AW: Norwegische Sitten, Bräuche und regionale Unterschiede
Viele Norweger können sehr gut unterscheiden, mit wem sie es zu tun haben. Nur der normale Tourist wird selten mitbekommen, welche Meinung man von ihm hat. Der Norweger bleibt freundlich. (Der reist ja bald wieder ab)
Soviel zu den einleitenden Worten vom ersten Beitrag. Es ist doch nur die Einleitung, warum der Themeneröffner zu seiner Frage gekommen ist. Die eigentliche Frage steht doch in der Überschrift.
Wenn man nur auf die Einleitung eindrischt, dann frage ich mich, warum noch keiner Anstoß an der Uhrzeit genommen hat, wo dieser Beitrag abgespeichert wurde. (Eine Stunde später wäre doch besser)
Oder kommen hier deswegen kaum Beiträge zu dem Thema, weil sich einfach zu wenige mit den Sitten und Bräuchen der Norweger beschäftigen und sich deswegen nur die melden, die ein schlechtes Gewissen haben.
Etwas Provokant, aber zum Nachdenken vielleicht förderlich.
Zum Thema:
Wenn ich hier vom Norweger spreche, meine ich nicht den Norweger aus den großen Städten wie Oslo, Stavanger oder Tromsø (als Beispiel). Viele von denen sind schon vom eigentlichen Norweger abgerückt. Ich meine immer den Norweger aus den ländlichen Regionen.
Wer schon einmal von einer norwegischen Familie zum "Kaffee" eingeladen wurde, und so nach Mitternacht langsam wieder zu seiner Hütte zurück gegangen ist, weiß ab da, was Gastfreundschaft bedeutet. Dieses "Kaffeetrinken" ist an der Südküste verbreitet.
Man wird meistens so gegen 16 Uhr eingeladen. Es beginnt ganz normal mit Kaffee und Kuchen. Kuchen? Torte in vielen Formen mit viel Sahne, Marzipan und alles was garantiert die Hüften stärkt. Dazu schönen kräftigen Kaffee, der zum Anfang nicht so richtig schmeckt, den man aber trinken sollte, weil man sonst den Abend nicht übersteht.
Nach dem 2. Stück Torte und einiges an Gebäck wird der Tisch abgeräumt. Man klönt über dies und das. Eigentlich denkt man sich schon, netter Nachmittag, was mach ich heute Abend?
Weit gefehlt. Der Tisch wird wieder gedeckt. Diesmal mit Schnittchen. Die bestehen meist aus runden Weißbrotscheiben mit vielen Leckereien belegt. Oft stehl dann auch noch eine Schale mit Reker und Krabber auf dem Tisch.
Die Torte noch nicht richtig verdaut, geht es nun an das Herzhafte. Man bekommt Sachen dabei zu essen, die man noch nicht gesehen hatte. Das eine Mal waren in Zwiebeln gebratene Medallions auf dem Tisch. Absolut lecker! Erst später stellte sich im Gespräch heraus, dass das Walfleisch war.
Dann wird auch diese Tafel abgeräumt. nun ist es schon um 19 Uhr. So kurz vor 20 Uhr kommt die Torte wieder zum Vorschein. Der Kaffee schmeckt immer besser, der Magen quitscht, aber man redet und lacht trotzdem.
Dieser Wechsel kann bis nach Mitternacht gehen. Danach mag man sich nicht mehr ruckartig bewegen, sondern nur noch ganz vorsichtig.
Die Nacht ist dann sehr beschwerlich. Durch den Kaffee ist auch nichts mit Einschlafen, man erlebt die Verdauung hautnah. Dann der Morgen: Wehe es wird Kaffee gekocht, wehe es wird der Tisch gedeckt.
Erst so gegen Abend denkt man wieder an Essen. Aber es war ein Erlebnis der besonderen Art. Ab dem 2. Kaffeetrinken ist es nicht mehr so schmerzhaft.
Das ist ein Brauch, den man in den ländlichen Gegenden erleben kann, wenn man sich mit den Norwegern unterhält und vor allem, wenn man die Gefühle der Norweger nicht mit Füßen tritt.
Wenn man nur seine Hütte kennt und den Nachbarn nicht einmal begrüßt, wird man derartiges nie erleben. Auch die oft übliche Flasche Schnaps aus deutschen Lande bringt selten Freundschaft. Man muss schon etwas dafür tun. Was, das hatte ich schon im vorigen Beitrag geschrieben.
Wenn ich einmal im Jahr zum Forellenpuff fahre, kenne ich den Inhaber deswegen auch nicht.
Søren