Thomas9904
Well-Known Member
Vorabveröffentlichung Magazin März 2011
Auf Grund der anhaltenden und kontroversen Diskussionen über den § 11 der AVBayFiGhabe ich Herrn Manfred Braun als den für Fischereirecht zuständigen Referatsleiter des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu einem schriftlichen Interview gebeten.
Die Fragen und Antworten veröffentlichen wir hiermit in Abstimmung mit Herrn Braun.
Der § 11 derBayerischen AVFIG untersagt das Zurücksetzen aller Fische, die nicht nach Art, Maß oder Zeit besonders geschützt sind. Ausnahmen kann der Fischereiausübungsberechtigte im Rahmen seiner Hegepflicht erlassen. Bezüglich der Umsetzung gibt es jedoch Interpretationsunterschiede und Mißverständnisse.
Redaktion:
Kann er das willkürlich, also ohne Nachweis oder Hegeplan festlegen? Wenn Nein, wie muss so ein Hegeplan aussehen, und muss dieser Hegeplan von der Behörde genehmigt werden?
Herr Braun:
§ 11 Abs. 8 Satz 1 AVBayFiG bestimmt: Ein gefangener Fisch, der keiner Schonbestimmung unterliegt, ist dem Gewässer endgültig zu entnehmen. Ein Zurücksetzen ist nur zulässig, wenn folgende Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind:
Das Zurücksetzen dient der Erfüllung des gesetzlichen Hegeziels.
Gründe des Tierschutzes stehen nicht entgegen; der Fisch ist also lebensfähig.
Der Fischereiausübungsberechtigte (Hauptfall: Pächter, z. B. ein Fischereiverein) hat sich für das Zurücksetzen entschieden.
Der Fischereiausübungsberechtigte darf sich natürlich nicht willkürlich für das Zurücksetzen fangfähiger Fische entscheiden. Verbindlicher Maßstab ist vielmehr das gesetzliche Hegeziel. Das Zurücksetzen muss somit der „Erhaltung und Förderung eines der Größe, Beschaffenheit und Ertragsfähigkeit des Gewässer angepassten artenreichen und gesunden Fischbestands ...“ dienen. Eine Pflicht zur Aufstellung eines Hegeplans sieht das bayerische Fischereirecht nicht vor. Dafür ist die Ausgabe von Erlaubnisscheinen für den Fischfang genehmigungspflichtig. Über darauf gerichtete Anträge entscheidet die Kreisverwaltungsbehörde auf der Grundlage eines Gutachtens der Fischereifachberatung. Die Fachberatung beurteilt u.a. die natürliche Ertragskraft des Gewässers sowie die Arten- und Alterszusammensetzung der Fischbestände und schlägt daraufhin die Zahl der Erlaubnisscheine und eventuelle Fangbeschränkungen vor. Diese gutachterlichen Äußerungen fließen dann ein in die Entscheidung der Kreisverwaltungsbehörde über Zahl und Inhalt der Erlaubnisscheine. Das geschilderte Verfahren stellt im Grunde den Kern der Umsetzung des bayerischen Fischereirechts dar. Da Hegepläne in Bayern gesetzlich nicht vorgeschrieben sind, kann auf diesem Weg eine fachlich einwandfreie Hege gewährleistet werden.
Redaktion:
Welche hegerischen Grundlagen oder Voraussetzungen müssen erfüllt sein um Fischarten ganz oder teilweise vom Rücksetzverbot auszunehmen?
Herr Braun:
Das Zurücksetzen fangfähiger Fische muss nach Art, Altersstufe und Menge im konkreten Fall der Erfüllung des gesetzlichen Hegeziels dienen. Beispiel: Der Fischbestand ist durch Kormorane erheblich beeinträchtig. Zum Bestandsaufbau müssen maßige (und damit fortpflanzungsfähige) Fische einer bestimmten Art im Gewässer verbleiben. Allerdings sollte der Fischereiausübungsberechtigte die schutzbedürftige Fischart sinnvollerweise gleich einer verlängerten, eventuell ganzjährigen Schonzeit unterstellen.
