AW: DAFV: Bleiverzicht für Angler gefordert
Unterbinden der Diskussion, da evtl. Resultate unangenehm sein können? In meiner Wahrnehmung ist das eher eine Strategie der (DAFV-)Funktionäre.
Vielen Dank, Dr. Thomas Günther hat diesen Nebensatz exakt genauso verstanden - wie ich geschrieben hatte. Generell bin ich der Meinung, dass man folgende Aspekte unterscheiden sollte:
(a) Resolution der EAA Rivers Sub Group zum Thema freiwilligen Verzicht auf Blei und die Position des DAFV diesbezüglich
Dieser Punkt ist auf Grund der aktuellen Informationslage nicht beantwortbar. Bekannt ist lediglich ein Nebensatz im Bericht zum EAA-Arbeitstreffen, jedoch nicht welche konkrete Position der DAFV vertreten hat. Ebenfalls ist nicht bekannt, welche Mitgliedsverbände der EAA diese Thematik aufgeworfen haben. Ich stimme Dr. Thomas Günther zu, eine Resolution für einen freiwilligen Verzicht könnte behördliche Verbote abwenden oder verzögern.
Dennoch bin ich der Meinung, dass entsprechende Verordnungen eher in der Verantwortung der Behörden liegen und nicht von (Angel-)Verbänden angeregt werden sollten.
(b) Plausibilität eines Verzichts von Angelblei
Eine Aussage zu einer Plausibilität des Bleiverzichts ist u.a. nach einer Risikobewertung möglich.
Laut der US-Umweltorganisation Blacksmith Institute und Green Cross Schweiz belegt Blei den Platz 1 der gefährlichsten Umweltgifte 2010 (vgl. [1]). Laut [5] gelangt Blei hauptsächlich durch anthropogene (=vom Menschen entstandene) Aktivitäten in die Umwelt. Seit der Einführung von bleifreiem Benzin sind die Bleiemissionen auf 1/10 gesunken (vgl. [6]), die hauptsächlichen restliche Quellen von Blei in der Umwelt bzw. den Gewässern sind durch Erosion / direkten Eintrag zu begründen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt in mehreren Stellungnahmen vor gesundheitlichen Risiken in Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, u.a. wird in [4] beschrieben, dass bereits kleinste Mengen an Blei zu schädlichen Effekten im Körper führen können. Die Risiken für Menschen beziehen sich in diesem Bericht dabei vorwiegend auf die Bleibelastung von Wildbret auf Grund von Bleimunition.
Blei ist ein Neurotoxid und wirkt sowohl für Menschen als auch Tiere hoch toxisch. Insbesondere sind Vergiftungen mit letalem Ausgang von (Wasser-)Vögel wie Seeadler, Schwäne etc. möglich (siehe auch [2], [3]). Gemäß [3] S. 106 sind als Hauptquellen für Bleivergiftungen entsprechender Tiere Schrotmunition als auch Anglergewichte zu nennen. Eine Studie im Auftrag der US-Regierung zeigt ebenfalls die Aufnahme von Bleigewichten verschiedenster Formen durch Wildtiere. U.a. konnten Bleischrote bis zu einer Größe von 7mm als auch ein 22x39 mm Pyramidenblei mit einem Gewicht von 78,3g in Wasservögeln nachgewiesen werden (vgl. [9]).
Unbekannt ist die vom der AB-Redaktion beschriebene Quelle des Umweltbundesamts, evtl. ist von veralteten Erkenntnissen auszugehen. Die Aussagen aus der Beantwortung der Anfrage der Grünen an den Bayrischen Landtag 2005 scheinen ebenfalls nicht den aktuellen Wissensstand widerzuspiegeln. Denn in dem Forschungsbericht des Umweltbundesamts von 2007 wird von einem sehr geringen natürlichen Gehalt von 16 g/t in der Erdkruste geschrieben. Ebenfalls wird dort bestätigt, dass anthropogene Quellen von Blei die natürlichen Vorkommen um ein Vielfaches übersteigen. Als wichtigste Eintragspfade für Blei in Gewässer werden
Angelgewichte und Kläranlagen - ohne Einbezug von Erosion landwirtschaftlicher Flächen - benannt (vgl. [10], S. 62, in Bezug auf [11] von 2005). In diesem Bericht werden als Ansätze für Emissionsminderungsmaßnahmen u.a. auch Einschränkungen für die Anwendung von Blei im Angel- und Tauchsport diskutiert.
In mehreren Ländern bestehen bereits Verbote für die Verwendung von Angelblei:
Großbritannien:
Blei bis zu einem Gewicht von 28,3 g ist für das Angeln verboten. Eine Studie von 2013 spricht von einem klaren Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Bleivergiftungen von Schwänen und dem von der Regierung verhängtem Verbot von 1987 (vgl. [8]). Als Hauptquelle für Bleivergiftungen wird Spaltblei in einer Größe von 1,8 - 6,8 mm erwähnt.
