AW: Belasten Großkarpfen ein Gewässer
Zum Einfluß benthivorer Cypriniden auf die Gewässergüte gibt es reichlich Literatur. Speziell der Karpfen spielt dabei wohl die größte Rolle, da er in Deutschland in vielen Gewässern übermäßig besetzt wird/ wurde und sich aufgrund der heutigen C&R-Praxis (die Angelpresse gibt es vor) die Bestände an Großkarpfen in den Gewässern akkumulieren.
Insbesondere der Effekt der Nährstoffrücklösung aus dem Substrat (durchs Aufwühlen werden im Sediment abeglagerte Nährstoffe wieder in den Kreislauf zurückgebracht) wirkt sich dabei äußerst negativ auf das Ökosystem See aus. Denn zunächst einmal sind plötzlich übermäßige Mengen an Nährstoffen frei. Diese werden recht schnell durch Phytoplankton gebunden und es entsteht zusammen mit den Schwebeteilchen eine starke Gewässertrübung. In Folge dessen reduziert sich der Lichteinfall ins Gewässer und beeinträchtigt damit das Pflanzenwachstum (denn ohne Licht keine Photosynthese). Hinzu kommt, dass viele Pflanzen auch direkt, also mechanisch, durch die Fraßaktivitäten der Karpfen geschädigt werden. Zum einen werden sie beim Wühlen ganz einfach ausgerupft oder abgerissen, zum anderen werden sie teilweise (v.a. Armleuchteralgen) auch direkt mitgefressen, da auf ihnen sehr viel Nahrung siedelt (Jungmuscheln, Schnecken, etc.).
Da insbesondere im Stillgewässer der Hauptsauerstoffanteil im Wasser durch Pflanzen generiert wird, sinkt dieser deutlich ab. Zudem verschwinden mit den Pflanzen wertvolle Laich- und Schutzhabitate (Brut), sowie Nahrung direkt und indirekt. Denn Pflanzen dienen zum Teil auch direkt als Nahrung für einige Fische, vor allem aber indirekt, da sie Lebensraum für viele Fischnährtiere sind (Makrozoobenthos; Muscheln, Schnecken, etc.).
Die Schädigung am Ökosystem ist groß - nicht nur, dass Pflanzenarten verschwinden (auch die haben ein Recht darauf im Gewässer sein zu dürfen), es wird auch der Fischbestand nachhaltig beeinträchtigt. Denn es fehlen Fortpflanzungsmöglichkeiten und Unterstände für Jungfische. Nur die anspruchsloseren Arten wie z.B. der Barsch können sich noch erfolgreich reproduzieren. Es entsteht vielfach ein Überbestand an Barschen, die auch die letzten kleinen Rotaugen noch erlegen.
Letztlich verdrängen die Karpfen viele andere Fischarten aus dem Gewässer - einige als direkte Nahrungskonkurrenten (Brasse, Schleie) andere in Folge der Gewässerveränderung (z.B. Rotauge).
An vielen Baggerseen klagen die Angler heute, dass es kaum noch Fisch gibt: Keine Rotaugen, keine Schleien, keine... nur noch große Karpfen. Logisch, denn ein Gewässer kann nur eine gewisse Menge Biomasse an Fisch vertragen. Und wenn davon 90% in überalterten Karpfenbeständen sind... |rolleyes
In Extremfällen kann es sogar zum sogenannten "Umkippen" führen: d.h. die Trübung des Gewässers wird so stark, dass alle Pflanzen absterben. Der riesen Überschuß an Nährstoffen läßt Blaualgen (Cyanobakterien) gedeihen. Durch die Fäulnisprozesse (tote Biomasse der Pflanzen) wird der Sauerstoffgehalt derart reduziert, dass auch für Fische das Ende besiegelt ist.
Genau dieses Horrorszenario beobachten wir in den letzten Jahren immer wieder (v.a. in den extrem heißen Sommern).
Ich könnte seitenlange Abhandlungen dazu schreiben. Das mach ich dann aber eher in der Fachliteratur, denn hier sprengt es sowohl den inhaltlichen als auch den fachlichen Rahmen.
Es gibt auch genügend Literatur dazu - hier nur mal ein kurzer Auszug:
- J.ROBERTS, A. CHICK, L. OSWALD and P. THOMPSON - Effect of carp, Cyprinus carpio L., an exotic benthivorous fish, on aquatic plants and water quality in experimental ponds (Freshwater Biology/ Volume 32 Issue 1 Page 113-121, August 1994)
- BREUKELAAR, A.W., LAMMENS, E.H.R.R., KLEIN BRETELER, J.P.G. & TATRAI, I. - Effect of benthivorous bream (Abramis brama) and carp (Cyprinus carpio) on resuspension. (Verhandlungen der Internationalen Vereinigung für Limnologie 25: 2144-2147; 1994)
- SCHÄPERCLAUS & LUKOWICZ: Lehrbuch der Teichwirtschaft (1998)
- TATRAI, I., OLAH, J., PAULOVITS, G., MATYAS, K., KAWIECKA, B.J., JAOSZA, V. & PEKAR, F. - Biomass dependent interactions in pond ecosystems - responses of lower trophic levels to fish manipulations. (Hydrobiologia 345: 2-3./ 1997)
- ZAMBRANO, L. & HINOJOSA, D. - Direct and indirect effects of carp (Cyprinus carpio L.) on macrophyte and benthic communities in experimental shallow ponds in central Mexico (Hydrobiologia 408/409: 131–138, 1999)
- KALBE, L. - Karpfenintensivbewirtschaftung von Seen und Eutrophierung (Acta hydrochim. et hydrobiol. 12 2, 145-152/ 1984)
- MILLER, S.A. & PROVENZA, F.D. - Mechanisms of resistance of freshwater macrophytes to herbivory by invasive juvenile common carp (Freshwater Biology 52, 39–49/ 2007)
- Crivelli, A.J. - The destruction of aquatic vegetation by carp (Hydrobiologia 106, 37-41/ 1983)
Das alles ist nichts Neues und wird seit vielen Jahren in vielen Ländern so beobachtet und beschrieben. Natürlich will die Fischerei das nicht wahrhaben, ist der Karpfen doch ein ausgezeichneter Sportfisch (wächst schnell ab, ist sehr robust, gut zu angeln, früher auch geschätzter Speisefisch). Zudem lebt heute eine ganze Industrie von der Angelei auf Karpfen und ein ganzes Gewerbe von Zucht und Vermarktung, da es mit der Reproduktion in unseren Breiten einfach immer noch nicht so recht klappen will.
Die alle jetzt mit der Aussage zu konfrontieren "der Karpfen passt einfach nicht in viele Gewässer" ist schon fast wie eine Kriegserklärung. |uhoh: Defakto ist es aber so, dass der Karpfen zumindest in den Gewässern, die die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als Lebensraumtyp 3140 (nährstoffarme Klarwasserseen) beschreibt, eindeutig mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Das wusste auch Bauch 1964 schon - denn er beschrieb damals als erster den (den meisten bekannten) "Hecht-Schlei-See"... vom Karpfen war da keine Rede.