Redaktion:
Wäre ein Passus wie dieser:
" Fangbeschränkung und Entnahmeregelungen Die Entnahme von Salmoniden ist auf 2 Stück pro Tag, 4 Stück pro Woche (Mo-So) und 30 Stück pro Jahr beschränkt.
Davon maximal 2 Salmoniden über 60 cm Länge pro Jahr.
Maßgabe nach § 11 Abs. 8 AVBayFiG: Zur Erfüllung des Hegeziels und unter Beachtung des Tierschutzsrechts dürfen alle Forellenarten zurück gesetzt werden. Nach Erreichen des Fanglimits ist das Fischen einzustellen."
insbesondere im Kontext mit dem rot markierten Satz, gesetzeskonform?
Herr Braun:
Mit der Frage wird eine bestimmte Regelung vorgestellt, die der Fischereiausübungsberechtigte für den Fang und das Zurücksetzen fangfähiger Forellen durch die Angler trifft. Die Regelung lässt sich mit dem Fischereirecht nicht vereinbaren. Einerseits wird der Fang von Forellen (wenn auch zahlenmäßig limitiert) zugelassen. Andererseits wird – unter pauschalem Hinweis auf das Hegeziel – das Zurücksetzen aller gefangenen Forellen gestattet. Darin liegt ein Widerspruch. In der Sache wird ein „catch & release“ ermöglicht. Die mit Blick auf das Zurücksetzen proklamierte „Erfüllung des Hegeziels“ erscheint nicht glaubhaft.
Redaktion:
Im Normalfall sind die wirtschaftlich „wertvolleren“ Arten durch Schonzeiten oder –maße, sowie durch Fangmengenbegrenzung ganz oder teilweise geschützt. Die weniger „wertvollen“ Arten, wie z.B. Rotauge, Rotfeder oder Brachse, sind hingegen ohne jeglichen fischereirechtlichen Schutz. Wird die grundsätzliche Entnahmepflicht für diese Arten vom Fischereiausübungsberechtigten nicht begründet ganz oder teilweise aufgehoben, so ergibt sich der vom Tierschutzgesetz geforderte, vernünftige Grund zum töten alleine aus der zur Hege notwendigen Eindämmung eines überproportionalen Bestandes.
Dürfen solche Arten dann nachbesetzt werden? Bzw. wenn ein Besatz erforderlich wird, weil die hegerische Maßnahme der Eindämmung des Bestandes vielleicht stärker als gedacht gefruchtet hat, müssen dann nicht zwingend Schutzmaßnahmen in Form von gewässerspezifischen Fangmengenbegrenzung, Mindestmaßen oder Schonzeiten ergriffen werden?
Herr Braun:
Die Fragestellung geht von einer falschen Annahme aus. Kriterium für die Festsetzung einer Fangbeschränkung ist nicht der wirtschaftliche „Wert“ der Fischart, sondern die Notwendigkeit eines Schutzes zur Erhaltung des Bestands. Der Verzicht auf Fangbeschränkungen bringt zum Ausdruck, dass gefangene Fische der betreffenden Art ohne Gefahr für den Bestand entnommen werden können. Die Entnahme dient grundsätzlich dem Hegeziel und damit einem vernünftigen Grund im Sinn des Tierschutzgesetzes. Die Frage eines „Nachbesatzes“ kann sich nur stellen, wenn der Verzicht auf Fangbeschränkungen sachlich nicht (mehr) zu vertreten ist. In diesem Fall sind in erster Linie maßgeschneiderte Schonbestimmungen festzusetzen, in Bayern etwa durch Bezirksverordnung. Das heißt, wird ein Rückgang der betreffenden Bestände festgestellt, z.B. wegen zu starker Entnahme, so kann der Befischungsdruck durch spezifische Schonbestimmungen verringert werden.
Redaktion:
Ist es richtig, dass der §11 voraussetzt, dass jeder Angler für jeden gefangenen und nicht geschützten Fisch immer eine Verwertungsmöglichkeit hat? Das also der persönliche und auf das Individuum bezogene Verwertungswille des Anglers keinerlei Rolle spielt, sondern dieser sich um eine Verwertungsmöglichkeit unabdingbar zu kümmern hat?
