Im Verlauf mehrere Telefonate mit sehr widersprüchlichen Aussagen dazu, wann und ab wo ein Zug nach Stockholm eingesetzt werden wird, konnten wir schließlich erreichen, dass die Eisenbahngesellschaft uns ein Taxi stellt, dass uns von Gällivare ins ca. 200 km entfernte Boden bringt. Die Strecke ist zwar nicht allzu lang, sollte aber wegen der Witterung dennoch etwas über 3 Stunden dauern. Die Autovermietung blieb die ganze Zeit total entspannt. Wir sollten einfach nur Bescheid geben, wo in Lappland wir das Auto schließlich abstellen würden.
Auf dem Weg nach Gällivare konnten wir nun doch noch einen kurzen Abstecher in das Eishotel in Jukkasjärvi machen.
Links der Eingang zum dauerhaften Hotelbereich, der im Sommer gekühlt wird, rechts der temporäre Bereich, der jedes Jahr neu gestaltet wird.
Eingangsbereich des ganzjährigen Hotelteils mit der Eisbar
Die Idee zum Eishotel soll an einem der dunklen Wintertage gekommen sein. Im Sommer war der Ort wegen der Aussicht auf die Mitternachtssonne gut besucht. Im Winter verirrte sich kein Gast hierher. Die Idee des Eishotels entstand. Anfangs wurde jedes Jahr im Winter das Hotel aus Eisblöcken des unmittelbar angrenzenden Sees errichtet. Schließlich war das Hotel aber so gut gebucht, dass man ein weiteres dauerhaftes Eishotel mit einer Eisbar errichtete, das im Sommer u.a. durch Solarzellen versorgt wird. Die Innentemperaturen liegen ganzjährig bei ca. -5°bis -8 °C. Da ist es nur logisch, dass die Zimmer keine Toiletten oder ein Bad haben. Je nach Standard und Jahreszeit kosten die Zimmer zwischen ca. 150,- und 550,- Euro. Jedes Zimmer ist ein Unikat und man hat die Wahl zwischen „einfachen“ Zimmern und kunstvoll gestalteten Suiten. Voraussetzung für die Zimmerbuchung ist ein Alter von mindestens 12 Jahren und eine gute allgemeine Gesundheit.
Flur im Eishotel, auch der Kronenleuchter ist natürlich aus Eis
Einfaches Zimmer
Suite mit Tisch und Bank aus Eis
Bei der ersten Beantragung einer Baugenehmigung dachte man noch, dass die Auflagen für Rauchmelder und Feuerlöscher ein Scherz der Genehmigungsbehörde seien. Doch das war hier tatsächlich nicht der Fall und man bestand auf die wortgenaue Einhaltung der Brandschutzbestimmungen in neu errichteten Gebäuden. Man hat jedoch versucht die Teile weitestgehend versteckt anzuordnen. Außer den Rauchmeldern und den Feuerlöschern ist fast alles aus Eis, also auch die Betten, Lampen, Tische und Stühle.
Neben dem ganzjährigen Teil gibt es auch einen Hotelteil, der jedes Jahr im Spätherbst neu errichtet wird und schließlich im späten Frühjahr wegtaut. Dazu können sich jedes Jahr Künstler für die Gestaltung der einzelnen Zimmer bewerben. Der Lohn ist eine erste Nacht im selbst gestalteten Zimmer.
Für das Eishotel werden jedes Jahr im ausgehenden Winter ca. 10.000 Tonne Eis in Blöcken aus dem angrenzende See geschnitten und zusammen mit ca. 30.000 Tonnen Schnee in einer großen Lagerhalle bis zum Spätherbst gekühlt.
Skurril wird es, wenn aus der Eiskirche ein frisch verheiratete Paar in den Flur schreitet. Beide natürlich im wunderschönen Hochzeitskleid bzw. Anzug. Dahinter die warm eingepackten Familien und Freunde in Overalls und Winterstiefeln. Die Braut bekam nach den Hochzeitsfotos wenigstens noch eine Fellweste übergeworfen.
Diese Kirche dient u.a. zur Trauung
Auch hier ist einschließlich des Altars alles aus Eis.
Jedes Zimmer wird individuell von Künstlern gestaltet
Wem das Eishotel zu kalt oder zu teuer ist, kann eine Führung buchen oder in der Eisbar einen Drink nehmen. Da auch hier die Gläser aus Eis sind, empfiehlt es sich dringend Handschuhe zu tragen! Uns blieb leider keine Zeit dafür und wir machten uns auf den Weg nach Gällivare. Der Himmel zog sich immer mehr zu und nach ca. 120 m und 1,5 h Fahrt stellten wir unser Mietauto am Bahnhof ab und stiegen ins Taxi um.
