaft die Nut, in die der Arretierungshebel greift. Auf der Spuleninnenseite sieht man die einfache Messing(?)muffe, die als Gleitlager für die Pin dient, und an deren Stelle heutige Pins Kugellager aufweisen. Ebenso ist der Mechanismus der stillen Hemmung zu erkennen: Ein einfacher Metallstift, der durch ein Gewinde gegen die Achse gepresst werden kann, und von einer Spiralfeder gesichert wird.
Konstruktive Schwachpunkte sind aus meiner Perspektive die empfindliche, spröde Zentralnabe aus Kunststoff- auch die
Madenschraube sitzt in einer Kunststoffführung; der Einsatz von Nieten an verschiedenen Komponenten, die sich natürlich
mit der Zeit gelockert haben können, sowie ironischerweise die engen Fertigungstoleranzen, die in Verbindung
mit der Alukonstruktion natürlich empfindlich auf Schock, Stoss und Traumata reagieren. Fällt eine Trudexspule auf
die innere Spulenkante oder auf die Zentralnabe, kann die schöne Rolle ruiniert sein.
Man darf aber nicht vergessen, dass die Konstrukteure sicher nicht vorausgesehen haben, das ihre Rollen noch in den 2020er benutzt
werden würden.
Ich benutze meine Trudexen für die leichte Posenangelei im Nahbereich auf Weissfische bei angenehmen Äußeren Bedingungen, das heisst,
ich will ihnen nicht zu viel zumuten- man weiss eben nicht wie so ein alten Mädchen tickt nach all den Jahrzehnten. Aufgrund ihrer
Leichtigkeit und zierlichen Größe (Und ihrem Strengen Design9 empfinde ich sie aber als wunderbare Ergänzung für meine elfen- und rätselhafte 0-Serie, der ich
ebenfalls nie schwere Witterungsbedingungen oder Döbeln/Satzern zumuten würde. Das ist aber eher ne Ruten/Kombo Frage Sicher ist
der Einsatz im Stillwasser mit leichter Ledgermontage eine weitere schöne Aufgabe. Kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Trudex
an entsprechender Ruten/Schnurkombi vor nem guten Fisch oder Hänger einknicken würde. das gilt aber für alle Pins.
Vom Trotten über lange Distanzen würde ich aber aus einem einfachen Grund eine andere Pin vorziehen: Der geringe Spulendurchmesser
und die leider sehr dicht an der Zentralachse liegenden Griffe machen das Einkurbeln natürlich zu einer langwierigen Angelegenheit,
und die geschlossene Front erschwert das rasche Schnuraufnehmen mit der Schlagtechnik ebenfalls. Bei moderater Strömung, nicht zu leichter Montage, leidlichem Erhaltungs- und Pflegezustand sowie korrekter Justierung der Madenschraube ist aber auch der Schnurabzug hinreichend leichtgängig um mit abtreibender Pose zu fischen- dafür wurde das gute Stück ja auch entworfen.
Nebenbei bemerkt: Das beliebte Youtube Video "Schaut-mal-wie-lange-meine-Pin-läuft-wenn-ich-volle-Pulle-wie-ein-Bekloppter-an-den-Griff-haue" sagt garnichts über die Güte aus. Die Leichtigkeit mit der sich die Spule in Bewegung setzt, ist entscheidend: Legt Eure Pin auf eine Tischkante, lasst die Schnur darüberhängen, und befestigt solange BB-Schrote am Schnurende, bis sich die Spule in Bewegung setzt. Und am Wasser ists noch ne ganz andere Kiste.
Ich sehe die Rolle der Trudex (und anderer Oldtimer) eher im Genussfischen, und keinesfalls als Erstmal-günstig-ne-Gebrauchte:
Wer Einsteigen will ist auf jeden Fall mit einer modernen, Kugellagerpin mit größeren Abmessungen frisch aus China besser
bedient. Diese haben wir hier ja schon häufig diskutiert. Wenns einem gefällt, dann kann man immer noch mal nach einem
Oldtimer schielen, sei es ne Trudex, ne Rapidex oder ne Speedia, um andere häufige Oldtimer zu nennen. Wer natürlich eine
Bambusrute sein Eigen nennt, muss das aus stilistischen Gründen sogar.
Tscha, das sind meine persönlichen Eindrücke zur Trudex- absolut subjektiv und von "Zahlen und Figuren" (Novalis) versteh ich nicht
alzuviel, also bitte verlasst Euch nicht darauf, aber vielleicht helfen Sie dem einen oder anderen,
herzliche Grüße,
Euer
Minimax