Herr Braun:
Die Antwort ergibt sich im Wesentlichen bereits aus der Beantwortung von Frage 4. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine sinnvolle Verwertungsmöglichkeit selbstverständlich zu nutzen ist.
Redaktion:
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass per Gesetz zu entnehmende Fische keiner sinnvollen Verwertung zugeführt werden, sondern einfach entsorgt werden um der Entnahmepflicht nachzukommen?
Herr Braun:
Feststellungen, die auf die hier angesprochene Gefahr hindeuten würden, liegen uns nicht vor. Es gibt somit keine tragfähige Grundlage für die gewünschte Einschätzung.
Redaktion:
Sind für die Umsetzung und Einhaltung des § 11 besondere Maßnahmen oder Anweisungen an die Fischereiaufsicht ergangen, oder sind solche geplant.
Herr Braun:
Spezielle Anweisungen an die Fischereiaufsicht bezüglich der Einhaltung des § 11 Abs. 8 AVBayFiG sind bisher nicht ergangen und derzeit auch nicht geplant.
Redaktion:
Ist es richtig, dass der §11 vorrangig zur Vermeidung der strittigen Praxis des catch & release erlassen wurde, und dass dieser § 11 mit Unterstützung und/oder Zustimmung der Anglerverbände erlassen wurde?
Herr Braun:
§ 11 Abs. 8 Satz 1 AVBayFiG entspricht im Wesentlichen dem bisherigen Rechtsstand. Das Zurücksetzen eines fangfähigen Fischs ist schon seit vielen Jahren an die Erfüllung des Hegeziels und die Beachtung des Tierschutzrechts gebunden. Hinzugekommen ist lediglich die ausdrückliche Forderung nach einer entsprechenden Entscheidung des Fischereiausübungsberechtigten. Diese Forderung entspricht der Gesetzeslage. Danach ist nur der Fischereiausübungsberechtigte zur Hege und damit zu entsprechenden Vorgaben berechtigt und verpflichtet. Der Inhaber eines Erlaubnisscheins ist zu eigenständigen Entscheidungen und Maßnahmen bezüglich der Hege nicht befugt. Schon nach dem Gesetz kann nur der Fischereiausübungsberechtigte entscheiden, ob ein fangfähiger Fisch zur Erfüllung des Hegeziels zurückzusetzen ist oder nicht. Die Ergänzung des § 11 Abs. 8 AVBayFiG soll diese Rechtslage deutlich machen und unmissverständlich in der Fischerei verankern. Sie dient damit der Abwehr des „catch & release“, sichert eine fischwaid- und tierschutzgerechte Angelpraxis und hat die Billigung des Landesfischereiverbands Bayern e. V. gefunden.
Redaktion:
Der Absatz 8. wird von einigen als vom Gesetzgeber geschickt formulierte Möglichkeit gesehen, dass Rücksetzverbot ganz oder teilweise auszuhebeln. Sozusagen als Werkzeug für die Fischereiausübungsberechtigten, das Fischereirecht in diesem Punkt und unter dem Vorwand der Hege nach eigenem Gutdünken zurecht zu biegen. Ist das Sinn des Absatz 8.?
Herr Braun:
§ 11 Abs. 8 AVBayFiG ist selbstverständlich nicht in dem wiedergegebenen Sinn (Aushebelung des Rücksetzverbots) zu verstehen. Die Erfüllung des gesetzlichen Hegeziels ist unabdingbare Voraussetzung für jedes Zurücksetzen eines an sich fangfähigen Fischs. Die weitere Bedingung einer dahingehenden Entscheidung des Fischereiausübungsberechtigten kommt hinzu. Sie ändert inhaltlich gar nichts, sondern unterstreicht die Verantwortung des Fischereiausübungsberechtigten für die Hege, während der einzelne Angelfischer die Berechtigung zur Festlegung von Maßnahmen zur Erfüllung des Hegeziels gerade nicht besitzt. Der Maßstab für die Entscheidung des Fischereiausübungsberechtigten ist das gesetzliche Hegeziel. Diesen Zusammenhang bringt die Formulierung der Vorschrift deutlich zum Ausdruck.
Redaktion:
Wir bedanken uns bei Herrn Braun für die prompte und ausführliche Beantwortung unserer Fragen.
