So jetzt ich als interessierter Rechtslaie wieder
:
Nach §17 sind ja dann "länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden" der Vorwurf.
Wie weist der Staatsanwalt das länger anhaltende Leiden eigentlich nach, wenn das wissenschaftlich gar nicht geklärt ist? Muss das nicht zweifelsfrei bewiesen werden?
Und ich hab noch einen (jetzt mal allgemein beim Angeln, Drillen): Wieso spricht man bei dem "vernünftigen Grund" von einem "Rechtfertigungsgrund"? Das steht doch im Tatbestand. D.h. wenn das Angeln ein "vernünftiger Grund" ist, ist der Tatbestand nicht erfüllt und fertig mit der Kiste. Rechtfertigungsgründe werden doch erst später geprüft, d.h. einen Rechtfertigungsgrund braucht man doch nur, wenn der Tatbestand erfüllt ist, oder?
Herrlich, was für blöde Fragen man nach 2 Std. Youtube-Strafrecht stellen kann
...gut, falls Kolja antwortet steh ich vermutlich doof da, aber was solls
Deine Fragen sind überhaupt nicht doof. Gerade die letzte Frage ist sogar überaus berechtigt. Der "vernünftige Grund" steht im Tatbestand. Genau über diese Frage existiert ein Meinungsstreit in der Wissenschft. Diesen jetzt darzulegen wäre zu aufwendig. Es bringt auch nicht viel, weil diese Frage eher akademisch ist und in der Praxis nicht wirklich relevant ist. Der BGH sieht in dem "vernünftigen Grund" ein Merkmal der Rechtfertigung. Allerdings reicht er weiter, als die gesetzlich normierten Rechtfertigungsgründe (wie z.B.: Notwehr, Nothilfe usw.). Hier können auch Gewohnheitsrecht oder gelebte Bräuche durchaus rechtfertigend wirken. Wenig relevant ist die Einordnung, weil auch eine Rechtfertigung die Strafbarkeit vollständig entfallen lässt und das nichtvorliegen einer Rechtfertigung ebenfalls von der StA bewiesen werden muss. Ist eine Tat gerechtfertigt, dann ist sich generel nicht strafbar. Anders bei Entschuldigungsgründen. Die lassen die Strafbarkeit nicht generell entfallen, sondern müssen in der Person des Täters vorliegen und sind individuell zu prüfen.
Zum nächsten Problem: Die Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen im § 17 TSG. Die waren schon Gegenstand einer Entscheidung des BVerfG. Wir haben im deutschen Strafrecht nämlich ein Bestimmtheitsgebot. Eine Strafnorm mus so beschaffen sein, dass der Bürger selber zu jederzeit wissen kann, was Recht und was Unrecht ist. Klar, dass dies bei dieser unbestimmten Norm vor dem BVerfG landen musste. Im Ergebnis sagete das BVerfG, dass § 17 TSG mit viel gutem Willen gerade noch bestimmt genug ist. Es stellt sich aber die Frage, zu wessen Lasten es denn geht, wenn eine strafbare Handlung aussschließlich auf die Unbestimmtheit der Norm zurückzuführen ist. Auch hierzu gibt es ein Urtei und das ist noch gar nicht so alt. Es war die Entscheidung über das Schreddern von Eintagsküken. (Landgericht Münster mit Beschluss vom 7.3. 2016 – 2Kls 540 JS 290/ 15 – 7/15) Das LG Münster äußerte Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit von § 17 TSG. Wenn man aber nun das Bestimmtheitsgebot schon soweit "ausleiert", dann ist es Aufgabe des Gesetzgebers hier in den Spezialgesetzen (für uns das LFischG) Klarheit zu schaffen. Das LG Münster führt weiter aus, dass es nicht Aufgabe der Strafrichter sein kann, in diese Spetzialgesetze das TSG von Außen einschränkend hineinzuinterpretieren. In einfachen Worten: Der Gesetzgeber soll z.B. das LFischG so klar formulieren, dass klar ist, was man darf und was man nicht darf. Mit dieser Thematik hat sich Grünknochen beschäftigt und ich erlaube mir ihn an diesem Punkt zu zitieren:
"Ich halte diesen Ansatz für richtig. Bedeutet: Das Angeln selbst bedarf keiner besonderen Rechtfertigung oder gar Motivforschung. Die Rahmenbedingungen bestimmt das jeweilige Landesfischereigesetz selbst. Finden sich in diesem Gesetz – seiner Rechtsnatur nach übrigens Ordnungsrecht – keine Aussagen zum Thema Entnahmepflicht, gibt es sie nicht und es verbietet sich, diese über §§ 17,18 TSG hineinzuinterpretieren."
(Wie ihr seht, tauschen wir uns regelmäßig aus. Unsere Rechtsauffassungen sind nahezu deckungsgleich. Dies gilt auch für Elmar Weber, mit dem ich auch immer wieder in Kontakt stehe. Wenn ich hier was juristisches schreibe könnt ihr also davon ausgehen, dass das nicht nur meine Meinung ist.)
Leider folgen die Amtsgerichte noch nicht der Auffassung des LG Münster und der daraus entwickelten Argumentation von Grünknochen. Was nicht ist, kann aber noch werden.
Die Amtsgerichte machen sich die Sache bei der Frage von "länger anhaltendem Leid" recht einfach. Sie lassen diese Frage von einem Gutachter (meist Amtstierarzt) bewerten und folgen dann seiner Empfehlung. Der Argumentation von Jendrusch & Arlinghaus, dass der Angler jedenfalls keinen vorsätzlichen Verstoß gegen das TSG begeht, wenn in der Wissenschaft höchst umstritten ist, ob Fische überhaupt Schmerzen empfinden, wird überwiegend nicht gefolgt.
Wie ihr seht, sind wir angelpolitisch interessiereten Juristen recht tief in der Materie drinnen. Allerdings haben die Verbände, insbesonere der DAFV bislang unser Know-how nicht nachgefragt. Ich glaube auch nicht, dass die da ein Interesse haben.
Was uns Anglern helfen würde wären weitere wissenschaftliche Studien, die nachweisen, dass der Fisch kein, dem Menschen entsprechendes Schmerzempfinden besitzt. Der DAFV sitzt aber lieber auf einer Million EURO Rücklagen, als entsprechende Studien in Auftrag zu geben.
Ich hoffe die Fragen ausreichend beantwortet zu haben.