Kanada:
Die Verwendung von Angelbleien und (Blei-)Jigs mit einem Gewicht kleiner als 50g ist verboten in Nationalparks.
USA:
Angelblei ist verboten in zwei Nationalparks (u.a. im Yellowstone National Park). Mehrere Bundesstaten besitzen Regelungen analog zu Großbritanien, vgl. auch [7].
Dänemark:
Der Verkauf von Produkten, die Blei enthalten, ist seit Dezember 2002 verboten. Dieses Verbot wird auch durchgesetzt, siehe dazu auch [12] - das zuständige dänische Amt stellte 2011 gegen zwei Importeure Strafanzeige.
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Die Verwendung von Blei in der Angelgeräteindustrie ist durch die einfache Verarbeitbarkeit (da niedriger Schmelzpunkt), hoher Dichte und vor alle günstigen Preis zu begründen. Angler wären von einem Verzicht von Blei nur indirekt durch höhere Materialkosten betroffen, von einer signifikanten Beeinträchtigung des Angels an sich ist nicht auszugehen, da mehrere Ersatzstoffe existieren. Für die Angelgeräteindustrie bestehen u.a. folgende weniger toxische Stoffe als Bleiersatz:
Eisen
Dichte: 7,874 g/cm³
* sehr preisgünstig, jedoch unlegiert schnelle Korrosion möglich, schwerer zu verarbeiten als Blei
Wolfram
Dichte: 19,3 g/cm3
* besitzt den Vorteil der höchsten Dichte aller Ersatzmaterialien für Blei
* hoher Preis
* schwer zu verarbeiten (da sehr hoher Schmelzpunkt)
* "Premium"-Produkte
Zinn
Dichte: 7,31 g/cm³
* einfach zu verarbeiten
* geringere Dichte als Blei
* wesentleich teurer als Blei
Bismut
Dichte: 9,78 g/cm³
* interessante Alternative, da Dichte nahe Blei
* Als Ersatzmaterial in Kombination mit Zinn eingesetzt
Zu erwähnen ist weiterhin, dass in anderen Industriezweigen bereits ein europaweites Verbot von Blei besteht. Als Beispiel ist die Elektronikindustrie zu nennen, denn gemäß EU-RoHS-Richtlinie 2002/95/EG dürfen seit dem 1. Juli 2006 neu in den Verkehr gebrachte Elektronikgeräte kein Blei enthalten.
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Zusammengefasst können Umweltgefahren vor allem durch die Verwendung von
kleinen Bleigewichten beim Angeln bestehen. Die Argumentation der Verwendung von Blei in der Angelgeräteindustrie dürfte in Hinblick auf Verbote in anderen Industriezweigen und möglichen Alternativmaterialien immer schwieriger werden. Ein freiwilliger Verzicht von Blei ist plausibel, da aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Umweltrisiken signifikant reduziert werden können.
Viele Grüße,
Torsten
Quellen:
[1] J.D., Dan Becker, B.A. et al., Umweltgiftbericht 2010, "Top Six Toxic Threats", Andrew McCartor, Blacksmith Institute 2010
[2] Rainer Altenkamp, "Bleimunition: Ein Problem des Arten- und Tierschutzes bei Greifvögeln", NABU Berlin
[3] Deborah J. Pain, Ian J. Fisher, Vernon G. Thomas, "A global update of lead poisoning in terrestrial birds from ammunition sources", 2009 - peregrinefund.org
[4] "Bleibelastung von Wildbret durch Verwendung von Bleimunition bei der Jagd", Stellungnahme Nr. 040/2011 des BfR vom 3. Dezember 2010
[5] Umweltprobendatenbank, Blei, Formel: Pb; CAS-Nummer: 7439-92-1,
http://www.umweltprobenbank.de/de/documents/profiles/analytes/10046
[6] Umweltlexikon-online.de: Blei,
http://www.umweltlexikon-online.de/RUBwerkstoffmaterialsubstanz/Blei.php
[7] Minnesota Pollution Control Agency, "Let's Get the Lead Out: Non-lead alternatives for fishing tackle",
http://www.pca.state.mn.us/index.ph...te/nontoxic-tackle-lets-get-the-lead-out.html
[8] Jane Sears, Alan Hunt, "Lead poisoning in Mute Swans, Cygnus olor in England", Wildfowl, 2013
[9] J. Christian Franson et al., "Lead Fishing Weights and Other Fishing Tackle in Selected Waterbirds", U.S. Geological Survey, National Wildlife Health, 2003
[10] Umweltbundesamt, Forschungsbericht 203 21 280, "Emissionsminderung für prioritäre und prioritäre gefährliche Stoffe der Wasserrahmenrichtlinie - Stoffdatenblätter", 2007
[11] EURAS, ECOLAS, KUL, "European Union Voluntary Environmental Risk Assessment." Draft final report, 2005
[12] Bleifreies Dänemark: Umweltamt stellt Strafanzeige,
http://www.blinker.de/aktuell/angeln_aktuell/detail.php?objectID=7857&class=106#.VI9jYd-PiXo