Ralf Dahlheuser
Interview mit Herrn Braun: Erklärungen zum §11 des AVBayFIG
Auf Grund der anhaltenden und kontroversen Diskussionen über den § 11 der AVBayFiGhabe ich Herrn Manfred Braun als den für Fischereirecht zuständigen Referatsleiter des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu einem schriftlichen Interview gebeten.
Die Fragen und Antworten veröffentlichen wir hiermit in Abstimmung mit Herrn Braun.
Der § 11 derBayerischen AVFIG untersagt das Zurücksetzen aller Fische, die nicht nach Art, Maß oder Zeit besonders geschützt sind. Ausnahmen kann der Fischereiausübungsberechtigte im Rahmen seiner Hegepflicht erlassen. Bezüglich der Umsetzung gibt es jedoch Interpretationsunterschiede und Mißverständnisse.
Redaktion:
Kann er das willkürlich, also ohne Nachweis oder Hegeplan festlegen? Wenn Nein, wie muss so ein Hegeplan aussehen, und muss dieser Hegeplan von der Behörde genehmigt werden?
Herr Braun:
§ 11 Abs. 8 Satz 1 AVBayFiG bestimmt: Ein gefangener Fisch, der keiner Schonbestimmung unterliegt, ist dem Gewässer endgültig zu entnehmen. Ein Zurücksetzen ist nur zulässig, wenn folgende Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind:
Das Zurücksetzen dient der Erfüllung des gesetzlichen Hegeziels.
Gründe des Tierschutzes stehen nicht entgegen; der Fisch ist also lebensfähig.
Der Fischereiausübungsberechtigte (Hauptfall: Pächter, z. B. ein Fischereiverein) hat sich für das Zurücksetzen entschieden.
Der Fischereiausübungsberechtigte darf sich natürlich nicht willkürlich für das Zurücksetzen fangfähiger Fische entscheiden. Verbindlicher Maßstab ist vielmehr das gesetzliche Hegeziel. Das Zurücksetzen muss somit der „Erhaltung und Förderung eines der Größe, Beschaffenheit und Ertragsfähigkeit des Gewässer angepassten artenreichen und gesunden Fischbestands ...“ dienen. Eine Pflicht zur Aufstellung eines Hegeplans sieht das bayerische Fischereirecht nicht vor. Dafür ist die Ausgabe von Erlaubnisscheinen für den Fischfang genehmigungspflichtig. Über darauf gerichtete Anträge entscheidet die Kreisverwaltungsbehörde auf der Grundlage eines Gutachtens der Fischereifachberatung. Die Fachberatung beurteilt u.a. die natürliche Ertragskraft des Gewässers sowie die Arten- und Alterszusammensetzung der Fischbestände und schlägt daraufhin die Zahl der Erlaubnisscheine und eventuelle Fangbeschränkungen vor. Diese gutachterlichen Äußerungen fließen dann ein in die Entscheidung der Kreisverwaltungsbehörde über Zahl und Inhalt der Erlaubnisscheine. Das geschilderte Verfahren stellt im Grunde den Kern der Umsetzung des bayerischen Fischereirechts dar. Da Hegepläne in Bayern gesetzlich nicht vorgeschrieben sind, kann auf diesem Weg eine fachlich einwandfreie Hege gewährleistet werden.
Redaktion:
Welche hegerischen Grundlagen oder Voraussetzungen müssen erfüllt sein um Fischarten ganz oder teilweise vom Rücksetzverbot auszunehmen?
Herr Braun:
Das Zurücksetzen fangfähiger Fische muss nach Art, Altersstufe und Menge im konkreten Fall der Erfüllung des gesetzlichen Hegeziels dienen. Beispiel: Der Fischbestand ist durch Kormorane erheblich beeinträchtig. Zum Bestandsaufbau müssen maßige (und damit fortpflanzungsfähige) Fische einer bestimmten Art im Gewässer verbleiben. Allerdings sollte der Fischereiausübungsberechtigte die schutzbedürftige Fischart sinnvollerweise gleich einer verlängerten, eventuell ganzjährigen Schonzeit unterstellen.
