AW: Welchen Floatinanzug soll man denn nun kaufen?
Ich glaube nicht, dass irgendjemand, der an dieser Stelle von Überleben im kalten Wasser spricht, jemals bei 1-2 Grad Wassertemperatur in der Ostsee war, egal mit welchem "Floatinganzug". Diese Aussagen können - ich hoffe, ich darf das hier so schonungslos sagen, ohne jemandem zu nahe zu treten - nicht dem Erfahrungshorizont Einzelner entspringen, sondern dürften reines Hörensagen sein. Die Kaltwassertoten, die von unseren Seekreuzern (Küstenwachverband, Überwachung des Festlandssockels) jedes Jahr geborgen werden müssen, sind alle keine Wassersportler, denn die verwenden ausschließlich Trockenanzüge (kein Neopren). Die diesbezügliche Sachbearbeitung ist nicht erheiternd. Angler lassen sich gern von Werbeaussagen irreführen. Ich wurde zufällig Zeuge eines entsprechenden Beratungsgesprächs (ahnungslos trifft auf gläubig). Die Berufstaucher, die auch jetzt arbeiten müssen, verwenden Anzüge, die aus einer starken Kunststoffolie mit Gummidichtungen an Hals und Armen sowie angeschweißten / vulkanisierten Gummisocken versehen sind. Die Anzüge sind außen texturiert. Darunter wird Funktionswäsche getragen. Die Teilnahme an Jollenregatten bei Saisonstart (auch da ist das Wasser noch kalt genug) ist ohne Trockenanzug nicht zugelassen. Der Verband lässt die Kinder sonst nicht aufs Wasser. Die Bergerbesatzungen tragen auch alle Trockenanzüge. Nach der traditionellen Tannenbaumregatta (kurz vor Weihnachten; erster Preis ein geschmückter (!) Tannenbaum, zweiter Preis ein gefrorenes Hähnchen usw.), bei der die Eltern in den Jugendbooten komisch aussehen sollen, endet regelmäßig mit dem Wettschwimmen der Eltern. Das sagt eigentlich alles. Ich selbst gehe regelmäßig in die Ostsee, wenn ich mein Boot allein über den breiten Strand von Surendorf geschleppt habe, um mich abzukühlen. Leider wird man die Wärme in einem Trockenanzug nicht anders los, da die Ventilation absolut null ist. Klingt komisch, ist aber so. Die Spaziergänger halten einen dann für bekloppt oder angeberisch. Ist mir egal. Das Gleiche gilt für überkommendes Wasser. Klar sind andere Anzüge komfortabler, aber man kann im Falle eines unbeabsichtigten Ausstiegs jederzeit ins Boot zurück, weil sich der Anzug nicht vollsaugt und durch den enormen Lufteinschluss zusätzlich zur Schwimmweste soviel Auftrieb erzeugt, dass man eher auf dem Wasser als im Wasser schwimmt. Das Hauptkriterium ist jedoch, dass dann statt Panik eher Langeweile aufkommt. Mit einem Handy in handelsüblicher, sprechfähiger, wasserdichter Folie (unter der Schwimmweste tragen wg. Akkutemperatur) kann man dann noch telefonieren. Rettungskreuzer Mobil-Nr., Station Mobil-Nr. und Station Festnetznummer auf Kurzwahl speichern. Die zwölf Minuten, die der Kreuzer braucht, falls man sich doch nicht selbst helfen kann, darf man sich dann mit den Handyspielen vertreiben. Geizige Leute im Trockenanzug können auch zurückschwimmen. Alles schon gesehen. Im sogenannten Floatinanzug würde diese launig erzählte Geschichte dann in den Abendnachrichten zuende gehen. Meine Empfehlung also: kein Floatinganzug. Trockenanzüge sind nur geringfügig teurer (wie alles andere bei ebay noch billiger). PS: Die Seeberufsgenossenschaft schreibt bei Gebrauch von Wathosen an Deck Westen mit einer Mindestauftriebskraft von 120l vor, um den im Wasser tödlichen Auftrieb im Stiefelbereich auszugleichen. Nebenerwerbsfischer, die mit Wathose arbeiten, sowie Watangler werden nicht selten in Gestalt aus dem Wasser ragender Stiefel gesichtet, Kopf unten. Ist auf Dauer ´ne langweilige Stellung.