Um noch mal auf Ralle zurückzukommen, dessen letzter Beitrag mich - ehrlich gesagt - ziemlich geschockt hat.
Er geht ja von der These aus, dass das "Ideologie" und Demokratie getrennt werden könnten oder sogar sollten. Nach dem Motto: Wenn die Ideologie stimmt, ist die Demokratie egal.
Nein, eben genau nicht. Eine Vereinigug, ein Zusammenschluß braucht eine gemeinsame Vision (Ideologie ist mir zu negativ behaftet, das haben wir heute und da ist tatsächlich die Demokratie oft egal). Man kann doch nicht beschließen zusammen zu gehen und hinterher erst überlegen, wohin man eigentlich gehen will. Dann will der eine nach (unpolitisch) rechts, der andere nach links und schon geht kurz nach der Heirat das Gezanke los. Und wenn man sich mit jemandem zusammentut und beide einen Riesenschweif an Mitgliedern hinter sich herziehen, dann müssen diese Mitglieder doch überzeugt und mitgenommen werden. Und wie will man das anstellen ohne zu beschreiben, wohin die gemeinsame Reise gehen soll?
Dass die "richtige Ausrichtung" - was immer das dann auch ist - in einer größeren Organisation nur durch demokratische Willensbildungsprozesse entstehen kann, scheint jenseits des von Dir Akzeptablen, ist aber durchaus meine Grundüberzeugung. Welcher Verbandsvertreter sollte eine Ideologie auch unterschreiben, wenn er anschließend dafür abgewählt wird?
Um eine Vision, eine gemeinsame Grundausrichtung, festzulegen braucht es keine Demokratie. Dazu braucht es zwei Menschen die sich zusammensetzen und gemeinsam überlegen und formulieren, welches große Ziel sie verfolgen wollen. Da geht es nicht um Details wie Wettfischen, Setzkescher oder sonstige Einschränkungen.
Das ist eine simple, aber für die Zukunft bindende Grundausrichtung. Das kann z.B. so aussehen.
Der Verband vertritt die Interessen seiner Mitglieder in Deutschland und Europa. Oberstes Ziel des Verbandes ist es, die Angelfischerei in allen Varianten und für alle Angler zu erhalten und zu stärken, die Verantwortung für die Regeln der Ausübung der Angelfischerei wieder zurück in die Hände der Fischereirechtinhaber zu geben und sich dafür einzusetzen, dass über die Bundesgesetzgebung hinausgehende Einschränkungen verhindert werden.
Kann man sicher noch geschickter formulieren, man kann auch ein ganz anderes Ziel formulieren (obiges wäre sinngemäß mein Wunsch), ist völlig wurscht. Aber man muss ein gemeinsames Ziel haben.
Und dann, erst dann, fängt der formaljuristische und demokratische Prozess an. Erst dann gehen die Verhandlungspartner zu ihren Mitgliedern und müssen versuchen, diese zu überzeugen und ein Mandat zu bekommen. Es kann dann auch möglich sein, dass eine Fusion nicht zustande kommt, weil die Mitgleider auf demokratischem Weg feststellen, dass die Mehrheit dieses Ziel nicht verfolgen möchte. Es kann auch sein, dass man zwar eine Mehrheit bekommt, aber einzelne Mitglieder austreten weil sie als Minderheit dieses Ziel nicht verfolgen wollen. Aber auch das sind dann demokratische Prozesse.
Im weiteren Verlauf auf Bundes- und Landesebene beginnt dann die Detailarbeit. Über Setzkescher, Wettfischen etc. muss man dann gar nicht mehr diskutieren oder abstimmen. Das gemeinsame Ziel schreibt vor, dass im Zuge einer Novellierung eines Landesfischereigesetzes der Verband auf den Gesetzgeber einwirkt, dass dessen Gebrauch nicht im Fischereigesetz festgeschrieben wird, sondern in der Verantwortung des jeweilgen Fischereirechtinhabers bleiben muss/ zurückgegeben wird. Ob der Verband das erreicht, ist eine andere Frage, aber er muss sich darum bemühen.
Und wenn jemand kommt, wie z.B. jetzt Schleswig-Holstein, und auf den gesetzgeber einwirken möchte, dass der Touristenfischereischein nicht oder nur eingeschränkt eingeführt wird, dann genügt ein Fingerzeig auf das gemeinsam festgelegte Ziel um diesen Verband wieder einzufangen.
Das Kasperltheater, was wir in den letzten Monaten erlebt haben rührt doch einzig und alleine aus der Tatsache, dass man zuvor kein gemeinsames Ziel festgelegt hat. Hätte man diesen Schritt zuerst gemacht, wäre die Fusion entweder schon lange vollzogen, oder aber von Anfang an gescheitert, weil sich beide Parteien, oder eine Partei intern, nicht auf ein gemeinsames Ziel einigen konnten. Und im letzten Fall wäre dann das scheitern einer Fusion nicht nur ein absolut demokratischer Prozess, sondern auch richtig und sinnvoll. Wenn zwei absolut nicht miteinander können, endet eine Zwangsheirat automatisch in einer Katastrophe, Scheidung und Zerfall der Familie.
Jetzt haben wir eine Situation, in der eigentlich keiner mehr irgendein gemeinsames Ziel verfolgen will oder kann, in der beide Parteien in ihren eigenen Beschlüssen gefangen und quasi handlungsunfähig sind. In der einer der Verhandlungsführer, der erklärtermaßen die Fusion im formaljuristisch abgestimmten Rahmen gar nicht will, der aber per aktuellem Beschluß des Verbandsausschusses nun automatisch wieder als Verhandlungsführer agieren muss/soll.
Was auch immer im November beschlossen werden wird, verstößt automatische gegen irgendeine Beschlußlage.
Und wenn ich zuvor geschrieben habe, dass mir eine formal völlig aus dem Ruder gelaufene, politisch unkorrekte, aber mit klarem Ziel erfolgte Fusion lieber wäre, als das Theater was jetzt im Moment abläuft, so hat das nichts mit Verlassen demokratischer Grundsätze zu tun.
Dann wäre das z.B. die Situation, dass ein oder mehrere Landesverbände dem/den Bundesverbänden wegen erklärter Unfähigkeit den Rücken kehren auf die gefassten Beschlüsse pfeifen und selbst aktiv werden.
Den Eindruck hatte ich, als Bayern, Thüringen, Brandenburg und als Trittbrettfahrer MV aufgestanden sind. Hab mich wohl leider und zum Glück geirrt.
In dem ganzen Fusionstheater bisher ging es mit keiner einzigen Anstrengung um die Angelfischerei oder die Angler, sondern ausschließlich um Erhalt von Existenzen um deren Exstenz willen. Und sowas muss zerschlagen werden, denn es hat keinerlei positive Auswirkungen für die Angelfischerei, sondern durchweg nur negative.
Ich empfehle, es mal anders herum zu versuchen: Stellt die angelpolitischen Grundsätze à la Piraten-Partei ins Netz und lasst darüber Liquid Democracy-mäßig abstimmen. Wenn dabei ausreichend Kräfte mobilisiert werden und Tendenzen sichtbar werden, werden die Verbände sie auf Dauer nicht unberücksichtigt lassen. Wetten?