Redaktion:
Wäre ein Passus wie dieser:
" Fangbeschränkung und Entnahmeregelungen Die Entnahme von Salmoniden ist auf 2 Stück pro Tag, 4 Stück pro Woche (Mo-So) und 30 Stück pro Jahr beschränkt.
Davon maximal 2 Salmoniden über 60 cm Länge pro Jahr.
Maßgabe nach § 11 Abs. 8 AVBayFiG: Zur Erfüllung des Hegeziels und unter Beachtung des Tierschutzsrechts dürfen alle Forellenarten zurück gesetzt werden. Nach Erreichen des Fanglimits ist das Fischen einzustellen."
insbesondere im Kontext mit dem rot markierten Satz, gesetzeskonform?
Herr Braun:
Mit der Frage wird eine bestimmte Regelung vorgestellt, die der Fischereiausübungsberechtigte für den Fang und das Zurücksetzen fangfähiger Forellen durch die Angler trifft. Die Regelung lässt sich mit dem Fischereirecht nicht vereinbaren. Einerseits wird der Fang von Forellen (wenn auch zahlenmäßig limitiert) zugelassen. Andererseits wird – unter pauschalem Hinweis auf das Hegeziel – das Zurücksetzen aller gefangenen Forellen gestattet. Darin liegt ein Widerspruch. In der Sache wird ein „catch & release“ ermöglicht. Die mit Blick auf das Zurücksetzen proklamierte „Erfüllung des Hegeziels“ erscheint nicht glaubhaft.
Redaktion:
Im Normalfall sind die wirtschaftlich „wertvolleren“ Arten durch Schonzeiten oder –maße, sowie durch Fangmengenbegrenzung ganz oder teilweise geschützt. Die weniger „wertvollen“ Arten, wie z.B. Rotauge, Rotfeder oder Brachse, sind hingegen ohne jeglichen fischereirechtlichen Schutz. Wird die grundsätzliche Entnahmepflicht für diese Arten vom Fischereiausübungsberechtigten nicht begründet ganz oder teilweise aufgehoben, so ergibt sich der vom Tierschutzgesetz geforderte, vernünftige Grund zum töten alleine aus der zur Hege notwendigen Eindämmung eines überproportionalen Bestandes.
Dürfen solche Arten dann nachbesetzt werden? Bzw. wenn ein Besatz erforderlich wird, weil die hegerische Maßnahme der Eindämmung des Bestandes vielleicht stärker als gedacht gefruchtet hat, müssen dann nicht zwingend Schutzmaßnahmen in Form von gewässerspezifischen Fangmengenbegrenzung, Mindestmaßen oder Schonzeiten ergriffen werden?
Herr Braun:
Die Fragestellung geht von einer falschen Annahme aus. Kriterium für die Festsetzung einer Fangbeschränkung ist nicht der wirtschaftliche „Wert“ der Fischart, sondern die Notwendigkeit eines Schutzes zur Erhaltung des Bestands. Der Verzicht auf Fangbeschränkungen bringt zum Ausdruck, dass gefangene Fische der betreffenden Art ohne Gefahr für den Bestand entnommen werden können. Die Entnahme dient grundsätzlich dem Hegeziel und damit einem vernünftigen Grund im Sinn des Tierschutzgesetzes. Die Frage eines „Nachbesatzes“ kann sich nur stellen, wenn der Verzicht auf Fangbeschränkungen sachlich nicht (mehr) zu vertreten ist. In diesem Fall sind in erster Linie maßgeschneiderte Schonbestimmungen festzusetzen, in Bayern etwa durch Bezirksverordnung. Das heißt, wird ein Rückgang der betreffenden Bestände festgestellt, z.B. wegen zu starker Entnahme, so kann der Befischungsdruck durch spezifische Schonbestimmungen verringert werden.
Redaktion:
Ist es richtig, dass der §11 voraussetzt, dass jeder Angler für jeden gefangenen und nicht geschützten Fisch immer eine Verwertungsmöglichkeit hat? Das also der persönliche und auf das Individuum bezogene Verwertungswille des Anglers keinerlei Rolle spielt, sondern dieser sich um eine Verwertungsmöglichkeit unabdingbar zu kümmern hat?