Eisbar
Auch hier sind die Kristallleuchter, natürlich aus Eis
Fahrt zurück nach Gällivare
Nach ca. 3 h Fahrt durch dichtes Schneetreiben, kamen wir schließlich am Bahnhof von Boden an und stiegen in einen fast völlig leeren Nachtzug. Ich weiß nicht, ob ich bei diesem Schneegestöber die Nerven behalten hätte. Gegen Morgen waren wir am Flughafen Stockholm und hatten zum Frühstück ein wunderbares Köttbullar-Sandwich.
Unser Nachtzug nach Stockholm
Köttbullarsandwich
Das Eisangeln hat bei Temperaturen um -30°C leider nicht geklappt. Aber wir werden sicher wieder mal nach Lappland reisen und im April ist es ohnehin schon viel wärmer und es friert einem nicht ständig das Eisloch zu. Fisch haben wir nur im Supermarkt gesehen. Als Creme in der Tube oder als Surströmming in der Dose. Wir hatten überlegt den durch Milchsäurebakterien vergorenen Hering als Mitbringsel mit nach Deutschland zu nehmen. Die Kenner sagen, dass der Surströmming erst dann richtig reif ist, wenn sich die Konserven anfangen zu beulen. Früher wurde dieser Termin einfach durch ein königliches Dekret festgelegt. Wegen der Explosionsgefahr, der unter Druck stehende Dosen und dem sich dann ausreitenden furchtbaren Gestank soll man auf eine Mitnahme im Flugzeug verzichten, bzw. haben einige Airlines es gar verboten. Glück gehabt liebe Familie
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Surströmming, für die Einen eine Delikatesse, für die Anderen einfach nur vergammelter Fisch
Auswahl an verschiedenen Tuben nicht nur mit Fisch oder Krebsen
Wir haben während der kurzen Reise nur selten daran gedacht, wie es unserem zweieinhalbjährigen Sohn wohl gehen würde. Er war bei der Oma sehr gut aufgehoben. Wir konnten daher die Zeit wirklich gut genießen, und erschraken uns manchmal selbst, wie weit weg wir von zu Hause tatsächlich wirklich weg waren und dabei für diese Zeit unseren Sohn vergaßen. Wir haben in der ganzen Zeit Lappland nur überhaupt einmal in Narvik ein kleineres Kind gesehen. Ansonsten geht bei dieser Eiseskälte wohl kaum ein Kind vor die Tür oder ziehen die Eltern dann ohnehin weiter nach Süden. Zurück in seinem Kinderzimmer hat mir mein Sohn abends vor dem Einschlafen von einem Land erzählt, dass er Peppoland nennt. Dort war es kalt und meiste Zeit dunkel. Er würde gern mal mit mir dort hinfahren! Ich weiß bis heute nicht, wie und warum er sich dieses Traumland ausgedacht hat, aber klar würde Papa gerne mal mit Ihm zusammen nach Peppoland fahren und durch die verschneite Wildnis streifen.
Die eisigen Temperaturen waren trotz unserer wärmenden Ausrüstung auch für uns nach mehr als einer Stunde im Freien grenzwärtig und leider steigt die Technik aus Fotoapparaten und Handys auch relativ schnell aus. Mit einer vernünftigen Kamera und einem Stativ hätte man sicher noch viel mehr rausholen können. Aber auch so haben wir viele schöne Erinnerungsfotos behalten und auch die eingefrorenen Finger taten irgendwann nicht mehr weh.
Wir waren letztendlich nur 5 Tage in Schweden und davon auch nur 3,5 Tage in Lappland. Aber diese relativ kurze Zeit hat in mir einen sehr tiefen, bleibenden Eindruck hinterlassen und mich meinem Traum viel nähergebracht. Die auf den ersten Blick weiße Schneewüste verändert durch die wechselnde Sonneneinstrahlung ständig die Farbschattierungen von weiß über blau, goldfarbend nach grau. Dazu die schwerelos tänzelnden Polarlichter und diese wirklich absolute Stille! Meine Frau hat hier sehr genau meine Wünsche getroffen und mir ein ganz wunderbares Geschenk gemacht. Wir werden gerne als Familie wiederkommen, um dann noch tiefer in den Winter Lapplands eintauchen zu können. Bis dahin habe ich die vielen Bilder meines Traums in meiner Erinnerung und bin heute schon viel ruhiger, wenn ich mir hin und wieder die Webcams Lapplands betrachte.
Heute Mittag war es in Jokkmokk mit +6°C wirklich außergewöhnlich warm und man sieht wie langsam die dicke Schneedecke anfängt zu tauen. Aber der Winter in Lappland ist noch lange nicht vorbei. Im letzten Jahr waren auf der Webcam vom 01.06.2019 am Ufer des Stora Lulevatten noch deutlich die Reste vom Schnee zu erkennen.
Ein Blick zurück an das verschneite Ufer des Kallojärvi.
Viele Grüße
Tomasz