Hier kommt ein weiterer Kommentar zum Thema.
Diesmal kommentiert Mathias Fuhrmann vom Team Boddenangeln:
Die Herabstufung des Baglimits beim Dorsch war leider zu erwarten trotzdem trifft es den Angeltourismus hart. Beim Team Bodden-Angeln machen die Dorschtouren ca. 20-30% aus. Somit trifft es uns nicht ganz so hart, wie die Anbieter, die nur auf die Ostsee fahren. Allerdings ist nach insgesamt 11 Monaten Betriebsverbot durch die Pandemie der Zeitpunkt kritisch. Flexibilität ist aber unsere Stärke und die des Rügener Revieres. Wir bieten ja eine breite Palette an Touren, von Hecht, Barsch und Zander im Bodden bis hin zu Dorsch, Meerforelle, Lachs, Hering, Hornhecht und Plattfisch an. Leider wird der Dorsch das abwechslungsreiche Programm erst einmal nicht mehr bzw. kaum noch bereichern.
Auf verantwortungslose Art und Weise wurde der Bestand kaputt gefischt. Die Ursachen sind vielseitig und alle haben einen Anteil daran, insbesondere den Berufsfischern würde ich hier den größten Anteil zuschreiben. Rücksichtsloses Fischen in den Laichgebieten, viel zu geringes Mindestmaß, eine Quote weit über den Empfehlungen und dubiose Rückwurfvorschriften haben dem sehr produktiven Dorschbestand massiv zugesetzt und die natürlichen Einflüsse stark verstärkt. Bis zum Winter 2020/2021 konnten wir noch zahlreiche gute Dorsche fangen, nach dem Frühjahr waren die Fische fast vollständig verschwunden. Dass es dem Dorsch nicht gut geht, konnte man aber schon seit einigen Jahren beobachten. Diese Zeichen wurden leider nicht ernst genommen. Aktuell fängt man sehr viele kleine Dorsche von 20-30 cm vor unseren Küsten, dies zeugt von der hohen Produktivität und lässt für die nächsten Jahre hoffen. Leider wird die Fischerei nicht eingestellt und besonders die Schleppnetzfischerei auf Plattfisch, die oft in Dorschgebieten stattfindet, kann zum Sargnagel des Dorschbestandes werden. Die Verantwortlichen müssen endlich verstehen, dass das Angeln die nachhaltigste und wirtschaftlichste Nutzung eines Fischbestandes ist! Die Berufsfischerei, insbesondere die großen Schleppnetzboote, haben einen enormen Kostendruck, es muss immer mehr gefangen werden, mit immer mehr Technik und immer mehr Aufwand. Diese Spirale dreht sich immer weiter und weiter. Die Fische werden dann mit dem LKW durch halb Europa gefahren und stehen auf den Auktionen in Konkurrenz zum Weltmarkt. Die Wertschöpfung des Massenfangs für die Region ist gering, der Schaden umso größer. Ändern wir das nicht, werden wir immer wieder die gleichen Probleme haben. Eine kleine Küstenfischerei z.B. mit Stellnetzen, die regional vermarktet, ist sicherlich ein Lösungsansatz, um den Traditionsberuf zu erhalten. Ein Baglimit für Angler finde ich übrigens absolut notwendig, hier denke ich, dass man mit 5-7 Fischen pro Tag, je nach Zustand des Bestandes, gut leben kann. Ein Mindestmaß von 45 -50 cm halte ich genauso sinnvoll wie den Schutz der Laichgebiete.
Für die Berufsfischer wird es sicherlich bald großzügige Ausgleichzahlungen geben, für den Angeltourismus ist dies nicht zu erwarten, daher müssen wir uns selbst helfen und sehen die Krise als Chance, die Vielfalt der Angelmöglichkeiten auszubauen. Wir stellen die Touren um und bieten sogenannte „Ostseetouren“ an. Bei diesen ist der Dorsch nur noch Beifang und die anderen Fische rücken mehr in den Fokus. Insbesondere die Plattfische bieten spannendes Angeln. Der Anteil von kapitalen Schollen, aber auch großen Flundern, ist im Rügener Revier recht groß. Jetzt haben wir auch „endlich“ mal Zeit uns dem Steinbutt zu zuwenden. Zusätzlich bereichern Makrelen und Seelachse die Angelmöglichkeiten. Ziel ist es ja mit unseren Gästen einen schönen Tag auf der Ostsee zu erleben und dafür werden wir alles tun. Ich bin sicher, dass wir in 2-3 Jahren wieder bessere Dorschfänge erwarten können und ich wäre froh, wenn dann die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden.
Die Einschränkungen beim Lachs sind dagegen sehr überraschend gekommen und schwer nachzuvollziehen. Der Lachsbestand der Ostsee wächst seit einigen Jahren und alle sind sich einig, dass er mit ca. 1,5 Millionen Fischen stabil ist. Aus diesem Bestand fangen die Angler ca. 20 000 Fische pro Jahr in der offenen Ostsee. Jeder dieser Lachse ist ein goldener Lachs, der mehrere Tausend Euro Wertschöpfung bringt. Besonders in der Nebensaison ist die Lachssaison eine wichtige Einnahmequelle für viele auf Rügen geworden. Verantwortlich für die per „Dekret“ erlassen Beschränkungen ist eine neue Herangehensweise. Das Prinzip „One out, all out“ bedeutet, wenn es einem der Wildlachsbestände, aus welchem Grund auch immer, schlecht geht, wird die ganze Fischerei (Beruf und Freizeit) in der Ostsee geschlossen. Man könnte ja theoretisch den letzten Lachs des Stammes fangen, dieser kann aber auch von einer Robbe gefressen werden! Leider ist zu befürchten, dass es immer einem Fluss schlecht gehen wird, was keine gute Perspektive darstellt.
Mit der Entnahme von einem Lachs pro Angler und Tag hätte man sicherlich noch gut leben können, die Einschränkung nur „fin clipped“ Fische entnehmen zu dürfen, ist das Problem. Das sind Fische die durch Aufzuchtprogramme als Satzlachse (Smolts) eingesetzt werden und denen vorher ihre Fettflosse abgeschnitten wird, also sicher keine Wildlachse sind. Der Anteil dieser Fische ist in den letzten Jahren bei ca. 30% am Gesamtfang gewesen. Leider kann man die oft sehr kapitalen Lachse nach dem Drill und der Landung unter teils rauen Bedingungen nur bedingt zurücksetzen. Hier muss man genau prüfen wie man die Überlebensquote auf ein verantwortbares Level anhebt. Dazu werden wir uns besonders mit den schwedischen Anglern beraten, welche Erfahrungen diese gemacht haben, dort gilt diese Regelung schon seit einigen Jahren. Für uns vom Team Bodden-Angeln wird das entscheidend sein, ob wir weiter Lachstrollingtouren anbieten. Verantwortungsvolles Handeln ist uns immer schon sehr wichtig gewesen, diesen Weg werden wir nicht verlassen.