Herr Braun:
Die Antwort ergibt sich im Wesentlichen bereits aus der Beantwortung von Frage 4. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine sinnvolle Verwertungsmöglichkeit selbstverständlich zu nutzen ist.
Redaktion:
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass per Gesetz zu entnehmende Fische keiner sinnvollen Verwertung zugeführt werden, sondern einfach entsorgt werden um der Entnahmepflicht nachzukommen?
Herr Braun:
Feststellungen, die auf die hier angesprochene Gefahr hindeuten würden, liegen uns nicht vor. Es gibt somit keine tragfähige Grundlage für die gewünschte Einschätzung.
Redaktion:
Sind für die Umsetzung und Einhaltung des § 11 besondere Maßnahmen oder Anweisungen an die Fischereiaufsicht ergangen, oder sind solche geplant.
Herr Braun:
Spezielle Anweisungen an die Fischereiaufsicht bezüglich der Einhaltung des § 11 Abs. 8 AVBayFiG sind bisher nicht ergangen und derzeit auch nicht geplant.
Redaktion:
Ist es richtig, dass der §11 vorrangig zur Vermeidung der strittigen Praxis des catch & release erlassen wurde, und dass dieser § 11 mit Unterstützung und/oder Zustimmung der Anglerverbände erlassen wurde?
Herr Braun:
§ 11 Abs. 8 Satz 1 AVBayFiG entspricht im Wesentlichen dem bisherigen Rechtsstand. Das Zurücksetzen eines fangfähigen Fischs ist schon seit vielen Jahren an die Erfüllung des Hegeziels und die Beachtung des Tierschutzrechts gebunden. Hinzugekommen ist lediglich die ausdrückliche Forderung nach einer entsprechenden Entscheidung des Fischereiausübungsberechtigten. Diese Forderung entspricht der Gesetzeslage. Danach ist nur der Fischereiausübungsberechtigte zur Hege und damit zu entsprechenden Vorgaben berechtigt und verpflichtet. Der Inhaber eines Erlaubnisscheins ist zu eigenständigen Entscheidungen und Maßnahmen bezüglich der Hege nicht befugt. Schon nach dem Gesetz kann nur der Fischereiausübungsberechtigte entscheiden, ob ein fangfähiger Fisch zur Erfüllung des Hegeziels zurückzusetzen ist oder nicht. Die Ergänzung des § 11 Abs. 8 AVBayFiG soll diese Rechtslage deutlich machen und unmissverständlich in der Fischerei verankern. Sie dient damit der Abwehr des „catch & release“, sichert eine fischwaid- und tierschutzgerechte Angelpraxis und hat die Billigung des Landesfischereiverbands Bayern e. V. gefunden.
Redaktion:
Der Absatz 8. wird von einigen als vom Gesetzgeber geschickt formulierte Möglichkeit gesehen, dass Rücksetzverbot ganz oder teilweise auszuhebeln. Sozusagen als Werkzeug für die Fischereiausübungsberechtigten, das Fischereirecht in diesem Punkt und unter dem Vorwand der Hege nach eigenem Gutdünken zurecht zu biegen. Ist das Sinn des Absatz 8.?
Herr Braun:
§ 11 Abs. 8 AVBayFiG ist selbstverständlich nicht in dem wiedergegebenen Sinn (Aushebelung des Rücksetzverbots) zu verstehen. Die Erfüllung des gesetzlichen Hegeziels ist unabdingbare Voraussetzung für jedes Zurücksetzen eines an sich fangfähigen Fischs. Die weitere Bedingung einer dahingehenden Entscheidung des Fischereiausübungsberechtigten kommt hinzu. Sie ändert inhaltlich gar nichts, sondern unterstreicht die Verantwortung des Fischereiausübungsberechtigten für die Hege, während der einzelne Angelfischer die Berechtigung zur Festlegung von Maßnahmen zur Erfüllung des Hegeziels gerade nicht besitzt. Der Maßstab für die Entscheidung des Fischereiausübungsberechtigten ist das gesetzliche Hegeziel. Diesen Zusammenhang bringt die Formulierung der Vorschrift deutlich zum Ausdruck.
Redaktion:
Wir bedanken uns bei Herrn Braun für die prompte und ausführliche Beantwortung unserer Fragen.
Ralf Dahlheuser