AW: Europaweites Setzkescherverbot
Vielleicht noch ein paar Anmerkungen von mir zu dem Ding:
1.) Die Autorin ist nicht als Richterin tätig geworden, sondern eben als Fachautorin publizistisch. Das macht insofern einen Unterschied, als es sich eben bei den Thesen nicht um Rechtsprechung, sondern um Meinungsbildung handelt.
2.) Die Zeitschrift Natur und Recht ist alles andere als ein "Nischenblatt des Springer-Konzerns". Es ist eine der führenden Fachzeitschriften im Bereich Natur- und Umweltschutzrecht und genießt in Fachkreisen einen guten Ruf. Das gilt im übrigen für sehr viele der in der Wissenschaftssparte des Springer-Verlages publizierten Geschichten. Man sollte also die Relevanz des Artikels nicht unterschätzen.
3.) An der fachlichen Kompetenz des Artikels bestehen erhebliche Zweifel. Insbesondere fällt er inhaltlich wie methodisch hinter die Entwicklung der neueren Rechtsprechung zurück. Methodisch, weil er aktuelle fischereiwissenschaftliche Erkenntnisse (z.B. Schreckenbach, Arlinghaus etc.) völlig unbeachtet lässt. Zudem wird der alte "anthropozentrische" Ansatz wiederholt, dass vom Unbehagen des Menschen auf dasselbe beim Fisch geschlossen wird. Sowohl Leiden, als auch Schäden werden behauptet, unterstellt, aber nicht nachgewiesen, quasi aus dem Tierschutzgesetz deduziert nach dem Motto: Fische müssen, wenn man sie überhaupt irgendwie "behandelt", automatisch dadurch leiden, weil es das Tierschutzgesetz gibt. Die juristische Fachliteratur, die immer und immer wieder zur Begründung herangezogen wird - es sind fast immer dieselben - ist veraltet und wissenschaftlich längst überholt. Die Leidensbegründung unterliegt bei der Autorin einem Zirkelschluss.
4.) Bemerkenswert ist allerdings, dass die Autorin die Rechtswidrigkeit des Setzkeschereinsatzes nicht zweifelsfrei aus dem Tierschutzgesetz ableitet, sondern erst aus dem Grundgesetz (Art. 20a GG). Das kann man schon deswegen für verfehlt halten, weil Art. 20a lediglich eine Staatszielbestimmung ist und kein Abwehrrecht. Die dabei vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung fällt dann gelinde gesagt sehr eindimensional aus und könnte mit guten Gründen auch zu einem ganz anderen Ergebnis führen. Das gilt umso mehr, als es ja immerhin um die Frage der Strafbarkeit (!!) des Setzkeschereinsatzes geht, wo besonders scharfe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu stellen sind. Für eine europaweite Regelung fehlt es der EU - entgegen der Behauptung der Autorin - an einer Rechtssetzungsbefugnis.
5.) Der von der Autorin behauptete Handlungsbedarf kann im Bereich des von ihr zur Begründung herangeführten Wettangelns gar nicht bestehen, denn dieses ist bekanntlich bereits verboten. Wenn es verboten ist, jemanden zu erschießen, wozu dann noch ein Verbot, die Pistole zu munitionieren? Bleibt lediglich der Bereich des Frischhaltens als Begründung für eine Verschärfung übrig. Die dort von der Autorin aufgezeigten "Alternativen" sind lebensfremd und absolut praxisuntauglich. Auf sie wird nicht aus "ökonomischen" Gründen verzichtet, wie sie behauptet (die meisten Angler dürften Kühlboxen haben), sondern weil viele Angelmethoden das Mitführen von Kühlboxen unmöglich machen (Pirsch-, Wanderangeln, Fliegenfischen etc.). Offenbar geht die Autorin davon aus, dass Angler grundsätzlich mit einem Auto bis an die Angelstelle fahren und die Kühlbox dann an die Autobatterie anschließen. Angler, die das machen, werden dann auch die Kühlbox dem Setzkescher vorziehen. Mangels echter Alternativen ist dann auch die rechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung der Autorin schlicht falsch.
6.) Gleichwohl wird der Artikel in Fachkreisen seine Wirkung nicht verfehlen. Längst nicht jeder Jurist ist praktizierender Angler. Deswegen wäre es wichtig, an geeigneter Stelle eine Gegenposition zu veröffentlichen. Nicht nur in "Natur und Recht", sondern eben auch offiziell durch die Angelfischerei. Ich kann nicht einschätzen, ob der DAFV dazu derzeit bereit und in der Lage wäre; seine Aufgabe wäre es allemal. Vielleicht wird Prof. Arlinghaus zu dem Artikel Stellung nehmen und der DAFV - wo man ja praktisch denkt - dann dessen Stellungnahme auf der eigenen Homepage verlinken.
Das eigentliche Problem aber sehe ich in dem Tunnelblick, der hier einmal wieder zelebriert wird. Während die Berufsfischerei tagtäglich Fische quält, indem sie Stellnetze aufstellt und diese tagelang nicht leert, riesige Fangnetze benutzt, in denen Fische und Beifang langsam zerquetscht werden, ist für die Autorin bereits "ein kurzzeitiger" Aufenthalt in einem Setzkescher ein Grund, die Strafjustiz auf den Plan zu rufen und die staatliche Regelungswut anzuheizen. Dabei übersieht sie völlig, dass der Setzkescher heute im Vergleich zu früher viel seltener benutzt wird und sich die Angelfischerei längst Regeln selbstauferlegt hat, die zu einem auf das notwendige Maß beschränkten Einsatz von besonders schonenden Setzkeschern verpflichten, wo dieses nicht bereits durch die - von der Autorin gänzlich außer Betracht gelassenen - Fischereirechte der Länder geschehen ist. Der Setzkescher ist offenbar das größte Problem für unsere Fische. Hier zeigt sich erneut, wie der tierindividuelle Schutzansatz des Tierschutzgesetzes bei seiner Anwendung auf Schwarmtiere zu Fehlinterpretationen führt.